Alle Antworten zu Diabetes-Mittel zum Abnehmen
So funktioniert es – und das sind die Gefahren

Neue Abnehm-Präparate machen Menschen mit Übergewicht Hoffnung. Zwei Experten erklären, wie die Methode funktioniert und ob sie Zukunft hat.
Publiziert: 06.09.2023 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2023 um 19:15 Uhr

Einmal die Woche ein Piks ins Fett und schon schwindet der Heisshunger. Ursprünglich gegen Diabetes entwickelt, haben gewisse Medikamente einen regelrechten Abnehm-Hype ausgelöst, weil sie auch den Appetit zügeln. Nicht nur Menschen mit Adipositas profitieren davon. Seit halb Hollywood damit erschlankt ist, wollen auch Normalgewichtige auf diese Weise abnehmen. Was hinter den Medikamenten steckt und wie sie funktionieren, haben uns der Adipositas-Spezialist Dr. David Infanger und der Apotheker und Pharmawiki-Gründer Alexander Vögtli (46) erklärt.

Wie funktionieren diese Abnehm-Präparate?

Der Mechanismus, der zur Gewichtsabnahme führt, ist noch nicht komplett erforscht. Wichtig dabei ist das körpereigene Darmhormon GLP-1, das von entsprechenden Präparaten imitiert wird. Das Hormon wird von den Darmzellen während des Essens ausgeschüttet und veranlasst die Abgabe von Insulin in der Bauchspeicheldrüse. Damit wird der Blutzuckerspiegel gesenkt und die Magenentleerung verzögert sich. Das Signal für den Magen-Darm-Trakt, dass er genug hat, erzeugt im Gehirn das Gefühl der Sättigung. In seiner natürlichen Form wird GLP-1 im Hirn innerhalb weniger Minuten abgebaut. Darum wurden die synthetischen Wirkstoffe so verändert, dass sie länger im Körper zirkulieren.

Wie wurde der Wirkstoff entdeckt?

Als erster Wirkstoff aus der Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten wurde in den USA im Jahr 2005, entwickelt wurde es aus dem Gift der Glia-Krustenechse.

Der Apotheker Alexander Vögtli aus Disentis ist der Gründer von Pharmawiki.
Foto: Steffi Blochwitz - nordlichtphoto.com
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Entwickelt aus dem Gift der Glia-Krustenechse: Die ersten GLP-1-Rezeptor-Agonisten wurden 2005 in den USA zugelassen.
Foto: Getty Images

Wie viel Gewicht verliert man?

Wegen des längeren Sättigungsgefühls nehmen Menschen, die solche Präparate zu sich nehmen, bis zu 17 Prozent ihres Körpergewichts ab. Weil sich Semaglutid auch auf das Belohnungssystem auswirkt, vergeht meist auch die Lust auf Junkfood, also fett- und kohlenhydratreiches Essen.

Wer hats erfunden?

Mit dem Austricksen des Stoffwechsels schreibt der dänische Pharma-Multi Novo Nordisk eine kaum dagewesene Erfolgsgeschichte. Dank der Entwicklung von Medikamenten die zunächst gegen Diabetes 2 eingesetzt wurden und jetzt als Abnehm-Präparat auf den Markt kommen, ist Novo Nordisk inzwischen das wertvollste Unternehmen Europas – mit einem Börsenwert von über 400 Milliarden Franken.

Welche Nebenwirkungen kann es geben?

Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören gastrointestinale Störungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen sowie Reaktionen an der Injektionsstelle. Die GLP1-RA können selten eine akute Pankreatitis auslösen, also eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse.

Nehmen Diabetiker mit diesen Medikamenten auch ab?

Absolut – sie nehmen die Medikamente mit dem Ziel ein, abzunehmen. Denn Übergewicht hat einen direkten Einfluss auf Diabetes. Forschende der Universität Basel haben 2022 herausgefunden, dass sich durch fettreiche Ernährung unser Fettgewebe so verändert, dass es den Blutzucker nicht mehr regulieren kann.

Wer darf solche Präparate verschreiben?

Bislang waren die meisten dieser Medikamente nur für Diabetiker zugelassen. Auch diese kann jeder Arzt einem Erwachsenen wegen Übergewicht verschreiben. In zahlreiche Studien wurden die Wirkungen und Nebenwirkungen ausgiebig untersucht.

Kann ich das Medikament rezeptfrei in einer Apotheke kaufen?

Nein, und das wird zumindest in der Schweiz voraussichtlich auch in ferner Zukunft so bleiben, weil ärztliche Begleitung der Therapie aus medizinischer Sicht unerlässlich ist.

Was bezahlt die Krankenkasse?

Bislang gibt es erst ein Medikament, bei dem sich die Kassen im Fall einer Übergewichtsbehandlung beteiligen. Daran sind aber zahlreiche Bedingungen geknüpft. Es darf nur im Rahmen eines Adipositas-Programmes abgegeben werden und nur bestimmte Spezialisten dürfen das Rezept ausstellen, damit eine Kassenzahlpflicht besteht. Bereits nach vier Monaten muss der Patient ein exaktes Abnehmziel erreicht haben, damit die Kasse weiterhin jeweils ein halbes Jahr weiter bezahlt.

Wie funktioniert der Off-Label-Gebrauch?

Off-Label heisst, dass man ein Medikament nicht für das Leiden verwendet, für das es zugelassen ist. In diesem Fall zum Kampf gegen Übergewicht anstatt für die Behandlung von Diabetes. Wer davon Gebrauch machen möchte, muss einen Arzt finden, der bereit ist, dafür ein Rezept auszustellen. Die Kosten müssen Patienten selbst übernehmen. Sie liegen je nach Medikament bei rund 130 bis 200 Franken pro Monat.

Wie übergewichtig muss ich sein?

Unter einem BMI von 27 empfehlen Adipositas-Spezialisten das Medikament in der Regel nur, wenn die Person davor adipös war und unter dieser Therapie weiterhin gut abnimmt. Der Grund: Wer bei diesem BMI abnehmen möchte, kann das mit einer Optimierung des Trink- und Essverhaltens erreichen, was bei höherem BMI immer schwieriger wird.

Die neuen Abnehm-Medikamente

Saxenda
Es ist das erste Medikament mit dem Wirkstoff Liraglutid, das zur Gewichtsreduktion zugelassen ist. Es wird täglich selbst injiziert. Es fördert das Sättigungsgefühl und reduziert den Appetit. Saxenda ist bislang auch das einzige Mittel, das in der Schweiz seit 2020 bei der Behandlung von Adipositas krankenkassenpflichtig ist.

Ozempic
Mit dem Wirkshoff Semaglutid ist Ozempic ein hochwirksames Diabetes-Medikament. Einmal wöchentlich muss Ozempic ins Unterhautfettgewebe von Oberarm, Bauch oder Oberschenkel gespritzt werden. Weil es auch den Appetit zügelt, wird es als Diätmittel gehypt. Semaglutid erhöht die Insulinfreisetzung und vermindert die Freisetzung von Glukagon. In der Schweiz ist es nur als Diabetes-Mittel krankenkassenpflichtig.

Rybelsus
Die Tabletten enthalten ebenfalls Semaglutid und werden beim Diabetes Typ 2 verschrieben.

Wegovy
Das Folgeprodukt von Ozempic wurde spezifisch für die Gewichtsabname entwickelt. Es funktioniert ebenfalls mit Semaglutid, allerdings in doppelter Dosierung. In der Schweiz ist Wegovy zugelassen, aber wegen Lieferengpässen ist das Medikament noch nicht erhältlich.

Nicht angewendet werden dürfen solche Medikamente bei Überempfindlichkeit (Kontraindikation), Diabetes Typ 1, akute Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse), Hypoglykämie, Schwangerschaft oder während der Stillzeit.

Saxenda
Es ist das erste Medikament mit dem Wirkstoff Liraglutid, das zur Gewichtsreduktion zugelassen ist. Es wird täglich selbst injiziert. Es fördert das Sättigungsgefühl und reduziert den Appetit. Saxenda ist bislang auch das einzige Mittel, das in der Schweiz seit 2020 bei der Behandlung von Adipositas krankenkassenpflichtig ist.

Ozempic
Mit dem Wirkshoff Semaglutid ist Ozempic ein hochwirksames Diabetes-Medikament. Einmal wöchentlich muss Ozempic ins Unterhautfettgewebe von Oberarm, Bauch oder Oberschenkel gespritzt werden. Weil es auch den Appetit zügelt, wird es als Diätmittel gehypt. Semaglutid erhöht die Insulinfreisetzung und vermindert die Freisetzung von Glukagon. In der Schweiz ist es nur als Diabetes-Mittel krankenkassenpflichtig.

Rybelsus
Die Tabletten enthalten ebenfalls Semaglutid und werden beim Diabetes Typ 2 verschrieben.

Wegovy
Das Folgeprodukt von Ozempic wurde spezifisch für die Gewichtsabname entwickelt. Es funktioniert ebenfalls mit Semaglutid, allerdings in doppelter Dosierung. In der Schweiz ist Wegovy zugelassen, aber wegen Lieferengpässen ist das Medikament noch nicht erhältlich.

Nicht angewendet werden dürfen solche Medikamente bei Überempfindlichkeit (Kontraindikation), Diabetes Typ 1, akute Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse), Hypoglykämie, Schwangerschaft oder während der Stillzeit.

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Was hat es mit den Lieferengpässen auf sich?

Die Lieferengpässe bestehen ausgeprägt und beeinträchtigen die Arbeit der Adipositas- und Diabetesspezialisten gemäss eigenen Angaben sehr. Dafür verantwortlich ist die hohe Nachfrage und die Verordnung der Medikamente für den Off-Label-Gebrauch. Für Diabetiker kann es bedeuten, dass sie auf ein anderes Medikament aus der gleichen oder einer anderen Gruppe wechseln müssen.

Kann ich das nehmen, wenn ich «nur» übergewichtig bin?

Wenn man sich nur auf das Medikament verlässt und Lebensgewohnheiten wie Trinkverhalten und Bewegungsverhalten nicht verbessert, kann es nach dem Absetzen des Medikamentes zu einem Jo-Jo-Effekt kommen. Für Personen, die sich sicher sind, dass sie das Medikament ein Leben lang selbst finanzieren können, spricht allerdings nichts dagegen, es auch ein Leben lang anzuwenden – dann müssen sie aber natürlich auch die Nebenwirkungen (siehe oben) in Kauf nehmen. Das einzig stichhaltige Argument gegen eine langfristige Einnahme: Übergewichtige ernähren sich oft ungesund. Wenn sie sich auf ein Medikament verlassen, ohne gesünder zu leben, wird das weiterhin ihrer Gesundheit schaden – ob sie dick sind oder dünn.

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