Steinzeit-Trend: Jeden zweiten Tag verzichten
Intermittierendes Fasten: Diese Diät hat Rhythmus

Es tönt wie der einfachste Diät-Plan der Geschichte. An einem Tag isst man, am anderen nicht. Intermittierendes Fasten wird dieser neue Trend genannt. Vorbilder sind die Höhlenmenschen.
Publiziert: 14.02.2018 um 17:07 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2024 um 16:29 Uhr
Christiane Binder

Fast jeder zweite Schweizer ist zu dick. Kein Wunder also, dass jede neue Methode, Pfunde zu verlieren, gierig aufgegriffen wird. Das Neueste in der Diät-Szene ist das intermittierende Fasten.

Was ist Intervallfasten?

Das ist eigentlich gar keine Diät, denn der Punkt ist nicht, was man isst, sondern wann. Man wechselt ab zwischen Zeiten, in denen Essen erlaubt ist, und Dürreperioden, wo ausser Wasser und ungesüsstem Kräutertee nichts Kalorienhaltiges auf den Tisch kommt.

Die Länge des Null-Essen-Intermezzos darf jeder selbst bestimmen. Sie reicht von einem oder auch zwei Fasttagen pro Woche bis zur härtesten Variante, die am meisten Disziplin erfordert: einen Tag essen, einen Tag lang gibts nur Wasser, dann wieder einen Tag essen, und so weiter – die «1+1-Methode». Wahlweise empfohlen wird das Stundenfasten. In dem Fall wird innert 24 Stunden eine bestimmte Zeit lang nichts gegessen, 16, 18 oder 20 Stunden lang. Man darf aber – eine grosse Hilfe – die Nacht, in der man sowieso nichts isst, einbeziehen.

Essen nach der Uhr: Intermittierendes Fasten soll beim abnehmen helfen und dazu noch gesund sein.
Foto: Thinkstock Images

Hungergefühl schwindet

Der Schweizer Natural-Bodybuilder Patrick Reiser (30), dem auf Youtube 144'000 Fitness-Willige folgen, nimmt jeweils «16 bis 18 Stunden» keine Nahrung zu sich und fühle sich seither fitter als je zuvor. Nach einer Eingewöhnungsphase sei er sogar den Hunger in den Diät-Pausen los.

Die Idee hinter dem Part-Time-Fasten klingt einfach: Unsere Vorvorfahren in der Steinzeit kannten keine drei Mahlzeiten am Tag, so das Argument. Erjagten sie ein Mammut, schlangen sie so viel Fleisch in sich hinein, wie sie schafften. War die Nahrung verzehrt, gab es tagelang nichts mehr. Unser moderner Drei-Mahlzeiten-Takt dagegen sei dem Rhythmus der Industriegesellschaft verpflichtet, ein gesundheitlicher Sinn stecke nicht dahinter. Ganz gross ist das «Intermittent Fasting» in Amerika.

Dünne Datenlage

Bodybuilder Reiser entdeckte die Methode vor etwa zwei Jahren beim Training in Amerika für sich. Bei uns erobert sie gerade nach und nach den Diät-Markt, Einzelne betreiben es schon, Kantinengespräch ist die Methode aber noch nicht. Das Buch «Morgen darf ich essen, was ich will» von Bernhard Ludwig hat immerhin einen gewissen Bekanntheitsgrad, der Autor kommt übrigens ursprünglich aus der Finanzbranche. Er bietet eine Begleitung über die ersten 21 Tage Intermezzo-Fasten, die heikelste Zeit, in der sich der Körper umstellt und eine gewisse Härte gegen sich selbst gefordert ist.

Urteile von offiziellen Stellen sind bis jetzt noch zögerlich. So räumt die Schweizer Gesellschaft für Ernährungsfragen zwar ein, dass die Einflüsse des intermittierenden Fastens «auf die Insulinsensitivität, den Abbau von abdominellem Fett, das Fettprofil im Blut und Entzündungsmarker diskutiert» würden. Doch, so heisst es weiter, sei die Datenlage «derzeit noch sehr dünn» und stütze sich zum Grossteil auf Tierversuche. Deshalb will man sich dazu nicht äussern.

«Der Körper wird entlastet»

Ganz neu ist die Idee sowieso nicht. Viele Schlankheitswillige oder Gesundheitsfans legen seit jeher gelegentlich «Safttage» ein, verzichten aufs Abendessen oder Frühstück oder betreiben gar Heilfasten. Die Vor- und Nachteile dieser Methoden werden teilweise leidenschaftlich wie Glaubensfragen diskutiert. Ein Laie blickt da oft nicht mehr durch.

Das allgemeine Loblied – auch von Wissenschaftlern – auf das Teilzeitfasten dagegen ist bisher von fundamentaler Kritik ungetrübt. Das intermittierende Fasten entgifte den Körper bis zu den Nervenzellen im Gehirn. Es helfe, den Cholesterinspiegel und Blutdruck zu senken. Es wirke verjüngend. Manche sind sogar davon überzeugt, es helfe gegen Krebs, respektive glauben an eine lebensverlängernde Wirkung. Nach einem Selbsttest behaupten die meisten Probanden jedenfalls, sie fühlten sich viel fitter und wacher, da der Organismus nicht dauernd mit Verdauen beschäftigt sei.

Abnehmen durch Fasten

Auch das Abnehmen funktioniert anscheinend besser. Denn man lebt beim Rhythmus-Fasten doch nicht völlig ohne Nahrung. Der Körper stellt sich also nicht auf den «Hungerstoffwechsel» um wie beim Vollfasten, wo er sein System auf Sparflamme herunterfährt und den Kalorienverbrauch drosselt. So fühlt man sich nur müde und schlapp, nimmt aber kaum ab. Vor allem der modernen Unsitte, den ganzen Tag über etwas zu konsumieren – hier ein Süssgetränk, da ein Sandwich, dort ein Praliné –, schiebt das intermittierende Fasten einen Riegel vor.

Bleibt nur die Frage, was man in den Ess-Phasen zu sich nehmen darf. Das intermittierende Fasten scheint auf den ersten Blick attraktiv, da es grundsätzlich keine Beschränkungen vorgibt wie viele Diäten, die alles Mögliche verbieten. «Morgen darf ich essen, was ich will» – der Titel von Ludwigs Buch signalisiert, Schlemmen sei erlaubt. Würste, Schweinehals, Kuchen, Pizza, Döner und Bier – alles, worauf man gerade Lust hat.

Übersicht der Intervallfasten-Arten

16:8 oder «Lean Gains»
In diesem Zeitfenster isst man während 8 Stunden eines Tages. Während der restlichen 16 Stunden fastet man. Typischerweise wird über Nacht gefastet und das Frühstück weggelassen bzw. auf den Mittag verschoben. Das heisst, man isst zwischen 12 und 20 Uhr. Wenn man das Abendessen wegfallen lässt bzw. vorverschiebt, isst man zwischen 8 und 16 Uhr.

5:2
In dieser Variante wird während 5 Tagen normal gegessen. An zwei Tagen wird gefastet oder maximal 500 Kalorien aufgenommen. Für dieses Zeitfenster sind die meisten Studien gemacht worden, welche die gesundheitlichen Vorteile von Intervallfasten bestätigen.

19:5
Anhänger dieser Art von Intervallfasten machen eine Esspause von 19 Stunden und erlauben sich 5 Stunden, um zu essen. Typischerweise wird zwischen 17 und 22 Uhr gegessen.

ADF (Alternate Day Fasting)
Bei ADF isst man nur jeden zweiten Tag. Ein Tag wird normal gegessen, am nächsten werden maximal 500 Kalorien konsumiert oder sogar für 24 Stunden gefastet.

20:4 oder «Warrior Diet»
Während der 20:4 Diät darf man tagsüber kleine Mahlzeiten zu sich nehmen (etwa 500 Kalorien) und eine grosse Mahlzeit am Abend. Das Essfenster ist nur 4 Stunden lang. Die 20:4-Diät ist ein eher extremes Beispiel der Unterernährung, da eine minimale Einnahme von Kalorien vorgeschrieben wird. Anhänger ernähren sich typischerweise gemäss der Paleo-Diät.

23:1 oder «One Meal A Day» (OMAD)
Anhänger dieser extremen Form von Fasten essen nur eine hochkalorienhaltige Mahlzeit während einer Stunde am Tag.

16:8 oder «Lean Gains»
In diesem Zeitfenster isst man während 8 Stunden eines Tages. Während der restlichen 16 Stunden fastet man. Typischerweise wird über Nacht gefastet und das Frühstück weggelassen bzw. auf den Mittag verschoben. Das heisst, man isst zwischen 12 und 20 Uhr. Wenn man das Abendessen wegfallen lässt bzw. vorverschiebt, isst man zwischen 8 und 16 Uhr.

5:2
In dieser Variante wird während 5 Tagen normal gegessen. An zwei Tagen wird gefastet oder maximal 500 Kalorien aufgenommen. Für dieses Zeitfenster sind die meisten Studien gemacht worden, welche die gesundheitlichen Vorteile von Intervallfasten bestätigen.

19:5
Anhänger dieser Art von Intervallfasten machen eine Esspause von 19 Stunden und erlauben sich 5 Stunden, um zu essen. Typischerweise wird zwischen 17 und 22 Uhr gegessen.

ADF (Alternate Day Fasting)
Bei ADF isst man nur jeden zweiten Tag. Ein Tag wird normal gegessen, am nächsten werden maximal 500 Kalorien konsumiert oder sogar für 24 Stunden gefastet.

20:4 oder «Warrior Diet»
Während der 20:4 Diät darf man tagsüber kleine Mahlzeiten zu sich nehmen (etwa 500 Kalorien) und eine grosse Mahlzeit am Abend. Das Essfenster ist nur 4 Stunden lang. Die 20:4-Diät ist ein eher extremes Beispiel der Unterernährung, da eine minimale Einnahme von Kalorien vorgeschrieben wird. Anhänger ernähren sich typischerweise gemäss der Paleo-Diät.

23:1 oder «One Meal A Day» (OMAD)
Anhänger dieser extremen Form von Fasten essen nur eine hochkalorienhaltige Mahlzeit während einer Stunde am Tag.

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Foto: Getty Images/Eye Em
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«Essen, worauf man Lust hat»

Doch so einfach ist es eben doch nicht, und Ludwig relativiert in der Tat. Sogar ein Bewegungsprogramm schummelt er seinen Lesern unter. Und er behauptet, mit dem Intermezzo-Fasten ändere sich die Ernährungsweise «automatisch» in Richtung einer «gesunden und ausgewogenen Ernährung». Das heisst: An der alten Regel, dass Bewegung gut ist und Vollkornprodukte besser sind als Weissmehl, dass Zucker weitgehend zu meiden ist und Obst und Gemüse wertvollere Lebensmittel sind als Kuchen, ändert sich nichts. Immerhin darf man aber hin und wieder ein Glace essen oder eine Pizza, und das hat langfristig durchaus etwas Gutes: Der Fastende fühlt sich psychisch weniger unter «Ich darf nicht»-Druck, und die nach erzwungenem Verzicht häufig auftretenden Heisshungerattacken bleiben aus.

Immerhin haben Studien an Mäusen angeblich gezeigt, dass Tiere, die am Tag lange Fastenzeiten durchmachten, sogar eine Ernährung mit Fast Food besser wegsteckten – sowohl was Fettstoffwechselorgane wie Leber und Galle angehe als auch bei der Gewichtszunahme. Doch gerade an diesem Punkt setzt der Schweizer Ernährungswissenschaftler Jürg Hösli mit seiner Kritik an. Mäuse und Menschen seien nicht zu vergleichen, sagt er, Mäuse kennen keinen Stress, wie wir ihn kennen. Ein Nager hat keine nicht enden wollenden Arbeitstage, keinen Beziehungsstress daheim, keinen bis zum Rand vollen Terminkalender. Alles Alltagssituationen, auf die beim Menschen die Psyche reagiert. Sie verlangt nach Kompensation, einem kleinen Seelentrost in Form eines Schoggi-Riegels oder eines Tellers Spaghetti. Und gegen diese typisch menschlichen Gelüste hilft eben auch das Teilzeit-Fasten nicht.

Intermittierendes Fasten: Ein Teller mit Besteck und Uhr
Essen nach der Uhr: Intermittierendes Fasten soll beim Abnehmen helfen und dazu noch gesund sein.
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Schlank durch Fasten

In diesem grossen Fasten-Guide findet man alles über den Trend, sich gesund zu hungern. Lesen Sie, was es beim Intervallfasten zu beachten gilt.

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«Die Erkenntnis dämmerte schnell: Ich bin einfach kein Höhlenmensch»

Das Intermezzo-Fasten hat was, finde ich. Nahrungsentzug, das liegt doch in unseren Genen, und offenbar haben die Steinzeitleutchen gut damit überlebt. Ich wähle die härteste Variante: einen Tag essen, einen Tag Wasser, das ist am einfachsten, bilde ich mir ein. An nahrungsfreien Tagen hat man keinen logistischen Aufwand, kein Posten, kein Kochen, kein Geschirrabwaschen, das scheint doch alles wunderbar. Doch schon am ersten Wassertag dämmert die Erkenntnis: Ich bin leider eben doch kein Höhlenmensch.

Der hatte, wenn ihm der Säbelzahntiger entwischt war, halt weit und breit nichts zu essen, dumm für ihn, aber so wars halt. Doch ich lebe im reichsten Land der Welt. Ab 16 Uhr blättere ich hektisch in einem Gourmet-Magazin. Diese Brownie-Rezepte! Eine Stunde später brauche ich richtiges Essen. Wenigstens zum dran Schnüffeln. Ich schleiche in den Lebensmittelshop nebenan. Süsse Stückchen! Duftende ­Chicken Wings! Gierig verschlinge ich den Anblick der Köstlichkeiten in der Theke. Wahrscheinlich ist mir schon längst der Ladendetektiv auf den Fersen.

An der Kasse stehen Menschen mit vollgepackten Wagen. Neid kocht in mir hoch: Der darf – ich nicht. Die isst jetzt gleich was – ich muss durchhalten. Nachts im Bett wache ich auf, ich denke, da ist was im Zimmer. Doch es ist nur ein komisches Rumpeln in meinem Magen. Ich frage mich: Warum mache ich das? Mein Kühlschrank ist doch voll! Ist doch absurd! Bin ich eine Irre oder was? Ich werfe noch in der Nacht das Handtuch. Sollen andere das schaffen. Für mich ist das nichts!

Das Intermezzo-Fasten hat was, finde ich. Nahrungsentzug, das liegt doch in unseren Genen, und offenbar haben die Steinzeitleutchen gut damit überlebt. Ich wähle die härteste Variante: einen Tag essen, einen Tag Wasser, das ist am einfachsten, bilde ich mir ein. An nahrungsfreien Tagen hat man keinen logistischen Aufwand, kein Posten, kein Kochen, kein Geschirrabwaschen, das scheint doch alles wunderbar. Doch schon am ersten Wassertag dämmert die Erkenntnis: Ich bin leider eben doch kein Höhlenmensch.

Der hatte, wenn ihm der Säbelzahntiger entwischt war, halt weit und breit nichts zu essen, dumm für ihn, aber so wars halt. Doch ich lebe im reichsten Land der Welt. Ab 16 Uhr blättere ich hektisch in einem Gourmet-Magazin. Diese Brownie-Rezepte! Eine Stunde später brauche ich richtiges Essen. Wenigstens zum dran Schnüffeln. Ich schleiche in den Lebensmittelshop nebenan. Süsse Stückchen! Duftende ­Chicken Wings! Gierig verschlinge ich den Anblick der Köstlichkeiten in der Theke. Wahrscheinlich ist mir schon längst der Ladendetektiv auf den Fersen.

An der Kasse stehen Menschen mit vollgepackten Wagen. Neid kocht in mir hoch: Der darf – ich nicht. Die isst jetzt gleich was – ich muss durchhalten. Nachts im Bett wache ich auf, ich denke, da ist was im Zimmer. Doch es ist nur ein komisches Rumpeln in meinem Magen. Ich frage mich: Warum mache ich das? Mein Kühlschrank ist doch voll! Ist doch absurd! Bin ich eine Irre oder was? Ich werfe noch in der Nacht das Handtuch. Sollen andere das schaffen. Für mich ist das nichts!

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