Im Extremfall wird es teuer
Arzttermin zu spät abgesagt – muss ich bezahlen?

Einen Arzttermin kurzfristig abzusagen oder zu vergessen, kann jedem passieren. Neben einem schlechten Gewissen bleibt oft die Befürchtung zurück, trotzdem eine Rechnung zu erhalten. Yvonne Gilli vom Ärzteverband beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Publiziert: 21.05.2024 um 12:15 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2024 um 14:04 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team

Ihr Verband erhalte regelmässig Anfragen von Patientinnen und Patienten, die Arzttermine kurzfristig abgesagt oder ihnen unentschuldigt ferngeblieben sind, sagt Yvonne Gilli (65), Präsidentin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH). Manche sehen sich mit einer Rechnung für eine ärztliche Leistung konfrontiert, die sie nicht bezogen haben. 

Aus Sicht der Rechnungssteller sieht die Sache gemäss Gilli anders aus. Die zunehmende Unverbindlichkeit in der Bevölkerung könne vor allem bei speziellen ärztlichen Konsultationen hohe Kosten verursachen. «Wartelisten für andere Patientinnen oder Patienten werden unnötig verlängert.» 

Verbindlichkeit wird gesellschaftlich nicht mehr so hochgehalten wie noch vor zehn Jahren. Eine erhöhte Arbeitsbelastung könnte einer der Gründe sein.
Foto: Getty Images/Westend61

Dennoch gibt es Situationen, in der einem eine Gebühr fürs Nichterscheinen unberechtigt erscheinen mag. Zum Beispiel, wenn man endlos in einer Warteschleife hängt, um einen anstehenden Termin zu verschieben, und irgendwann nicht mehr länger warten kann.

Arbeitsbereit und nichts zu tun. Bei Ärztinnen und Ärzte sind unerwartete Pausen selten willkommen.
Foto: Shutterstock

Oder wenn man am Samstag einen Termin vom darauf folgenden Montag absagt – gezwungenermassen in Form einer E- oder Voicemail, die dann erst am Montagmorgen gelesen respektive gehört wird. Warum werde ich trotzdem belangt, fragt man sich. Gilli gibt Antworten auf die drängendsten Fragen. 

Wie lange vor einem Termin kann ich absagen, ohne zahlen zu müssen?

Es gebe keine rechtliche Vorgabe für Absagefristen, sagt Gilli. «Jeder Arzt und jede Praxisgemeinschaft entscheidet das alleine.» Aufwendigen Konsultationen, für die spezielle Geräte nötig sind, und Untersuchungen, die lange dauern, können oft 24 bis 48 Stunden vorher abgesagt werden. Dazu gehört als Beispiel ein Elektroenzephalogramm, bei der die elektrische Aktivität des Gehirns durch den Schädel hindurch gemessen wird. Bei Gemeinschaftspraxen, die oft überfüllt sind, ist die Frist häufig auf 12 Stunden angesetzt. «Ärzte sind hier eher kulant, was Absagen betrifft, weil sie eine frei gewordene Sprechstunde oft einem wartenden Patienten anbieten können.» 

Oberste Standesärztin

Die 67-jährige Yvonne Gilli ist Hausärztin und stammt aus Wil SG. Ihre Karriere startete sie als Pflegefachfrau. Danach holte sie die Matura nach und studierte Medizin. Ihre Spezialisierung ist die Innere Medizin. Parallel dazu absolvierte Gilli eine Ausbildung in Homöopathie und traditioneller chinesischer Medizin. Sie praktiziert alle drei Therapierichtungen.

Gilli war acht Jahre lang Nationalrätin der Grünen für den Kanton St. Gallen. 2015 wurde sie abgewählt. Ein Jahr später trat sie dem Zentralvorstand der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) bei. Seit 2021 ist sie Präsidentin des Verbandes.

Die 67-jährige Yvonne Gilli ist Hausärztin und stammt aus Wil SG. Ihre Karriere startete sie als Pflegefachfrau. Danach holte sie die Matura nach und studierte Medizin. Ihre Spezialisierung ist die Innere Medizin. Parallel dazu absolvierte Gilli eine Ausbildung in Homöopathie und traditioneller chinesischer Medizin. Sie praktiziert alle drei Therapierichtungen.

Gilli war acht Jahre lang Nationalrätin der Grünen für den Kanton St. Gallen. 2015 wurde sie abgewählt. Ein Jahr später trat sie dem Zentralvorstand der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) bei. Seit 2021 ist sie Präsidentin des Verbandes.

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Welcher Betrag kann mir verrechnet werden?

Auch das ist den Medizinern gemäss Gilli selbst überlassen. Von einer kleinen Entschädigungspauschale bis zum vollen Betrag sei alles möglich. «Nur mehr zu verlangen, als eine Konsultation kostet, wenn sie durchgeführt wird, ist nicht erlaubt.»

Die Beziehung zwischen medizinischem Personal und Patientenschaft sollte auf Vertrauen basieren. Terminchaos sollte dem nicht im Wege stehen.
Foto: Getty Images

Welche Rechte habe ich als Patientin oder Patient?

Patienten müssen vorgängig darüber informiert werden, wie lange die Fristen sind und was ein Nichterscheinen kostet, sagt Gilli. Oft geschieht das während Erstkonsultationen mithilfe eines Infoblattes. Oder in Form einer Erinnerung per SMS oder E-Mail, wo auf die Frist hingewiesen wird. «Generell ist es nicht im Interesse von Ärzten und Patienten, einander zu schikanieren», sagt Gilli. Man habe eine Beziehung zueinander und könne sich in die Situation des anderen hineinversetzen. Dass jemand betrieben werden müsse, komme dementsprechend selten vor. «Vor allem bei unvorhersehbaren Ereignissen wie einem Todesfall in der Familie oder einer unplanbaren Verkehrsbehinderung bei der Anreise tun Ärzte gut daran, Kulanz zu zeigen.»

Was passiert, wenn ich am Wochenende absage?

Genau genommen beziehe sich die Frist auf Arbeitstage, sagt Gilli. Wer am Samstag oder Sonntag via E-Mail oder Voicemail absagt, könne nicht erwarten, dass die Nachricht vor Montag zur Kenntnis genommen wird. Auch in diesem Fall dürfen Patienten laut Gilli mit Kulanz rechnen. «Sofern sie einen guten Grund für ihre Absage haben.»

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