Tests für bis zu 1000 Franken
Wie sinnvoll sind Darmflora-Analysen?

Zahlreiche Firmen versprechen, anhand von Untersuchungen der Darmflora Beschwerden wie Darmentzündungen oder Übergewicht heilen zu können. Wie laufen solche Analysen ab, und lohnt es sich, eine zu machen? Ein Experte klärt auf.
Publiziert: 23.05.2024 um 19:37 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2024 um 11:15 Uhr
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Jana GigerRedaktorin Service

Wer sich mit seiner Gesundheit beschäftigt, trifft früher oder später auf den Begriff Darmflora. Damit sind die unzähligen Bakterien gemeint, die den menschlichen Darm besiedeln. Sie spielen nicht nur eine grosse Rolle bei der Verdauung und der Nährstoffaufnahme, sondern stärken auch das Immunsystem. Die Darmflora, oft auch Mikrobiom genannt, sollte laut Medizinern im Idealfall möglichst vielfältig sein.

Um den Bakterien etwas Gutes zu tun, gibt es diverse Nahrungsergänzungsmittel mit Bakterienkulturen oder prä- und probiotische Lebensmittel, die die Diversität im Darm steigern sollen. Ein weiteres Angebot sind sogenannte Mikrobiom-Analysen. Anbieter versprechen, damit Störungen in der Darmflora ausfindig zu machen, um diese dann individuell behandeln zu können. Wie aussagekräftig sind solche Analysen?

So läuft eine Mikrobiom-Analyse ab

Zur Analyse wird eine Stuhlprobe benötigt, die man an eine Praxis oder an eine Firma schickt. Anschliessend untersucht das zuständige Labor gentechnisch die Bakterien, um die Arten und Häufigkeiten der Bakterien im Darm zu ermitteln. Die Analysen werden hauptsächlich von privaten Laboren und Naturheilpraxen angeboten und kosten je nach Anbieter zwischen 100 und knapp 1000 Franken.

Die Gesundheit des Darms hat einen grossen Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden.
Foto: Getty Images
Eine Illustration, die das Innenleben des menschlichen Darms veranschaulicht.
Foto: Getty Images/Science Photo Library RF

Das Ziel einer Mikrobiom-Analyse ist, basierend auf dem Ergebnis Therapieempfehlungen zu machen, um die Bakterien im Darm ins Gleichgewicht zu bringen. Dadurch sollen Beschwerden wie Darmentzündungen oder Übergewicht geheilt werden. Das sind zumindest die Versprechen der Anbieter von Mikrobiom-Analysen. 

Momentaufnahme der Darmbakterien

Andreas Müller (67), Facharzt für Gastroenterologie am Gastrozentrum der Klinik Hirslanden in Zürich, kritisiert, dass solche Tests experimentell seien. «Es handelt sich um eine punktuelle Momentaufnahme der Darmbakterien», sagt er. Zudem sei es nach dem aktuellen Wissensstand gar nicht möglich, zu sagen, was eine gesunde Zusammensetzung der Darmflora ausmache. Es gibt gemäss Müller bisher auch keine geprüfte Methode, um das Mikrobiom langfristig zum Positiven zu verändern.

Fermentierte Lebensmittel wie Kimchi (eingelegter Chinakohl aus Korea) sind probiotisch und damit gut für unseren Darm.
Foto: Shutterstock

Was Ärzte untersuchen können, ist, ob im Darm eines Patienten oder einer Patientin eine Fehlbesiedlung herrscht – im Fachjargon Small Intestinal Overgrowth genannt. Das bedeutet, dass ein Bakterientyp überhandgenommen hat. Die Untersuchung der Bakterien aus dem Dickdarm, wie es bei einer Mikrobiom-Analyse gemacht wird, reiche dafür aber nicht aus, sagt der Experte.

Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen

Dr. Andreas Müller (67) ist Facharzt für Gastroenterologie und arbeitet seit 30 Jahren am GastroZentrum der Klinik Hirslanden in Zürich. Zu seinen Spezialgebieten gehören neben den Endoskopien die Abklärungen und Therapien von den sogenannten funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Vor etwa zehn Jahren hat er bei einem führenden Mikrobiom-Spezialisten in den USA eine Ausbildung gemacht.

Dr. Andreas Müller (67) ist Facharzt für Gastroenterologie und arbeitet seit 30 Jahren am GastroZentrum der Klinik Hirslanden in Zürich. Zu seinen Spezialgebieten gehören neben den Endoskopien die Abklärungen und Therapien von den sogenannten funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Vor etwa zehn Jahren hat er bei einem führenden Mikrobiom-Spezialisten in den USA eine Ausbildung gemacht.

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«Viel aufschlussreicher sind die Bakterien aus dem Dünndarm, weil dort die wichtigen Bakterien leben.» Ob eine Fehlbesiedlung des Darms vorliegt, lässt sich gemäss Müller mit zwei medizinisch geprüften Untersuchungen feststellen. Zum einen mit einer Atemanalyse und zum anderen mit einer Flüssigkeitsanalyse aus dem Dünndarm, die etwas genauer sei. «Bei einer Fehlbesiedlung des Darms können Antibiotika gezielt die Überwucherung eines Bakteriums eingrenzen», sagt er.

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