Vom Comedy-Bad-Boy zum Sex-Täter
Wer ist Russell Brand?

Der britische Komiker Russell Brand wird von vier Frauen des Missbrauchs bezichtigt. Wer ist dieser Mann, wie wurde er so berühmt – und weshalb konnte er so lange Frauen belästigen?
Publiziert: 19.09.2023 um 19:40 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2023 um 09:52 Uhr
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Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Russell Brand (48) war anfangs der Nuller Jahre einer der erfolgreichsten Komiker Englands. Jetzt haben ihn vier Frauen der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs bezichtigt, laufend melden britische Zeitungen, es gebe noch mehr Anklägerinnen. Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, sagen viele. Stellt sich die Frage: Wie konnte Brand überhaupt so erfolgreich werden? 

Anders als in der Schweiz, in der eine Abweichung vom Mittelmass zunächst einmal mit Skepsis betrachtet wird, lieben die Briten ihre Exzentriker. «A true british eccentric», «ein wahrer britischer Exzentriker», ist eine stehende Redewendung – und bedeutet ein Kompliment. Nur so ist es wohl zu erklären, hat in den 1990er-Jahre ein junger Mann mit stechendem Blick, wirrem Haar, fragwürdigem Kleidungsstil und einem Mundwerk wie ein Maschinengewehr die englische Comedyszene im Sturm erobert: Russell Brand schreckt schon damals vor nichts zurück – am allerwenigsten vor sich selbst.

Brands erste Comedy-Themen: Sex, Sucht und Sexsucht

Seine ersten Stand-Up-Comedy-Programme, die er ab dem Jahr 2000 an Festivals in London und am in Grossbritanien berühmten «Edinburgh Fringe»-Festival aufführt, haben eigentlich nur ein Thema: Russell Brands Sexsucht, Russel Brands Dauer-Sexkaspaden mit allem, was sich bewegt und sich nicht (genug) wehrt, und Russell Brands Heroin- und Alkoholsucht, alles drei Mal geschüttelt, nicht gerührt. 

Sex, Sex, nochmals Sex – und manchmal Heroinsucht. Mit diesen Themen wurde Russell Brand anfangs der Nuller Jahre berühmt.
Foto: imago stock&people
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Die selbstironische Demontage – immer mit wilder Bad-Boy-Attitüde, manischer Energie, Brachialhumor unter jeder Gürtellinie und so unfassbarer Arroganz, dass es beinahe schon ins Lächerliche und deshalb Nahezu-Charmante fällt – beschert Brand eine steile Radio- und Fernsehkarriere bei Channel 4, MTV und der BBC. MTV feuert ihn allerdings schon bald wieder: dass er am Tag nach den 9/11-Terrorrattacken auf die «Twin Towers» im Osama bin Laden-Kostüm moderiert, stösst den Amerikanern verständlicherweise sauer auf.

In England wollen ihn trotzdem alle als Moderator. Seine gezielten Verstösse gegen den guten, oder auch nur akzeptablen, Geschmack gelten als lustig – auch, dass er Frauen unangenehme Fragen stellt. Insbesondere die «Big-Brother»- Spin-off Serie Big Brother's Big Mouth», in der er sich 2004 mit Gästen über die Plänkeleien und Possen der Reality-Serie-Teilnehmer lustig macht, bringt ihm eine sehr breite englische Fangemeinde. 

Schon 2006 sagten Frauen öffentlich, wie Brand ist

Frauen äussern aber schon früh Bedenken: Die australische Schauspielerin und Sängerin Dannii Minogue (51) – ja, das ist Kylie Minogues Schwester – sagt schon 2006, nachdem sie von ihm interviewt wird, zum englischen Zeitung «The Mirror», Brand sei ein «komplett irres, ekliges Raubtier», er gehe «immer einen Schritt zu weit» und er respektiere «kein Nein». Zu dieser Zeit hat der damals 31-Jährige neben vielen anderen Affären auch eine geheime «Beziehung» mit der 16-Jährigen, die ihn jetzt der Nötigung bezichtigt. Übles Detail: Sein Management habe ihr – und ihm! – geraten, sich als seine «Nichte« auszugeben. Brand soll auch die Dienste der BBC für diese Affäre in Anspruch genommen haben: Er schickte Luxuslimousinen seines Arbeitgebers, die die damalige Schülerin direkt von der Schule abholten. Nun gab BBC bekannt, Russel Brands Material aus der Videothek zu verbannen. Gegen den britischen Medienkonzern werden Vorwürfe laut, nicht genügend für den Opferschutz getan zu haben. 

Besonders widerlich: Die Übergriffe, die die damals 16-Jährige beschreibt, hat Brand 1:1 in seiner «Comedy»-Show verwurstet: «Wisst ihr, diese Blowjobs, bei denen sie fast erstickt und nachher das Mascara wegen der Tränen runterläuft … grandios!», sagt er, und das Publikum lacht.

Bescheidenheit ist für Brand keine Zier …

2007 erscheint seine erste Autobiografie – natürlich mit diversen Details über seine sexuellen Errungenschaften. Seine Bad-Boy-Anziehungskraft bringt ihn in der Folge nach Hollywood. Brand wird in diversen Filmen gecastet – unter anderem auch als Stimme des Dr. Nefario in den Minions Filmen «Ich - einfach unverbesserlich». 

2008 heiratet er Katy Perry und verlässt sie vierzehn Monate später via SMS. Auch sie sagt, er sei ihr gegenüber kontrollierend gewesen und habe ihren Erfolg nicht verkraftet. Sie habe «die Wahrheit über ihn in einem Safe».

Bereits ein Jahr später kommt unbescheiden Brands zweite Autobiografie namens «The Bookie Wook 2» heraus. In seinen eigenen Worten beschreibt er sich selbst so: «Was für ein Mann war ich? Frauen so zu behandeln? Wenn ich euch das alles hier erzähle, könnt ihr euch vorstellen, was ich alles ausgelassen habe?» 

… dafür sind alle anderen an allem schuld

Trotz dieser Worten aus dem Jahr 2010 klingt Brands Wortmeldung, die er auf Instagram postete, kurz bevor letzten Sonntag die Skandalgeschichte in der «Sunday Times» erschien, ganz anders: Nichts sei wahr, die «Mainstreammedien» hätten ein Interesse daran, ihn zum Schweigen zu bringen, sagt er sinngemäss in einem Video auf Instagram. Dies, weil er «die Wahrheit» sage.

Hintergrund: 2013 wurde Brand in die Politsendung New Statesmen eingeladen. Seine Positionen darin fanden grossen Anklang – etwa die Vermischung von Politik und wirtschaftlichen Interessen in der britischen Regierung, die Intransparenz vieler Unternehmen und die mangelnde Wählbarkeit der zwei einzigen grossen britischen Parteien Labour und Tory. Seither hat sich Brand zunehmend Richtung Verschwörungstheorie entwickelt. So ist er der Meinung, die US-Wahl, die 2020 zugunsten von John Biden ausfiel, sei gefälscht. Und er wurde auf Youtube gesperrt, weil er behauptet hat, das Arzneimittel Invermectin gegen Fadenwürmer sei eine prima Covid-Behandlung. 

Grund, für Brand, Zensur zu wittern. Auf Instagram und auf einer Rechtsaussen-Videoplattform hat sich Brand seither mit einer Mischung aus Yoga-Weisheiten, Atemtechnik-Übungen und pseudowissenschaftlichen Sendungen eine treue Gefolgschaft aufbauen können.

Die braucht er auch, denn mit der Comedy funktioniert es, seit er seit 2017 mit Brit-Promi-Spross Laura Gallacher (36) verheiratet und Vater geworden ist, nicht mehr wie einst: Im letzten Programm verglich er sich mit Jesus und Buddha, und 2018 wurde er in die Comedy-Talkshow «Roast Battle»eingeladen – darin ziehen eingeladene Komiker über die anderen Anwesenden her. Bald wurde klar: Geht brachialer Humor in Richtung Brand, kann er nicht damit umgehen. Der Sender Comedy Central fand ihn einfach zu unlustig, um ihn für eine weitere Staffel einzuladen. 


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