Gutes Leben trotz Lockdown
Aargauer Ehepaar findet sein Glück in Irland

Eigentlich wollten sie nur für ein Jahr nach Irland. Doch die Aargauer Nicole (38) und Roger Kündig (40) sind geblieben und geniessen seit 14 Jahren ein Leben in der Abgeschiedenheit.
Publiziert: 31.10.2020 um 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 09:53 Uhr
Corine Turrini Flury

2006 beschlossen Nicole (38) und Roger Kündig (40), eine Auszeit im Ausland zu verbringen. «Ich hätte mir damals England oder die USA vorstellen können», erzählt Roger Kündig im Gespräch mit BLICK. Nicole Kündig suchte indes weniger Hektik. Da sie Irland schon von Reitferien her kannte, wählte sie die Insel für ein Time-out aus.

Beiden gefielen Landschaft und Kultur, und so beschlossen sie, ein Jahr in Irland zu verbringen. Sie kündigten beide ihre Jobs. Nicole im Innendienst, weil der Standort verlegt werden sollte, und Buchhalter Roger, weil er Lust auf eine Veränderung hatte.

Vom Tellerwäscher zum Marketingmanager

Roger Kündig stiess im Internet auf ein Inserat einer schweizerisch-irischen Familie mit eigenem Hotel in Irland. Für die Betreuung ihrer drei Kinder suchten sie eine Nanny aus der Schweiz. «Mir war vor allem wichtig, dass Nicole eine Arbeit hat, die ihr Freude macht. Ich kann auch Teller waschen oder sonst etwas arbeiten. Ist die Frau glücklich, geht es dem Mann auch gut», sagt der 40-Jährige lachend.

Jung und voller Entdeckungslust kurz nach der Ankunft 2006 in Irland. Nicole und Roger Kündig aus dem Kanton Aargau wollten eigentlich nur für ein Jahr nach Irland.
Foto: zVg
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Nicole wurde von den Hotelbesitzern sogar versprochen, dass sie ihr Pferd nach Irland mitnehmen kann. Und dass es für ihren Partner Arbeit im Hotel gebe. So machte sich das junge Paar Mitte Zwanzig samt Pferd vom Aargau auf ins irische Donegal.

Roger startete in der Hotelküche und war bald «Mädchen für alles», während sich Nicole um die Kinder und ihr Pferd kümmerte. Aus einem Jahr in Irland wurden drei Jahre, und zur Hoteliersfamilie entstand ein freundschaftliches Verhältnis.

«Da haben wir vereinbart, dass wir auf unbestimmte Zeit bleiben, so lange es uns gefällt», erzählt Roger Kündig. Zwischenzeitlich hatte er sich zur rechten Hand des Eigentümers im Backoffice-Bereich hochgearbeitet. Bis 2018 war er Sales- und Marketingmanager.

Altes Cottage zum Schnäppchenpreis

Bis 2010 wohnte das Schweizer Paar auch im Hotel. «Wir wollten dann aber etwas Eigenes haben und kauften uns ein 80-jähriges Cottage auf dem Land mit über 200'000 Quadratmetern Umschwung. Wir zahlten 40 Rappen pro Quadratmeter und liessen es renovieren.»

2011 heiratete das Paar, und vor sechs Jahren kam Sohn Simon zur Welt. Die Familie ist glücklich in der Abgeschiedenheit und geniesst das Landleben im 200 Seelen Dorf Laghey im Nordwesten von Irland.

«Es ist ein besonderer Fleck Erde. Hier ist alles noch etwas rückständig und gemächlich, aber das hat auch seinen Charme», beschreibt Roger Kündig die Gegend. «Wenn auf der Strasse eine Schafherde spaziert, wird nicht gehupt. Man die Geduld und wartet einfach.»

Kündig wirkt gelassen und wohltuend ruhig, während er über das bescheidene Leben, die Natur, das Land und die Gepflogenheiten in Irland spricht. «Wir haben nicht viel, und was wir haben, ist alles bezahlt. Da sind wir ganz Schweizer und leben nicht wie viele Iren auf Pump.»

Treffpunkt Pub und Kirche

Geheizt wird im Haus mit Holz und Torf, ein eigener Bach und Pumpe sorgen für Wasser im Haus, und auf der Weide sind Schafe vom benachbarten Bauer. Dafür bekommen Kündigs einen kleinen Batzen. «Hier schaut jeder für sich, aber man hilft sich auch gegenseitig.»

So hilft Kündig dem benachbarten Bauer beim Torfen und erhält dafür Torf zum Heizen. «Einladungen zum Essen zu Hause, wie es in der Schweiz üblich ist, sind hier nicht verbreitet. Zum Essen und Plaudern trifft man sich im Pub, im Café oder in der Kirche.»

Zweites Standbein in der Reisebranche

Roger Kündig weiss viel zu erzählen über Land und Leute – und tut das auch gern. Damit hat er sich mit seiner Ehefrau über die Jahre ein zweites Standbein aufgebaut: Sie bieten Reisen an.

Nicole hatte immer viel Tagesfreizeit als Nanny und nutzte das über die Jahre für den Aufbau eines Reisebüros. 2008 gründete das Ehepaar eine eigene Firma. «Wir hatten viele Freunde und Familie, die uns in Irland besuchten.» Für diese stellten Kündigs jeweils ein Reiseprogramm zusammen und empfahlen ihnen Orte und Sehenswürdigkeiten, die nicht in den üblichen Reiseführern zu finden sind. «Das hat sich herumgesprochen, und immer öfter kontaktierten uns fremde Leute für die Planung von Irland-Reisen.»

Unterdessen führen die Schweizer das Reisebüro hauptberuflich, denn das Hotel wurde 2019 verkauft. «Für mich war das Arbeiten im Hotel eine Herzensangelegenheit gegenüber der Familie, die uns 2006 so gut aufgenommen hatte. Ich sagte schon immer, wenn das Hotel einmal nicht mehr in ihren Händen ist, werde auch ich es verlassen», so Roger Kündig.

Keine Panik trotz zweitem Lockdown

Es macht dem Paar merklich Freude, das Reiseland Irland «in die Welt hinauszutragen», wie sie erzählen. Die Nachfrage für Reisen liefen bis zur Corona-Krise gut. Seit über einer Woche ist Irland im zweiten Lockdown. Bis auf die Schulen und Lebensmittelgeschäfte ist alles zu, und der Bewegungsradius ist für die Einwohner auf fünf Kilometer beschränkt.

An Reisen ist nicht zu denken. Alle Aufträge für 2020 wurden storniert und vollumfänglich rückerstattet. Kündigs bleiben optimistisch. Nicole Kündig: «Im Moment arbeiten wir an neuen Ideen für 2021 in der Hoffnung, dass Reisen dann wieder möglich wird.»

Das Ehepaar möchte auch in Zukunft «sein» Irland anderen Leuten schmackhaft machen. Das gelingt ihnen offenbar gut. So gut, dass Nicoles Kündigs Eltern 2016 ganz in ihre Nähe zogen und ein Bed & Breakfast eröffnet haben.

Ein weiterer Grund, warum die Kündigs nicht an eine Rückreise in die Schweiz denken. «Zudem ist die Pandemie weltweit, und in der Schweiz sieht die Situation nicht besser aus», sagt Roger Kündig. Ausserdem habe die Regierung schon beim ersten Lockdown sofort und unkompliziert allen Berufstätigen wöchentlich einen A-fonds-perdu-Beitrag als Erwerbsersatz von etwa 350 Franken ausbezahlt.

«Für die Bewohner in den Städten ist es knapp. Wir als Doppelverdiener mit unserem sparsamen Lebensstil, ohne Schulden und Kredite, kommen damit recht gut über die Runden», sagt der Schweizer mit irischer Gelassenheit.

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