Fix zur Gesellschaft
Die Leute sind zurück

Weniger Menschen, das war das Angenehme am Lockdown. Unsere Autorin nervt sich eben drum schnell ab ihren Mitmenschen. So wie letztes Wochenende im verstopften Glarnerland.
Publiziert: 06.06.2020 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2020 um 18:16 Uhr
Alexandra Fitz

Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird. Der Tag, an dem die Leute nicht mehr freundlich und tolerant sind. Der Tag, an dem sie nerven wie eh und je. Man kann sagen, was man will, aber während des Lockdowns haben die meisten Leute füreinander viel Verständnis aufgebracht, und man erhielt öfters ein Lächeln beim Einkaufen und auf der Strasse. Das empfand ich zumindest in der Stadt Zürich so. Und es fühlte sich gut an. Etwas vom wenigen, das sich gut anfühlte.

Und darum ist jetzt auch der Tag da, an dem ich nicht mehr nur harmonische und sensible Kolumnen schreiben kann. Von rufenden Türkentauben, jagenden Katern, tollen Mamas und Omas. Wenigstens weiss ich jetzt mit Sicherheit, was mich derart nerven kann, das stets diese Zeilen füllen wird. Der Mensch! Wobei: Halt! Es gibt doch den Satz «Der Mensch ist gut, die Leute sind schlecht»? Vom Österreicher Johann Nepomuk Nestroy? (Nepomuk, was für ein Name!) oder vom Deutschen Erich Kästner?

Also, es war wie folgt: Letztes Wochenende wollten wir wandern. Okay, das Wetter war gut, und es war Pfingstmontag. Okay, wir schälten uns zu spät aus den Federn. Als wir im Glarnerland ankamen, standen da eine Strassensperre und ein Verkehrskadett (was für ein witziges Wort!). «Sie haben Glück», sagte der orange Mann. «Es sind sieben Parkplätze frei geworden. Sie dürfen hochfahren.» Da dämmerte es uns: Die Leut sind wieder on tour. Als wir die kurvige Strasse zum See hochfuhren, nahmen wir noch drei «Stöppler» mit, die ihre Autos stehen lassen mussten. Zwei Stunden hätte der Aufstieg gedauert – vor der eigentlichen Wanderung. Der Mann hatte ein Baby auf dem Buckel.

Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier
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Die Wanderung war toll. Auf der steilen Route waren wir praktisch allein. Aber dann kreuzten wir eben wieder die Leut. Und zwar beim Runterfahren der engen, kurvigen Strasse. Einer kam von unten total schnell angerast, halb auf unserer Seite. Wir konnten grad noch ausweichen. Da schrie er aus dem Fenster: «Heb d Fressi!», und gab Gas. Ja, die Leut, die hab ich vermisst!

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