Claude Cueni über Steuergeld für die leidenden Papstbewacher
Schweizer Garde in Not

Die Schweizer Gardisten in Rom leben in vergammelten Kasernen, sie brauchen Geld für einen Neubau. Vom Bund gibts schon fünf Millionen, Luzern stimmt über einen Zustupf von 400'000 Franken ab. Warum zahlt das nicht der Papst selber?
Publiziert: 16.09.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2022 um 17:18 Uhr
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Claude CueniSchriftsteller

«Natürlich besitzt der Vatikan ein Vermögen. Der Reichtum setzt sich in erster Linie aus Gebäuden und Kulturgütern zusammen. Die laufenden Einnahmen sind relativ bescheiden.» So begründete alt Bundesrätin Doris Leuthard, wieso Bund und Kanton einen Teil der 50 Millionen Euro für den Neubau der vatikanischen Gardekaserne übernehmen sollten.

Leuthard leitet das Patronatskomitee der steuerbefreiten Kasernenstiftung. Die von ihr beklagten «bescheidenen Einnahmen» generiert der Milliardenkonzern unter anderem aus Kirchensteuern, Börsengeschäften, Firmenbeteiligungen, Merchandising und Mietzinseinnahmen aus 5174 Liegenschaften.

Die Kirchenchefs haben Flair für «schöner Wohnen»

Die 135 Schweizer Gardisten leben in vergammelten Kasernen aus dem 19. Jahrhundert. Erstaunlich, dass die Prediger der Nächstenliebe ihre Privatarmee nicht anständig unterbringen, zumal die Kirchenfürsten durchaus ein Flair für «schöner Wohnen» haben. Protzbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst «renovierte» seinen Dienst- und Wohnsitz im deutschen Limburg für 31 Millionen Euro. Kardinal Tarcisio Bertone wollte in Rom ein 700-Quadratmeter-Penthouse beziehen, bis die italienische Zeitung «La Repubblica» darüber berichtete.

Egal ob man über das Luxusleben einiger Bischöfe und Kardinäle liest oder über die nicht mehr enden wollenden Sexualstraftaten, man kommt sich vor wie Bill Murray in «Und täglich grüsst das Murmeltier». Im April wurde bekannt, dass das Bistum Köln 1,15 Millionen Euro Spielschulden eines Priesters beglich und dieses Geld ausgerechnet dem Fonds für Missbrauchsopfer entnahm: Business as usual.

Man könnte 67 Missbrauchsopfern helfen

In der Schweiz gehörten 2020 nur noch 33,8 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an; 30,9 Prozent bezeichneten sich als konfessionslos. Mittlerweile gibt es wohl mehr Religionslose als Katholiken.

Dennoch gelang es Doris Leuthard, fast die gesamte Summe zu beschaffen. Von ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat erhielt sie fünf Millionen Steuergelder geschenkt. Ausstehend sind die 400'000, die der Luzerner Kantonsrat bewilligt hat. Dagegen haben die Schweizer Freidenker das Referendum ergriffen. Mit Erfolg. Am 25. September wird in Luzern abgestimmt. 400'000 Franken, das entspricht der Standard-Entschädigung für 67 Missbrauchsopfer.

Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Soeben ist in der Edition Königstuhl sein Thriller «Dirty Talking» erschienen.

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