Drohendes Abtreibungsverbot in den USA
Kann ein Ex-Präsident die Uhr um 50 Jahre zurückdrehen?

In den USA soll – nach 50 Jahren – das landesweit geltende Recht auf Abtreibung abgeschafft werden. Wegen Konservativen, die in anderen Fragen jegliche staatliche Bevormundung des Individuums ablehnen. Und wegen Ex-Präsident Donald Trump.
Publiziert: 09.05.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2022 um 16:45 Uhr
Ursula von Arx

Die Welt, die wir geschaffen haben, spinnt. Klima, Corona, Krieg und jetzt auch noch Trump. Wieder Trump. Immer noch Trump. Wegen der ultrakonservativen Richter, die er einsetzte, als er noch Präsident war, wird ein Mädchen, das heute in den USA geboren wird, weniger frei sein als ein Mädchen, das vor fünfzig Jahren geboren wurde.

Denn so will es wohl der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, dem Land mit der Freiheitsstatue. Einem Urteilsentwurf zufolge, der an die Öffentlichkeit gelangte, soll das US-weite Recht auf Abtreibung abgeschafft werden. Es ist ein Recht, das 1973 erkämpft wurde. Es erlaubt Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Woche, also so lange, wie ein Fötus ausserhalb des Uterus, also selbständig, nicht überlebensfähig ist.

Ewiger Kampf gegen Lügen

Dieses Recht war ein Markstein und musste seither dauernd verteidigt werden. Etwa gegen «Beratungsstellen», die Rat suchenden Frauen sagten, dass ein Abbruch das Brustkrebsrisiko erhöhe – eine Lüge. Dass eine Abtreibung weitere Schwangerschaften verunmögliche, dass die Infektionsgefahr enorm sei – lauter Lügen.

Frauen demonstrieren in Boston für das Recht auf Abtreibung.
Foto: DUKAS
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In den USA gab es Versuche, Abtreibungskliniken mit absurden Bauvorschriften zu verhindern, etwa mit exakten Vorgaben für die Breite der Gänge oder die Grösse der Lagerräume.

Und natürlich wurde der Schwangerschaftsabbruch von religiösen Fundamentalisten öffentlich als Mord dargestellt: Wer Nein sagt zu einer selbständig nicht überlebensfähigen Ansammlung von Zellen, sei eine Mörderin. Die Botschaft wurde bei jeder Gelegenheit wiederholt.

Mörderin.
Mörderin.
Mörderin.

Die republikanische Partei hat offiziell die Verteidigung der Freiheit des Individuums auf ihre Fahnen geschrieben. Der Staat soll sich möglichst nicht einmischen. Doch für eine der intimsten Entscheidungen von Frauen gilt diese Freiheit nicht.

«Als Star kannst du alles machen»

Selbstverständlich hat jede Partei und jeder Politiker ein Recht auf Widersprüchlichkeit. Auch Donald Trump, der – daran sollte man sich im Zusammenhang mit dem Recht auf Abtreibung erinnern – den Stars dieser Welt riet, Frauen bei der Pussy zu packen: «Wenn du ein Star bist, kannst du alles machen.» Und befreundet mit Jeffrey Epstein, einem Milliardär, der Hunderte Mädchen missbrauchte und zur Prostitution zwang, war Trump auch.

Sein Erbe reicht weit über seine Präsidentschaft hinaus. Erst jetzt zeigt sich, dass er als Präsident die Rechte der Frauen um 50 Jahre zurückgeworfen hat. Was kommt noch? Wird er gar wiedergewählt? Alles wird gut.

Ursula von Arx wollte schon lange keine Kolumne mehr über Donald Trump schreiben. Sie schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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