Kolumne «Alles wird gut» über Egoismus
Linkes Glück und rechtes Glück

Rechte Männer jammern, dass Frauen eher auf linke Männer stehen. Gleichzeitig beklagen linke Männer, dass gar niemand mehr auf sie steht. Beides hat was.
Publiziert: 28.02.2022 um 06:49 Uhr
Ursula von Arx

Ein Kollege, bekennender SVP-Fan, war auf einer Party und musste wider Willen allein nach Hause gehen. Er hatte diese bittere Erfahrung schon öfter gemacht. Er hat auch eine ihn persönlich entlastende Erklärung dafür. «Frauen», sagte er, «besonders die attraktiven», sagte er, «stehen halt einfach auf linke Männer.»

Das stimmt. Trump wäre 2016 nicht gewählt worden, auch den Brexit gäbe es nicht, die schweizerische Konzernverantwortungs-Initiative jedoch, die wäre klar angenommen worden, hätten allein Frauen das Sagen gehabt.

Linke Inhalte sind bei vielen Frauen also tatsächlich top. Linke Männer hingegen – da muss der SVP-Kollege seine Aussage relativieren – eher ein Flop: «Verlierer sind plötzlich die Männer», titelte die «NZZ am Sonntag» kürzlich. SP-Frauen und Grüne wählten konsequent Frauen, manche Männer würden gar nicht mehr antreten, weil chancenlos. Heute, so klagte ein SP-Mann, müsse «man als Mann in der SP doppelt so viel leisten».

Alles Egoisten, alle glücklich

Ähnliches hat man schon oft gehört, allerdings meist von Frauen. Dass jetzt auch Männer auf diese Art jammern, zeigt, dass vieles im Wandel ist. Und es zeigt, dass auch Männer nicht die besseren Menschen sind. Wie beruhigend. Sobald ihnen nicht mehr alles von selber zufällt, denken auch sie zuerst an sich. Männer sind Egoisten, Frauen sind Egoisten, Queers sind Egoisten, alle sind Egoisten. Gut so!

Denn Egoismus macht glücklich, das zeigt eine Untersuchung von Deborah Small und Jonathan Berman der Wharton Business School Pennsylvania (USA). Und wer seine Eigeninteressen gar ohne inneren mahnenden Zeigefinger verfolgen kann, fühlt sich am glücklichsten.

Ohne Kamillentee bietet das Leben mehr

Das scheint nun wiederum die Rechten in einen Vorteil zu bringen. Denn Rechte sind bekanntlich davon überzeugt, dass es allen am besten geht, wenn jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Sie sind quasi per Ideologie dazu verpflichtet, selbstsüchtig zu sein. Handeln hingegen Linke selbstsüchtig, ist es ihre Entscheidung, unsolidarisch zu sein, und das nagt dann wieder am Gewissen.

Aber vielleicht ist unser Bestes sowieso der innere Zwiespalt. Vielleicht verdanken wir allen Fortschritt der Zerrissenheit mit uns und der Welt. Solange wir nicht in uns ruhend Kamillentee trinken und lächeln, als gäbe es keine Zukunft, hat das Leben mehr zu bieten als Furcht oder Langeweile. Alles wird gut.

Ursula von Arx ist eine begabte Egoistin. Und froh, dass der Blick der anderen ihren Egoismus immer mal wieder zähmt. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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