Kolumne «Abgeklärt & aufgeklärt» über Endzeit-Stimmungsmache
Liebe Klima-Kleber: Kühlt die Köpfe!

Die Klimaaktivisten erinnern in ihrer Endzeit-Stimmungsmache an die Jünger von Jesus im Neuen Testament. Aber Himmel noch mal! Wir wissen auch ohne ihr aufdringliches Getue, dass die Anliegen dringlich sind.
Publiziert: 14.11.2022 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2022 um 17:16 Uhr
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René ScheuPhilosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

Sie kleben sich auf die Strasse, um Verkehrschaos zu produzieren. Die Klima-Kleber haben eine Botschaft für die Welt: Sie wird untergehen, wenn wir nicht sofort handeln. Apocalypse now!

Die Klima-Kleber der Letzten Generation sprechen vom «Klimanotfall»: «Wir sind der Überlebenswille der Gesellschaft» – «Wir sind alle die letzte Generation, die den völligen Erdzusammenbruch vielleicht noch aufhalten kann». Mit Betonung auf «vielleicht». Extinction Rebellion, Brüder und Schwestern im Geiste, sprechen derweil vom «sozialen und ökologischen Kollaps», vom «Massensterben». Und sie meinen: «Rebell*innen» haben «die Pflicht zu rebellieren», «um ihr Leben und das ihrer Kinder zu schützen».

Die Klima-Radikalinskis fordern von der Gesellschaft ein ökologisches Bekenntnis. Dabei leugnet heute kaum jemand mehr den Klimawandel – aber er stösst sich womöglich an der Endzeitfixiertheit dieser erleuchteten Sekte. Sie erinnert nicht zufällig an die Befindlichkeit der Jünger Jesu im Neuen Testament: Die Klima-Kleber leben wie einst die Christen in der Gewissheit des nahen Endes.

Sorry, der Begründer meinte es anders

«Er aber sagte zu ihnen: Nicht wahr, das alles seht ihr? Amen, ich sage euch: Hier wird kein Stein auf dem anderen bleiben, jeder wird herausgebrochen.» Sodann: «Denn erheben wird sich Volk gegen Volk und Reich gegen Reich, und Hungersnöte und Erdbeben wird es geben da und dort.» Zuletzt: «Wer aber standhält bis ans Ende, der wird gerettet werden.» (Matthäus, 1–14)

Letzte Generation und Extinction Rebellion stellen sich als Praktiker des zivilen Ungehorsams dar. Das klingt freundlich und harmlos. Wer aber beim Begründer der Idee nachliest, dem US-Philosophen Henry David Thoreau, erkennt: Da liegt ein grosses Missverständnis vor.

Der libertäre Thoreau weigerte sich, dem amerikanischen Staat Steuern zu entrichten, weil dieser Staat die Sklaverei unterstützte. Sein Normbruch war also kein Tun, sondern ein Unterlassen. Und er richtete sich nicht gegen unbeteiligte Dritte, sondern gegen den Staat, der nach Thoreau ein Unrecht beging. Deshalb verweigerte er den Steuer-Gehorsam – und deshalb die Rede von zivilem Ungehorsam.

Der Tatbestand heisst Nötigung

Ganz anders die Klima-Kleber. Sie unterlassen nicht, sie tun. Sie sind nicht ungehorsam, sondern greifen mit ihren wirren Aktionen in die Freiheit ihrer Mitbürger ein. Sie üben Gewalt aus und erfüllen den Tatbestand der Nötigung.

Die Christen warten bis heute auf den Weltuntergang und die Wiederkehr des Herrn. Das Leben auf Erden ist zäher als gedacht. Die fiebrigen Klima-Kleber sollten die Zeit dringend nutzen, um ihre Köpfe abzukühlen.

René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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