Kolumne «Abgeklärt & aufgeklärt» über gefärbten Journalismus
Warum Medien zuweilen einen Links-Drall haben

Sind viele Medien wirklich links? Ja, sagen mehrere Studien. Sind viele Journalistinnen und Journalisten Aktivisten? Ja, sagt unser Kolumnist – und auch, wie sich das ändern liesse.
Publiziert: 05.09.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2022 um 17:17 Uhr
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René ScheuPhilosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

Haben Sie sich jüngst über die tendenziöse Berichterstattung in den Medien geärgert? Wollten Sie Ihr Abo kündigen? Haben Sie es, ach, bereits getan? Und finden Sie den Staatsrundfunk, pardon: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, besonders nervig?

Das war ein Test. Hier das Ergebnis: Je mehr Fragen Sie mit Ja beantworten, desto eher stehen Sie rechts im politischen Spektrum. Rechts klingt erst mal übel – nicht wie das symmetrische Gegenstück zum Begriff links, in dem stets «gut gemeint» mitschwingt. Die Logik aktueller Gleichsetzungsdelirien verläuft praktisch so: Rechts = rechtspopulistisch = rechtsradikal = Unmensch.

Dabei ist linksextrem genauso schlimm wie rechtsextrem, sowohl logisch als auch historisch. Und damit sind wir mitten im Thema: Die meisten Medien, die im öffentlichen Diskurs definieren, was als rechts und was als links gilt, haben eine Links-Verzerrung. Oops.

Der Beruf zieht Linke an

Was meint heutzutage links? Es heisst näherungsweise: mehr Ergebnisgleichheit, also mehr Gleichstellung in der Gesellschaftspolitik, aber auch (noch) mehr Umverteilung und Lenkung in der Wirtschaftspolitik, mehr Internationalisierung der Politik, also mehr staatliche Eingriffe, mehr Etatismus. Und rechts wäre das Gegenteil davon: mehr Chancengleichheit, also Fokus auf Gleichberechtigung, Marktwirtschaft, Dezentralisierung und Nationalstaatlichkeit.

Doch ticken Medien wirklich links, in der Schweiz wie anderswo in Mitteleuropa? Ja. Zu diesem Schluss sind verschiedene Studien gekommen (zuletzt von Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement in Leipzig). Die Medien haben tendenziell einen Links-Drall, weil sie Leute anziehen, die links fühlen. Dafür nennt Hoffmann drei Gründe.

Erstens: Die wirtschaftlichen Perspektiven im Journalismus sind nicht berauschend, was eher Idealisten anzieht. Zweitens: Die kulturelle Deutungsmacht ist zugleich bedeutend, was Weltverbesserer anspricht. Drittens: Die Medien konzentrieren sich in den Städten – und der urbane Lebensstil ist links-grün-akademisch.

Mehr Vielfalt, mehr Charaktere!

Sind also alle Journalisten Aktivisten? Natürlich nicht. Aber viele sind es, denn sie sind wie alle Menschen auch nur Überzeugungstäter. Sie vermischen Sein und Sein-Sollen, Publizistik und Pädagogik. Was würde dagegen helfen? Nicht noch mehr modische Diversity von Herkunft und Hautfarbe – denn auch wer unterschiedlich aussieht, kann haargenau gleich denken, weil er dieselbe Uni besucht hat. Stattdessen eine echte Vielfalt der Perspektiven und Lebenswege. Ohne lebendige Charaktere kein lebensnaher Journalismus!

René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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