Professor Hengartner erklärt
So werden Gebäude der Zukunft geheizt

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft. Diese Woche: Wie innovative Systeme Gebäude heizen oder kühlen – fast ohne Energie zu benötigen.
Publiziert: 01.12.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2021 um 13:46 Uhr
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Michael HengartnerPräsident des ETH-Rats

Gebäude verursachen rund einen Viertel des Schweizer CO2-Ausstosses. Wollen wir diesen reduzieren, müssen in den kommenden Jahren Hauseigentümer ihre Öl- und Gasheizungen durch nachhaltigere Lösungen wie Fernwärme oder Wärmepumpen ersetzen. Das gilt natürlich nicht nur für Wohnhäuser, sondern auch für Büroliegenschaften oder Einkaufszentren – und Hochschulen.

Ein wegweisendes Projekt entsteht zurzeit auf dem Campus der beiden Forschungsanstalten Eawag und Empa in Dübendorf ZH. Dort wird ein neuer Gebäudekomplex errichtet, der über Hochtemperatur-Erdsonden je nach Jahreszeit geheizt oder gekühlt wird. Diese Sonden reichen bis zu 100 Meter in die Tiefe. Im Sommer wird die Wärme aus den Gebäuden in die Tiefe geleitet und dort gespeichert. Im Winter wird dann dem Boden wieder Wärme entzogen und so das Gebäude geheizt.

Die ETH Zürich betreibt ein ähnliches System schon seit mehreren Jahren auf dem Hönggerberg. Hier wird die Wärme von Servern und Laborgeräten mithilfe von Erdsonden bis zu 200 Meter tief in der Erde eingelagert und dann im Winter zum Heizen genutzt. Wie sich solche Systeme weiter verbessern lassen, werden die Forschenden in den nächsten Jahren gleich im eigenen Forschungsbau untersuchen können. Es wird also nicht nur im, sondern auch am oder noch besser: mit dem Gebäude geforscht!

In diesem Experimentiergebäude in Dübendorf ZH installierten Forschende eine intelligente Heiz- und Kühlsteuerung.
Foto: ZAWARSKI WOJCIECH

Ein anderes Beispiel ist das Rechenzentrum der EPFL in Lausanne. Wenn Sie einen Laptop besitzen, wissen Sie, wie viel Wärme Computer produzieren. Ein ganzer Raum voller Server erzeugt eine unglaublich grosse Menge an Wärme, die abgeführt werden muss. Diese Server werden an der EPFL nun mit Wasser gekühlt, das durch die Türen der Grossrechner-Schränke geleitet wird. Das gewärmte Wasser wiederum wird dann verwendet, um den Rest des Campus zu wärmen.

Das System ist gross und ausgesprochen komplex. Es wird durch Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach und an den Fassaden und durch Wärmepumpen ergänzt. Auch eine kleine Biogas-Anlage wird vielleicht demnächst installiert. Diese soll aber nicht primär als Energiequelle dienen, sondern als Lernlabor vor allem den Studierenden praktische Erfahrungen ermöglichen. Ausserdem können die Abfälle aus der Mensa so gleich vor Ort verwertet werden.

Neben solchen Grossprojekten können aber auch kleinere Eingriffe viel bewirken. In einer Wohneinheit im Experimentiergebäude (Nest) in Dübendorf installierten Forschende eine intelligente Heiz- und Kühlsteuerung. Dank künstlicher Intelligenz konnte das System lernen, wie die Wohnung auf externe Wetter- und Temperaturschwankungen reagiert. Damit kann es nun, mit der Wettervorhersage von MeteoSchweiz gefüttert, vorausschauend wärmen und kühlen. Das spart nicht nur 25 Prozent Energie, sondern bringt auch mehr Komfort, da die Raumtemperatur stabiler bleibt.

Netto null CO2 kann man nicht auf einen Schlag erreichen. Dazu wird es ganz viele kleine Schritte brauchen, von Entscheidungsträgern, aber auch von uns allen. Clevere Innovationen können helfen, diese Schritte einfacher und schneller zu machen. Ich bin zuversichtlich, dass das Innovationsland Schweiz diese Herausforderung packen wird.

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