Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Eine Reise und keine Ferien

Der Direktor des Zoo Zürich, Severin Dressen (34), berichtet von einer etwas anderen Branchenkonferenz: Hier reden die Teilnehmer an der Hotelbar über Gepardenforschung und Elefantenanlagen.
Publiziert: 08.10.2022 um 15:40 Uhr
Severin Dressen

Wer letzte Woche im portugiesischen Albufeira die Lobby eines grossen Hotels betrat, dem bot sich ein ungewohntes Bild. Nirgends wurden Cocktails geschlürft, Strandtaschen fehlten, und kein Duft von Sonnencreme lag in der Luft. Stattdessen konnte man Gesprächsfetzen aufschnappen, die zwar nicht von Ferien handelten, aber von einer Reise. Der Reise, auf der sich Zoos befinden.

An einem Tisch sassen Menschen über Bauplänen einer neuen Elefantenanlage gebeugt, am Tisch daneben wurden die neusten Trends bei Ausstellungen diskutiert. Zwei Meter weiter berichtete eine Frau einer Gruppe von ihrem neusten Geparden-Forschungsprojekt in Südafrika, und an der Hotelbar tauschte man sich – passend zur Örtlichkeit – über die Frage aus, ob man in Zoorestaurants Rotwein in Einweggläsern ausschenken sollte oder besser nicht.

Nach zwei Jahren Corona-Pause war es wieder Zeit für das Jahrestreffen der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA), unseres europäischen Dachverbands. Mit über 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus knapp 400 Institutionen und über 70 Ländern ist die «Zoofamilie» zwar gross, noch immer ist es aber ein grosses Wiedersehen von Zooleuten, die sich zum Teil bereits seit Jahrzehnten kennen und zusammenarbeiten. Die Vertretung durch 70 Länder zeigt, dass die EAZA inzwischen nicht nur im geografischen Europa tätig ist, sondern auch Mitglieder aus der ganzen Welt hat. Aus der Schweiz waren acht Institutionen vertreten: Neben dem Zoo Zürich waren dies der Wildpark Langenberg, der Zoo Basel, das Papiliorama in Kerzers FR, der Tierpark Bern Dählhölzli, das Aquatis in Lausanne VD, der Walter Zoo in Gossau SG und der Natur- und Tierpark Goldau SZ.

Am Jahrestreffen der EAZA wurde auch über Zuchtprogramme gesprochen. Hier im Bild der Nashornbulle Kimba, der aus einem solchen Programm stammt.
Foto: Enzo Franchini

Die EAZA ist für vieles in unseren Zoos verantwortlich, aber zu ihren Schlüsselaufgaben zählen vor allem die Erhaltungszuchtprogramme (EEP). Diese stellen sicher, dass die Zucht der oftmals bedrohten Tierarten, die wir in unseren Zoos halten, koordiniert ist. Auf diese Weise wird eine nachhaltige und gesunde Reservepopulation einer Art aufgebaut, die dazu dienen kann, Tiere einer bedrohten oder gar ausgestorbenen Art wieder auszuwildern. Ein EEP wird immer von einem Mitglieds-Zoo koordiniert. Dieser Zoo kennt alle Individuen der Art, weiss, wie sie miteinander verwandt sind, und gibt darauf basierend Anweisungen, welche Tiere in welchem Zoo gehalten werden sollen.

Unseren Nashornbullen Kimba haben wir im letzten Jahr aus Schwerin (D) erhalten, da der Zuchtbuchführer in Beekse Bergen (Niederlande) ihn als genetisch passenden Partner für unsere Weibchen sah. Alle EEP einer Tiergruppe werden in einer Arbeitsgruppe zusammengefasst. Am Jahrestreffen kommt diese zusammen, tauscht sich aus und spricht über Herausforderungen und das weitere Vorgehen.

Solche Arbeitsgruppentreffen sind lehrreich und wichtiger Ansporn für das eigene EEP. Mindestens genauso wertvoll an solchen Konferenzen sind aber die Gespräche in den Kaffeepausen. Sie zeigen, dass viele Zoos vor ähnlichen Herausforderungen stehen, generieren aber auch wieder frische Ideen für den eigenen Betrieb. Sei dies nun für den Bau einer neuen Elefantenanlage, eine Ausstellung oder den Ausschank von Rotwein.

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