Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Die Wespe ist die schlaue Tante der Biene

«… Bücher, die mir alles über die Wespe mitteilen, bloss nicht, warum es sie gibt», schrieb einst der walisische Dichter Dylan Thomas (1914–1953). Das holt nun seine Landsfrau Seirian Sumner nach. Und nach der Lektüre ist man froh, dass es Wespen gibt.
Publiziert: 25.07.2023 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2023 um 12:30 Uhr
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Im Sommer ist nichts schöner, als unter freiem Himmel zu essen. Doch kaum ist die Grillade serviert, schwirrt auch schon das gelb-schwarze Geschwader an und macht einem das Fleisch streitig: Nervös tänzeln die Wespen über dem Teller und warten einen günstigen Moment ab, um auf der Hamme zu landen und einen Happen zu schnappen. Ja, die können ganze Stücke rausbeissen, die so gross sind wie ihre Köpfe. Und bist du nicht willig, dann drohen sie mit dem Stachel. Nicht zufällig rangieren Wespen auf der Beliebtheitsskala zwischen Mücken und Maden.

«Die Wespen verkörpern das Monster der Unzufriedenheit und des Ärgers», schreibt die Waliserin Seirian Sumner (48) in ihrem kürzlich erschienenen Buch «Wespen – eine Versöhnung». Wie es der Titel schon andeutet, legt die Professorin für Verhaltensökologie am University College London mit ihrem 629 Gramm schweren Wälzer keine Wespenwalze vor. Vielmehr will sie die Leserschaft mit wissenschaftlichen Fakten und persönlichen Anekdoten von ihrer Faszination für Wespen überzeugen – und das gelingt der Britin enorm gut.

«Dass ich mein Herz an die Wespen verloren habe, liegt an ihrer ausserordentlichen Vielfalt und ihrem faszinierenden Verhalten», schreibt Sumner. Gibt es weltweit gerade mal 22’000 Bienenarten, sind es bei Wespen über 100’000 Arten. Insekten gibt es seit etwa 479 Millionen Jahren; vor rund 240 Millionen Jahren kamen die ersten Wespen auf den Fleischgeschmack; die erste stechende Art tauchte vor etwa 190 Millionen Jahren auf; und noch vor 124 Millionen Jahren waren alle Bienen Wespen. «Dann vergass eines Tages eine Wespe, wie man jagt, und kam auf den Geschmack für Pollen, und die Bienen waren geboren», so Sumner.

Das Ärgernis des Sommers: Wespen machen sich über das Essen her.
Foto: Shutterstock

Bienen hätten es einfach, schreibt sie, denn ihre «Beute», die Blume, bewege sich nicht, könne nicht wegfliegen oder sich verstecken. Wespen wird demgegenüber selten ein stilles Schnitzel präsentiert, meist jagen sie andere Insekten. Sumner: «Die Jagd auf bewegliche und verborgene Proteinquellen ist kognitiv anspruchsvoll und fordert die Sinne stärker.» Wie das auf die Intelligenz abfärbt, zeigte schon der britische Biologe John Lubbock (1834–1913): Er tat Insekten in eine offene, liegende Flasche, deren Boden gegen die Sonnenseite gerichtet war – während Bienen stumpfsinnig gegen das Glas anflogen, fanden Wespen schnell den schattigen Ausweg.

Die Wespe ist nicht nur die schlaue Tante der Biene, sie ist auch verwandt mit der Ameise – alle drei gehören zur Ordnung der Hautflügler. Und alle drei sind soziale Wesen, die sich in Staaten organisieren. Doch während Imker Bienenvölker hegen und pflegen, sind Wespennester ein Fall für die Feuerwehr. Dabei sind Wespen prima Läusevernichter: Dank ihres Geruchssinns spüren sie die Schädlinge auch im Versteck auf und legen ihre Eier in ihnen ab. «Die Schädlingsbekämpfung durch parasitoide Wespen hat sich in der Landwirtschaft als revolutionär erwiesen», schreibt Sumner.

zVg
Seirian Sumner

«Wespen – eine Versöhnung», HarperCollins

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«Wespen – eine Versöhnung», HarperCollins

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