Sorry, mein Fehler!
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BlickPunkt zu Merkels Reaktion:Sorry, mein Fehler!

BlickPunkt über die Kunst der Entschuldigung
Sorry, mein Fehler!

Nichts fällt Politikerinnen und Politikern schwerer, als einen Irrtum einzugestehen. Sie glauben, das könne ihnen schaden. Aber auch das ist ein Irrtum.
Publiziert: 27.03.2021 um 01:28 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 21:37 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Solche Sätze hatte Deutschland von seiner Bundeskanzlerin noch nie gehört. «Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung», sagte sie diese Woche, als sie einen harten Oster-Lockdown rückgängig machte. Die Zwangspause für alles und jeden hatte sich als undurchführbar herausgestellt. Angela Merkel (66): «Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler.»

Deutschland, Europa, die ganze Welt staunte. «Einmaliger Vorgang», «historische Dimension», «ein Satz für die Ewigkeit», kommentierten die Kommentatoren. «Bild», eine Zeitung, die Merkel sonst gnadenlos attackiert, titelte: «Respekt, Kanzlerin!»

Nur: Wieso ist es überhaupt so spektakulär, wenn eine Politikerin einräumt, dass sie einen Fehler gemacht hat? Meint jemand allen Ernstes, unsere Volksvertreter seien unfehlbar?

Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson

Es ist doch zu erwarten, ja völlig unvermeidbar, dass Fehler passieren – gerade in einer so nie dagewesenen globalen Pandemie.

Natürlich sonnen sich Politikerinnen und Politiker in der Öffentlichkeit gern im Licht ihrer Erfolge. Bei Misserfolgen überlassen sie dann den Vortritt ebenso gern den anderen.

Merkel hätte es genauso machen können: Der missratene Oster-Entscheid war Ergebnis eines Video-Spitzentreffens von Bund und Ländern, 16 Ministerpräsidenten sassen mit vor den Kameras. Doch statt zu argumentieren, die Ministerpräsidenten-Konferenz habe falsch entschieden, sagte die Kanzlerin: «Ich übernehme die Verantwortung.»

In der Schweiz haben wir nie derartig klare Worte gehört – schon gar nicht im Pandemie-Jahr.

Wenn Masken fehlen, wenn die Covid-App nicht in Fahrt kommt, wenn unsinnige Verordnungen nachgebessert werden müssen, wenn Hilfsgelder zu spät fliessen, wenn der Impfstart harzig verläuft, wenn Gesundheitsdaten gehackt werden, sind immer die andern verantwortlich!

Dann zeigen die Bundesbehörden auf die Kantone, die Kantone auf den Bund, Linke auf Rechte, Rechte auf Linke, das Bundesamt für Gesundheit auf private Firmen, private Firmen auf den Staat ...

Zwar dürfen wir auf keinen Fall auf eine Wut-, Hass-, Hetz- und Kopf-ab-Kultur verfallen, wie sie in den sozialen Medien grassiert. Aber es wäre durchaus wohltuend, wenn auch mal einer unserer Entscheidungsträger in Merkel'scher Manier sagen würde: «Das war ein Fehler und ich trage die Verantwortung.»

Politikerinnen und Politiker glauben, sie könnten damit in der Öffentlichkeit schwach erscheinen. Doch sie irren: Es würde sie bedeutend stärker wirken lassen.

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