Arzt mit Berufsverbot
Heikle Personalie gefährdet Spitalübernahme

Der Kanton Bern will das Spital Zweisimmen an die private Medaxo AG übergeben und dafür viel Geld sprechen. Jetzt hat die Medaxo-Gruppe ihren medizinischen Leiter freigestellt, weil dieser in Zürich mit einem Berufsverbot belegt wurde.
Publiziert: 02.06.2024 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2024 um 13:59 Uhr
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Lino SchaerenRedaktor

Die Menschen im Berner Oberland bangen um die Gesundheitsversorgung im Saanenland und im Simmental. Die Zukunft des maroden und defizitären Spitals Zweisimmen steht auf der Kippe. Doch Anfang 2024 tauchte wie aus dem Nichts eine neue Heilsbringerin auf: die private Klinik-Gesellschaft Medaxo. Die Berner Kantonsregierung will das öffentliche Spital noch in diesem Jahr an die Medaxo AG übergeben – und die Privatisierung mit Millionen von Steuergeldern unterstützen.

Für Medaxo wäre die gesundheitliche Versorgung einer ganzen Region ein Coup. Doch jetzt droht das Unternehmen über eine fragwürdige Personalie zu stolpern: Die medizinische Verantwortung in der dreiköpfigen Geschäftsleitung der Medaxo-Gruppe trägt als Chief Medical Officer (CMO) ein Arzt, der im Kanton Zürich mit einem Berufsverbot belegt wurde.

Seit dem 18. März darf M. Y.* in Zürich keine Patienten mehr behandeln. Wieso die Behörden ihm die Bewilligung zur Berufsausübung entzogen haben, geben die Zürcher Gesundheitsbehörden nicht bekannt. Doch bis es so weit kommt, braucht es einiges: Ein Berufsverbot kann bei einer gravierenden Verletzung der Berufspflichten oder wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit verhängt werden.

Das Spital Zweisimmen soll privatisiert werden.
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Ehrenprofessur aus der Türkei

Y. selbst gibt auf Anfrage an, seine Berufsbewilligung verloren zu haben, weil er in seiner Zürcher Praxis zwei Assistenzärzte ohne die nötige Anerkennung eingestellt habe. «Leider haben wir das bei unseren Kontrollen übersehen, da die Ärzte schon in Schweizer Spitälern gearbeitet haben.»

Kurz nach dem Berufsverbot meldete Y. Konkurs an. Betroffen ist nicht nur seine Praxis in Zürich, sondern auch die Hausarztpraxis im Kanton Zug, die er erst vier Monate zuvor übernommen hatte. Er sei Ende März schwer krank geworden und sei beruflich komplett ausgefallen, gibt Y. an. Die Kosten seien deshalb nicht mehr tragbar gewesen.

Doch auch nach dem Konkurs und dem Berufsverbot im Kanton Zürich taucht der Name von Y. an vielen Stellen auf. Er wird bei diversen Schönheitssalons in mehreren Kantonen im Team als ärztlicher Mitarbeiter geführt. Sein angebliches Renommee weckt Vertrauen: Y. wird konsequent als Prof. Dr. med. vorgestellt, einmal auch mit dem Facharzttitel Ästhetische Chirurgie, den es so gar nicht gibt.

Von einer medizinischen Fakultät zum ordentlichen Professor berufen wurde Y. nie, er ist nicht habilitiert. Tatsächlich handelt es sich bei seiner Professur nur um den Ehrentitel einer türkischen Universität, wie der Arzt auf Nachfrage angibt. Für potenzielle Patientinnen und Patienten ist das allerdings nirgends ersichtlich.

Angebliche Partner wissen von nichts

Fragen wirft auch die GmbH auf, mit der Y. im Medizintourismus tätig ist. Der Ehrenprofessor will mit seinem Unternehmen mit Sitz in Zürich die hervorragende medizinische Versorgung in der Schweiz in die ganze Welt bringen – und finanziell potente Patienten in die Schweiz. Er bietet eine eigene Zertifizierung für Kliniken und Praxen an. Wer sich zertifizieren lässt, so das Versprechen, soll ins Netzwerk von Partnerkliniken aufgenommen und mit Patientenaustausch versorgt werden.

Tatsächlich listet die Firma von Y. renommierte Schweizer Institutionen wie das Universitätsspital Zürich, die Hirslanden-Gruppe oder die Reha-Clinic Bad Ragaz als angebliche Partnerkliniken auf. Doch alle auf der Website aufgeführten Gesundheitshäuser geben auf Anfrage an, nie eine Partnerschaft mit Y. eingegangen zu sein. Kurz nach den Anfragen von Blick ist die Website von Y.s Unternehmens nicht mehr erreichbar.

Für die Berner Medaxo-Gruppe wird ihr Chief Medical Officer nun im politischen Prozess zur geplanten Spitalübernahme zur Hypothek. Zumal Y. seine Kollegen in der Geschäftsleitung informiert hat, als er im März in Zürich mit einem Berufsverbot belegt wurde. Konsequenzen gezogen hat CEO Thomas Mattmann aber erst, als ihn Blick diesen Freitag damit konfrontierte. «Ich werde Y. von seinen Aufgaben freistellen, bis die Vorwürfe abschliessend geklärt sind», kündigte er an. Noch am selben Abend verschwand der Chief Medical Officer von der Medaxo-Internetseite.

Droht das nächste Berufsverbot?

Bei der Klinik-Gesellschaft war Y. seit knapp einem Jahr Teil des obersten Leitungsgremiums. Obwohl er den Titel des medizinischen Verantwortlichen für die gesamte Gruppe führte, sei er mit seinem 40-Prozent-Pensum nur im Bereich der Arztpraxen tätig gewesen, versichert CEO Mattmann. Mit der Privatklinik, die Medaxo in Thun BE betreibt, und dem Übernahmeprojekt in Zweisimmen habe Y. nie zu tun gehabt.

Während sich Medaxo in Schadensbegrenzung versucht, droht Y. im Kanton Bern weiteres Ungemach. Sein Fall ist der Berner Gesundheitsdirektion bekannt, wie diese auf Anfrage mitteilt. Er sei bei der Abteilung «Aufsicht und Bewilligungen» in Bearbeitung. Diese ist zuständig dafür, Bewilligungen für die Berufsausübung im Gesundheitswesen zu erteilen – oder zu entziehen. Möglich also, dass es für Y. nicht beim Berufsverbot in Zürich bleibt.

*Name bekannt 

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