Hier versucht sich Julian Assange im Skaten
1:04
Neue Aufnahmen aufgetaucht:Hier versucht sich Julian Assange im Skaten

Die 7 wichtigsten Fragen zur Verhaftung des Wikileaks-Gründers
Kann Trump Assange helfen?

Nach sieben Jahren selbstgewähltem Hausarrest wurde Julian Assange (47) am Donnerstag aus seinem Londoner Asyl gezerrt. Es könnte der Beginn eines langjährigen Streits um die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA werden.
Publiziert: 13.04.2019 um 23:59 Uhr
|
Aktualisiert: 16.04.2019 um 11:17 Uhr
Eine Pro-Assange-Demo in Quito (Ecuador) eskalierte am 16. April 2018.
Foto: Keystone
1/25
Fabienne Kinzelmann

Weisser Zauselbart, müde Augen, die Gesichtszüge wie im Krampf verzerrt – als Julian Assange am Donnerstagmorgen von sieben Scotland-Yard-Beamten in Handschellen aus einem roten Backsteingebäude halb getragen, halb geschoben wird, scheint er um Jahrzehnte gealtert.

Noch am Nachmittag ergeht vor einem Londoner Amtsgericht das Hafturteil: Der Mitgründer der bekanntesten aller Internet-Enthüllungsplattformen hat Kautionsauflagen verletzt, als er im Juni 2012 in die ecuadorianische Botschaft flüchtete. Ihm drohen zwölf Monate Gefängnis. Doch im Vergleich zur Strafe, die ihn in den USA erwartet, ist das nichts. Seine Auslieferung wurde schon beantragt.

Alle aktuellen Ereignisse rund um die Festnahme von Assange gibt es immer im Ticker.

Was werfen ihm die USA vor?

Die Anklage dreht sich nur um das Datenleck von 2010, als die Whistleblowerin Chelsea Manning (31) geheime Militär- und Regierungsdokumente an Wikileaks übermittelte. Assange soll sich mit Manning verschworen und ihr beim Knacken eines Passworts geholfen haben. Für Verschwörung und Angriff auf Pentagon-Rechner drohen ihm fünf Jahre Haft.

Die ursprünglich zu 35 Jahren verurteilte, dann von Präsident Obama begnadigte Manning sitzt aktuell wieder hinter Gittern, weil sie sich weigert, vor einer Grand Jury auszusagen. Mutmasslich geht es dabei um den Fall Assange.

Kann sich Assange auf die Pressefreiheit berufen?

Weltweit haben sich Journalisten mit Assange solidarisch erklärt. Ihre Befürchtung: Wird er tatsächlich für die Veröffentlichung von Geheimdokumenten verurteilt, öffnet dies Tür und Tor für die Verfolgung anderer Enthüller. Assange ist allerdings bislang nicht für seine publizistischen Tätigkeiten angeklagt. Die Vorwürfe der US-Strafverfolger betreffen das Hacking von geschützten Daten.

Kann Donald Trump Assange helfen?

Wikileaks stand nachweislich in Kontakt mit Donald Trumps Präsidentschafts-Wahlkampfteam und veröffentlichte mehr als 150'000 E-Mails aus dem Lager seiner Konkurrentin Hillary Clinton (71). Das freute Trump. 2016 sagte er: «Ich liebe Wikileaks.» Auf den Fall Assange angesprochen, ruderte er am Donnerstag im Oval Office zurück: «Ich weiss nichts über Wikileaks.»

Hat Assange mit den Russen paktiert?

Assange hat die These, dass die gehackten E-Mails von russischen Hackern stammen, stets zurückgewiesen. Der Mueller-Report zur Russland-Affäre deutet jedoch genau darauf hin.

Wird Assange an die USA ausgeliefert?

Eine nächste Anhörung vor einem britischen Gericht ist für den 2. Mai geplant. Assange will das Auslieferungsgesuch der USA anfechten. Der Fall könnte über Jahre in der Schwebe bleiben und letztlich vor den Europäischen Gerichtshof gehen.

Warum wurde Assange erst jetzt verhaftet?

Ecuador hat ihm den Asylstatus entzogen. Assange soll Gastrechte missbraucht haben, indem er sich von der Botschaft aus in die Politik anderer Länder eingemischt – auch in den Katalonien-Konflikt –, mit seinem Skateboard den Boden ruiniert und Kot an die Wände geschmiert habe. Deswegen hatten ihm die Ecuadorianer bereits seine Katze James und den Internetzugang in seinem 15-Quadratmeter-Zimmer weggenommen.

Seine Gastgeber nervten zudem die enormen Kosten: 6,5 Millionen US-Dollar sollen sie für Sicherheit, medizinische Versorgung und juristischen Beistand gezahlt haben.

Ecuadors 2017 ins Amt gekommener Präsident Lenin Moreno (66) sah Assange als Altlast seines Vorgängers – und als Hindernis auf dem Weg zu besseren Beziehungen mit den USA. Von Wikileaks veröffentlichte Dokumente, die Moreno und seiner Familie Korruption unterstellen, aber auch gehackte Privatfotos des Staatschefs könnten den Ausschlag gegeben haben, Assange das Botschaftsasyl zu entziehen.

Wie geht es mit Wikileaks weiter?

Für die Plattform begann bereits Mitte 2018 eine neue Ära. Der neue Chefredaktor Kristinn Hrafnsson (56) hat die Arbeit mit einem neuen Büro in Island und einem kleinen Team aufgenommen. Nun aber könnte Wikileaks lange mit dem Prozess gegen Assange beschäftigt sein, die unsichere Lage zudem potenzielle Whistleblower abschrecken.

Wer ist Julian Assange?

Der Australier (*1971 in Townsville) ist das bekannteste Gesicht der Enthüllungsplattform Wikileaks. 2012 bezichtigten zwei Schwedinnen Assange der Vergewaltigung. Aus Angst vor einer Auslieferung an die USA flüchtete er in die ecuadorianische Botschaft in London, wo er sieben Jahre lang lebte. Während seines Hausarrests empfing er zahlreiche Prominente wie «Baywatch»-Legende Pamela Anderson, Fox-News-Moderator Sean Hannity sowie den Rechtskonservativen Nigel Farage. Assange war verheiratet und hat einen Sohn.

Der Australier (*1971 in Townsville) ist das bekannteste Gesicht der Enthüllungsplattform Wikileaks. 2012 bezichtigten zwei Schwedinnen Assange der Vergewaltigung. Aus Angst vor einer Auslieferung an die USA flüchtete er in die ecuadorianische Botschaft in London, wo er sieben Jahre lang lebte. Während seines Hausarrests empfing er zahlreiche Prominente wie «Baywatch»-Legende Pamela Anderson, Fox-News-Moderator Sean Hannity sowie den Rechtskonservativen Nigel Farage. Assange war verheiratet und hat einen Sohn.

Mehr
Das ist Wikileaks

Die Enthüllungsplattform wurde 2006 von politischen Aktivisten gegründet. Das erklärte Ziel ist es, unethisches Verhalten von Staaten und Regierungen offenzulegen. Wikileaks dokumentierte unter anderem Menschenrechtsverletzungen bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan. Ein Video aus einem US-Kampfhubschrauber, das den Beschuss von Zivilisten und Reportern in Bagdad zeigt, gehört zu den grössten Enthüllungserfolgen. In die Kritik geriet die Plattform, als sie im US-Wahlkampf 2016 die mutmasslich von Russland gehackten Mails veröffentlichte und so der Clinton-Kampagne empfindlich schadete.

Die Enthüllungsplattform wurde 2006 von politischen Aktivisten gegründet. Das erklärte Ziel ist es, unethisches Verhalten von Staaten und Regierungen offenzulegen. Wikileaks dokumentierte unter anderem Menschenrechtsverletzungen bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan. Ein Video aus einem US-Kampfhubschrauber, das den Beschuss von Zivilisten und Reportern in Bagdad zeigt, gehört zu den grössten Enthüllungserfolgen. In die Kritik geriet die Plattform, als sie im US-Wahlkampf 2016 die mutmasslich von Russland gehackten Mails veröffentlichte und so der Clinton-Kampagne empfindlich schadete.

Mehr
Der Fall Assange

Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse rund um Julian Assanges Zeit in der Botschaft in Ecuador.

2010:

  • Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470'000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250'000 Dokumente kommen später hinzu.
  • Im November bewirkt die schwedische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen. Assange weist die Anschuldigung zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen Auslieferungsantrag Schwedens kommt er gegen Kaution auf freien Fuss.

2011

  • Im Februar gibt ein britisches Gericht dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äussert sich besorgt: Er fürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte, wo ihm wegen der geleakten Dokumente ein Prozess und womöglich sogar die Todesstrafe droht.

2012

  • Julian Assange flieht im Juni in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl. Ecuador bittet die britische Regierung vergeblich um die Erlaubnis, Assange nach Quito auszufliegen.

2016

  • Schwedische Ermittler scheitern mit ihrem Anliegen, Assange in der Londoner Botschaft zu vernehmen. Eine Uno-Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss, dass Assange im Botschaftsgebäude «willkürlich inhaftiert» sei und dafür von Grossbritannien und Schweden entschädigt werden müsse. Beide Länder weisen die nicht bindende Entscheidung zurück.
  • Vor der US-Präsidentschaftswahl veröffentlicht Wikileaks rund 20'000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Aussenministerin Hillary Clinton.

2017

  • Nach der Begnadigung von Chelsea Manning, einer Hauptquelle von Wikileaks, erklärt die Organisation, Assange könne sich Ermittlungen in den USA stellen, wenn seine Rechte garantiert würden. Unterdessen stellt die Staatsanwaltschaft in Schweden die Ermittlungen gegen Assange ein.
  • Die britische Polizei will ihn allerdings weiterhin festnehmen, weil er seine Kautionsauflagen verletzt hat. Assange bekommt die ecuadorianische Staatsangehörigkeit, allerdings scheitert die Regierung in Quito mit ihrem Anliegen, bei den britischen Behörden Diplomatenstatus für Assange anzumelden. Das hätte ihm ermöglicht, das Botschaftsgebäude zu verlassen, ohne festgenommen zu werden.

2018

  • Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges «unhaltbare» Situation zu beenden. Ein Antrag, den Haftbefehl aus gesundheitlichen Gründen zurückzuziehen, scheitert. Im März kappt das Botschaftspersonal dann Assanges Kommunikationszugänge, weil er sich in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt habe. Ein Wikileaks-Anwalt beschreibt Assanges Lebensumstände als «unmenschlich».
  • Im Oktober erlegt Ecuador Assange neue Verhaltensregeln auf und warnt, eine Verletzung der Vorgaben könne zum Entzug des Asyls führen. Unterdessen taucht in den USA ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.

2019

  • Ecuadors Präsident Lenin Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschaftsasyl «wiederholt verletzt». Am 25. April soll ein unabhängiger Menschenrechtsexperte Assange besuchen und eine Einschätzung abgeben, ob die ihm vorgeworfenen Verstösse eine Untersuchung notwendig machen.
  • Doch dazu kommt es nicht: Am 11. April nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen wurde.

2020

  • Assange sitzt im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh im Südosten Londons.
  • Assange, hofft auf eine Freilassung unter Kautionsauflagen wegen der Coronavirus-Pandemie. Der Antrag wird abgelehnt.

2021

  • Dem Wikileaks-Gründer wird die ecuadorianische Staatsbürgerschaft entzogen.

  • Das Gericht lehnt die Auslieferung in die USA ab und begründet diese Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde.
  • Die USA zweifeln am medizinischen Gutachten und legen Berufung ein. Das Auslieferungsverbot wird im Dezember aufgehoben

  • Nach Angaben seiner Verlobten Stella Moris erleidet Assange im Gefängnis einen leichten Schlaganfall. Grund soll der «extreme» Stress gewesen sein.

Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse rund um Julian Assanges Zeit in der Botschaft in Ecuador.

2010:

  • Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470'000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250'000 Dokumente kommen später hinzu.
  • Im November bewirkt die schwedische Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen. Assange weist die Anschuldigung zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen Auslieferungsantrag Schwedens kommt er gegen Kaution auf freien Fuss.

2011

  • Im Februar gibt ein britisches Gericht dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äussert sich besorgt: Er fürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte, wo ihm wegen der geleakten Dokumente ein Prozess und womöglich sogar die Todesstrafe droht.

2012

  • Julian Assange flieht im Juni in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl. Ecuador bittet die britische Regierung vergeblich um die Erlaubnis, Assange nach Quito auszufliegen.

2016

  • Schwedische Ermittler scheitern mit ihrem Anliegen, Assange in der Londoner Botschaft zu vernehmen. Eine Uno-Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss, dass Assange im Botschaftsgebäude «willkürlich inhaftiert» sei und dafür von Grossbritannien und Schweden entschädigt werden müsse. Beide Länder weisen die nicht bindende Entscheidung zurück.
  • Vor der US-Präsidentschaftswahl veröffentlicht Wikileaks rund 20'000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Aussenministerin Hillary Clinton.

2017

  • Nach der Begnadigung von Chelsea Manning, einer Hauptquelle von Wikileaks, erklärt die Organisation, Assange könne sich Ermittlungen in den USA stellen, wenn seine Rechte garantiert würden. Unterdessen stellt die Staatsanwaltschaft in Schweden die Ermittlungen gegen Assange ein.
  • Die britische Polizei will ihn allerdings weiterhin festnehmen, weil er seine Kautionsauflagen verletzt hat. Assange bekommt die ecuadorianische Staatsangehörigkeit, allerdings scheitert die Regierung in Quito mit ihrem Anliegen, bei den britischen Behörden Diplomatenstatus für Assange anzumelden. Das hätte ihm ermöglicht, das Botschaftsgebäude zu verlassen, ohne festgenommen zu werden.

2018

  • Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges «unhaltbare» Situation zu beenden. Ein Antrag, den Haftbefehl aus gesundheitlichen Gründen zurückzuziehen, scheitert. Im März kappt das Botschaftspersonal dann Assanges Kommunikationszugänge, weil er sich in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt habe. Ein Wikileaks-Anwalt beschreibt Assanges Lebensumstände als «unmenschlich».
  • Im Oktober erlegt Ecuador Assange neue Verhaltensregeln auf und warnt, eine Verletzung der Vorgaben könne zum Entzug des Asyls führen. Unterdessen taucht in den USA ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.

2019

  • Ecuadors Präsident Lenin Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschaftsasyl «wiederholt verletzt». Am 25. April soll ein unabhängiger Menschenrechtsexperte Assange besuchen und eine Einschätzung abgeben, ob die ihm vorgeworfenen Verstösse eine Untersuchung notwendig machen.
  • Doch dazu kommt es nicht: Am 11. April nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen wurde.

2020

  • Assange sitzt im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh im Südosten Londons.
  • Assange, hofft auf eine Freilassung unter Kautionsauflagen wegen der Coronavirus-Pandemie. Der Antrag wird abgelehnt.

2021

  • Dem Wikileaks-Gründer wird die ecuadorianische Staatsbürgerschaft entzogen.

  • Das Gericht lehnt die Auslieferung in die USA ab und begründet diese Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde.
  • Die USA zweifeln am medizinischen Gutachten und legen Berufung ein. Das Auslieferungsverbot wird im Dezember aufgehoben

  • Nach Angaben seiner Verlobten Stella Moris erleidet Assange im Gefängnis einen leichten Schlaganfall. Grund soll der «extreme» Stress gewesen sein.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?