Gerichtsreporter Viktor Dammann über den Fall Max S. (†66)
Der falsche Rothschild-Bankier war ein richtiger Hochstapler

Ungedeckte Millionenchecks, geprellte Luxushotels oder Banken-Mega-Deals. Und über all dem der schillernde Name der traditionsreichen Rothschild-Bank. Das war die Welt des Hochstaplers Max S. (†66).
Publiziert: 07.08.2023 um 00:11 Uhr
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Viktor DammannReporter

Wer in die Fantasiewelt des selbsternannten Zürcher Finanzberaters Max S.* (†66) eintauchte, konnte sich auf einiges gefasst machen. Vorzugsweise wies er sich mit einer Visitenkarte als Privatbankier «Prince Phillip de Rothschild» aus.

Nicht überraschend also, dass der schillernde Schwindler einst ausgerechnet im «Disney World» in Florida geschnappt worden war. Er hatte sich im Frühling 1991 als Anthony R.*, dem er die Kreditkarte entwendet hatte, mit seiner jungen Geliebten (18) in einer Luxussuite in einem Parkhotel eingemietet. Bei einem lautstarken Krach begehrte die Polizei Einlass. Als die unwissende Freundin ihren Freund beim richtigen Namen nannte, wurden die US-Beamten hellhörig. Nachforschungen ergaben, dass Max S. auf Kosten von Mister R. mit seiner Freundin um die halbe Welt gejettet war.

«Ich bin völlig unschuldig», sagte der Hochstapler

Es war mir als Blick-Reporter gelungen, mich mit dem im Knast weilenden Max S. verbinden zu lassen. «Ich bin völlig unschuldig. Mein Freund Anthony hat mir die Karte zur Verfügung gestellt», behauptete er empört am Telefon. Im Übrigen sei das Essen im Orange-County-Jail ungeniessbar. Er wisse, wovon er rede, schliesslich sei er auch schon in der Schweiz gesessen. Nach seiner Entlassung würde er sich bei mir melden.

Max S., der sich als Prinz fühlte, in feinem Tuch.
Foto: Philippe Rossier
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In der Zwischenzeit machte ich mich über meinen neuen «Kunden» schlau. Max S. gab sich auch schon als IKRK-Delegierter aus und beabsichtigte 1990, im Zürcher Kongresshaus eine IKRK-Gala zu veranstalten. Ehrengast: Prinzessin Caroline von Monaco.

Alles Schall und Rauch. Der Hochstapler war leider nicht in der Lage, dem Kongresshaus eine Vorauszahlung von 75'000 Franken zu leisten. «Daraufhin liess er sich nicht mehr blicken», erzählte mir der damalige Direktor, René Lenz. «S. ist eine schillernde Figur im humorlosen Zürich. Er gab sich auch als Präsident der Rothschild-Banken aus und trug eine Cowboy-Kluft mit grossem Stetson-Hut, Stiefeln, Sporen und einem Revolver im Hosenbund. Meine Sekretärinnen sind schreiend zu mir gelaufen.»

«Ich dachte, die Rothschilds wollten mich adoptieren»

Ein andermal gab Max S. vor, sich zusammen mit Baron Philippe de Rothschild für Schweizer Geiseln im Libanon einzusetzen. Dabei war dieser seit Jahren verstorben und hatte nichts mit Banken, sondern mit dem edlen Rothschild-Champagner zu tun. «Ich dachte damals, die Rothschilds wollten mich adoptieren», irrlichterte Max S. gegenüber mir.

Um die Fassade aufrechtzuerhalten, besorgte sich «Herr Rothschild» ein Büro und zwei Sekretärinnen. Die Kaution beglich er mit getürkten Einzahlungsscheinen. Er brachte sogar einen renommierten Rechtsanwalt dazu, mit ihm eine Firma zu gründen. Als Max S. in einer Bar zufällig hörte, eine Privatbank sei zu verkaufen, machte er endgültig auf «grossen Max». Er liess sich von seinem Anwalt zur Eidgenössischen Bankenkommission nach Bern begleiten. Die hatten nichts gegen seine Kaufabsichten. Darauf arbeiteten die Anwälte der Bank und der Advokat von S. wochenlang die Verkaufspapiere aus.

Erst als Neo-Banker Max S. die Kaufanzahlung von 3,5 Millionen Franken schuldig blieb, krachte das Fantasiekonstrukt einmal mehr in sich zusammen. In Wirklichkeit war Max S. völlig blank und wohnte in einem Zimmer des Sozialamts. Weshalb niemand seine Bonität prüfte, bleibt in dieser verrückten Geschichte offen.

Max S. wollte sogar einmal die UBS übernehmen

Nach erneutem Verbüssen einer seiner vielen Gefängnisstrafen tauchte Max S. urplötzlich im Ringier-Pressehaus auf, wo er mich verlangte. Stolz öffnete er einen mitgebrachten Koffer. Darin lagen haufenweise Dollarblüten in Millionenhöhe.

Den Vogel schoss der falsche Prinz 2013 ab, als er im Namen der Rothschild-Bank verkündete, die UBS übernehmen zu wollen. Dabei blamierte sich auch die «Basler Zeitung», indem es Max S. gelang, in der Rubrik «Empfehlungen» ein entsprechendes Inserat zu platzieren.

Vor dem Zürcher Bezirksgericht erklärte er sich einmal mehr wortreich: «Ich dachte, die Rothschild-Bank gehört mir.» Er entschuldigte sich auch dafür, Bekannte – darunter auch mich – übelst beleidigt zu haben.

Ich habe es ihm nie übel genommen. Mir war klar, dass Prinz Max von seiner manisch-depressiven Krankheit getrieben war. Das Gericht hielt ihn für völlig schuldunfähig und wies ihn in eine Klinik ein. Ich hätte gerne nochmals mit ihm gesprochen. Doch er ist vor zwei Jahren verstorben.

* Namen geändert

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