«Eine Kuh ist gestorben»
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Bauern in Küssnacht SZ besorgt:«Eine Kuh ist gestorben»

Verunreinigtes Trinkwasser in Küssnacht SZ
Dieser Golfplatz macht den Nachbarn Bauchweh

Magen-Darm-Beschwerden und verstärkter Harndrang: Die Anwohner vom Golfplatz Küssnacht am Rigi sind überzeugt, dass die dort verwendeten Pestizide sie krank machen. Das verseuchte Quellwasser soll auch ihre Nutztiere töten.
Publiziert: 15.06.2023 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 09:15 Uhr

Bälle schlagen, Spass haben – das verspricht ein Golfplatz. Doch in Küssnacht SZ leiden die Nachbarn unter der attraktiven 18-Loch-Anlage. Sie befürchten, dass ihr Trinkwasser durch Pestizide vergiftet worden ist. Diese setzen die Betreiber der Golfplätze ein, um den Rasen gepflegt, schön dicht und sattgrün zu halten.

Fest steht: In mehreren Quellen rund um den Golfplatz Küssnacht am Rigi sind in den letzten Monaten hohe Werte von Pestiziden gemessen worden.

Drei Anwohner haben sich Blick anvertraut. So der pensionierte Landwirt Otto Müller (68). Er ist sich sicher: Das Quellwasser auf seinem Land ist durch die Pestizid-Nutzung auf dem Golfplatz verunreinigt – unter anderem mit Chlorothalonil, das seit 2020 verboten ist. Messungen vom vergangenen August bestätigen einen erhöhten Wert von Rückständen im Grundwasser. Der allgemeine Wert für Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln – 0,1 Mikrogramm pro Liter – wird dort um das 13-fache überschritten.

Otto Müller, Anwohner beim Golfplatz Küssnacht am Rigi, trinkt das Wasser aus seinen Quellen nicht mehr – auch das Gemüse bewässert er damit nicht mehr.
Foto: Philippe Rossier
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Körperliche Beschwerden

Hat Müller das Wasser noch bis vor kurzem getrunken, so lässt er heute die Finger davon. Er ist überzeugt: Das Pflanzengift ist der Grund für seine gesundheitlichen Beschwerden, die ihn plagten. So litt der Landwirt unter Verdauungsbeschwerden, und nachts verspürte er oft starken Harndrang.

Um seine Mitmenschen – vor allem seine Enkelkinder – zu schützen, beschriftete er seinen Brunnen mit «kein Trinkwasser». «Ich muss schauen, dass meine Grosskinder nicht aus den Quellen trinken», sagt er.

Müller musste tief in die Taschen greifen, um sein Trinkwasser-Problem zu lösen. Für rund 15'000 Franken wurde der Hof an das Wassernetz der Gemeinde Küssnacht angeschlossen. Seither geht es dem Landwirt wieder gut.

Messungen belegen Gift-Rückstände

Ähnlich erging es Landwirt Adolf Niederberger (65). Auch er hatte mit Magen-Darm-Beschwerden zu kämpfen und verspürte nachts oft starken Harndrang.

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Messungen zeigen auch bei ihm beim Chlorothalonil eine 14-fache Überschreitung des allgemeinen Pestizid-Grenzwerts. Hohe Werte werden auch bei einer Quelle von Toni Diener jun. (40) gemessen: Bei dem Bio-Bauer wird eine 33-fache Überschreitung des allgemeinen Pestizid-Grenzwerts festgestellt.

Tiere sterben

Diener und Niederberger verlieren letzten Herbst aufgrund des verseuchten Quellwassers je ein Tier: Diener ein Kalb, Niederberger eine dreijährige Kuh.

Laut den drei Anwohnern häufen sich in der Nachbarschaft seit zwei Jahren Krebsfälle – mehrere Frauen erkranken an Brustkrebs. Ob es einen Zusammenhang mit dem verunreinigten Wasser gibt, ist unklar.

Strafanzeige eingereicht

Müller kontaktierte vor rund acht Monaten den Golfplatz – biss aber auf Granit: «Wir wurden abgewimmelt», sagt er. Darauf wendete er sich an die Gemeinde Küssnacht und den Kanton Schwyz – ohne Erfolg.

Nun haben die drei Anwohner gemeinsam Strafanzeige gegen den Golfplatz eingereicht wegen Verschmutzung von Grund- und Quellwasser.

«Absolut keiner Schuld bewusst»

«Wir nehmen die Anliegen der Anwohner sehr ernst», sagt Josef Schuler jun., Geschäftsführer von Golf Küssnacht am Rigi. Für den Betrieb stehe die Gesundheit von Mensch und Tier im Mittelpunkt. Er stellt klar: Seit Januar 2020 werde auf dem Areal des Golfplatzes kein Chlorothalonil mehr eingesetzt. Schuler betont, dass nicht nachgewiesen sei, dass die Pestizide im Quellwasser überhaupt vom Betrieb des Golfplatzes stammen.

Das sei auch der Grund, weshalb sich der Golfplatz nicht an den Kosten von Otto Müller für den Anschluss ans Wassernetz der Gemeinde beteiligt. Schuler: «Wir sind uns absolut keiner Schuld bewusst und beabsichtigen deshalb auch nicht, irgendwelche Kosten in dieser Angelegenheit zu übernehmen.»

«Keine Mängel festgestellt»

Laut Stefanie Weiss (27), Umwelt- und Energiebeauftragte des Bezirks Küssnacht, wird die Angelegenheit untersucht. «Ich war zusammen mit einer Vertreterin des Kantons vor Ort, um die Sachlage zu erfassen.» Es wurden Proben aus zwei Bachausläufen und vier Quellen genommen. Auch wurde der Golfplatz unangekündigt kontrolliert. Weiss sagt: «Dabei wurden keine Mängel festgestellt.»

Weil es sich bei den betroffenen Grundwasserfassungen um private Quellen ohne entsprechende Schutzzonen handle, entziehe sich die Thematik der Handhabung der öffentlichen Verwaltung.

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Keine rechtsgültigen Grenzwerte

Weiss weist auf die aktuell unklare rechtliche Situation rund um Chlorothalonil hin: «Zurzeit gibt es keinen rechtsgültigen Grenzwert für Chlorothalonil im Trinkwasser, da in dieser Frage ein Bundesgerichtsentscheid noch aussteht.» Entsprechend bestehe momentan auch keine Handhabe für weitere Massnahmen.

Die Verwendung von Chlorothalonil wurde per 1. Januar 2020 verboten. Auf dem Golfplatz in Küssnacht wurden gemäss Weiss seitdem keine Chlorothalonil-haltigen Produkte mehr verwendet.

Langsam ausgewaschen

Sie erklärt: «Es wird davon ausgegangen, dass sich Chlorothalonilreste, beziehungsweise dessen Abbauprodukte, von der vorschriftsgemässen Verwendung in der Vergangenheit im Boden befinden und diese nun mit der Zeit, jedoch sehr langsam, ausgewaschen werden.» Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein Eintrag von benachbarten Betrieben erfolge.

Dass die Abbauprodukte noch Jahre nach dem Einsatz im Quellwasser zu finden sind, ist durchaus plausibel. So stellte etwa das Interkantonale Labor in Schaffhausen fest, dass der Rückgang der Konzentrationen von Chlorothalonil-Abbauprodukten im Grundwasser drei Jahre nach dem Verbot «erwartungsgemäss sehr langsam» vor sich geht. Dort heisst es: «Es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis die Konzentrationen unter 0,1 Mikrogramm pro Liter zu liegen kommen.»

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