Wegen Schlachtbetrieb-Sterben
Zürcher plant mobilen Schlacht-Lastwagen

Wie und wo stirbt das Tier, das bei uns auf dem Teller liegt? Weil immer mehr regionale Schlachthöfe schliessen, müssen Schlachttiere immer längere Transportstrecken zurücklegen. Mit einem Schlacht-Lastwagen soll diese Entwicklung gebremst werden.
Publiziert: 17.07.2024 um 01:03 Uhr
Eric Meili möchte, dass mehr Landwirte ihre Tiere auf dem Hof schlachten können.
Foto: Matthias Kempf
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Matthias KempfReporter Blick

Die Zahlen sind alarmierend. In den vergangenen 20 Jahren ist rund ein Drittel der Schlachtbetriebe verschwunden. Von ursprünglich gut 900 existieren heute noch deren 600. Konsequenzen hat das für Bauern und Fleischproduzenten, die ihre Tiere mit Verletzungen nicht mehr beim nächstgelegenen Schlachthof notschlachten können. Aber auch für die Tiere selbst, die über längere Strecken transportiert werden müssen, um geschlachtet zu werden. 

«Für die Tiere bedeutet dieser Transport Stress», sagt Eric Meili (70), Agronom und Berater beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBl). «Wir haben das wissenschaftlich erhoben und bewiesen, dass das Tier beim Transport bis zu 20 Mal höhere Stresshormonwerte hat», so Meili. Deshalb setzt er sich dafür ein, dass Tiere vermehrt direkt auf ihrem Hof getötet werden können. Hoftötungen sind in der Schweiz seit Sommer 2020 wieder legal. Seither gebe es laut Meili rund 200 Betriebe, die eine Lizenz dafür besitzen. Der Haken: Vom Bolzenschuss bis zur Schlachtung dürfen nicht mehr als 90 Minuten vergehen. Betriebe, die Hoftötungen durchführen wollen, sind auf Schlachthöfe in ihrer Nähe angewiesen, um die vorgegebene Zeit einhalten zu können. 

Schlachten im LKW

Eric Meili will dieses Problem lösen, indem die Schlachtung direkt auf dem Hof realisiert wird. «Wir möchten eine mobile Schachtanlage bauen.» Funktionieren soll diese wie ein kleines Schlachthaus auf Rädern. Ein zweiachsiger Lastwagen fährt auf den Hof und soll bis zu drei Tiere direkt vor Ort schlachten können. «Die Schlachthälften werden direkt in einem Kühlabteil des Lastwagens gelagert und anschliessend zu einem Fleischverarbeiter gebracht.»

Meili ist überzeugt: Damit könne der Nischenmarkt der Hoftötungen populärer und auch attraktiver für Bauern werden. Doch bis es so weit ist, dauert es. «Aktuell sind wir noch im Bewilligungsverfahren», so Meili. Zuversichtlich stimmt ihn, dass erst kürzlich zwei mobile Schlachtanlagen für Geflügel bewilligt wurden. «Ich hoffe, dass wir kommendes Jahr die erste mobile Rinderschlachtung durchführen können.»

Regionale Schlachthöfe retten

Das Thema Tiertransporte und Schlachthof-Sterben treibt aber auch die Politik um. Die Nationalrätinnen Martina Munz (68, SP) und Anna Giacometti (62, FDP) haben eine Motion eingereicht, mit der sie den Bund zur Förderung von regionalen Schlachthöfen bewegen wollen. «Einerseits können damit lange Transporte verhindert werden», so Munz. «Und andererseits kann damit die Wertschöpfung bei den Bauern bleiben, die so die Möglichkeit haben, ihre eigenen Tiere zu schlachten und zu vermarkten.»

Die Meinungen unter Schlachthof-Betreibern sind geteilt. «Ohne Unterstützungen bin ich wohl bald am Ende», sagt ein Thurgauer Metzger, der nicht namentlich erwähnt werden will. Er habe vor ein paar Jahren rund eine halbe Million in seine Schlachtanlage investiert, um sie auf den neusten Stand der Hygienevorschriften und Normen zu bringen. Seitdem kämpfe er gegen das Aus. «Seit Corona kommen weniger Leute. Sie kaufen preisbewusster ein. Und als regionaler Metzger kann ich mit Billig-Preisen nicht mithalten.»

Aufwertung des Metzgerberufs

«Die Konsumentenwünsche haben sich verändert», stellt auch Samuel Helbing (32) fest. Der Jung-Metzger betreibt als Geschäftsführer das Fleischzentrum Klosters-Davos GR und verarbeitet viel Fleisch im Auftrag von regionalen Landwirten, die es dann direkt vermarkten. Er sagt: «Die Haushalte sind kleiner und die Ansprüche an Fleischqualität, -verpackung und -aufmachung grösser geworden.» Das sei aufwendiger. Zudem sei es für bestehende regionale Schlachthäuser schwierig, die gestiegenen Hygiene- und Tierschutzregulierungen baulich zu finanzieren. Trotzdem ist Helbling gegen eine generelle Förderung der Schlachtbetriebe. «Der Staat sollte der Branche helfen, indem das Berufsbild aufgewertet wird, die Betriebe Hilfe bei der Bürokratie erhalten oder Gemeinden private Initiativen unterstützen.» So wie in seinem Fall. «Die Behörden haben den Bau unseres Schlachthauses mitfinanziert, ohne das wäre es kaum möglich gewesen.» Eine Subventionierung nach dem Giesskannenprinzip hält er für verfehlt. 

Doch im Nationalrat war die Zustimmung für das Anliegen gross: Mit 158 Ja- zu 15 Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen wurde die Motion im vergangenen Herbst klar angenommen. Nun muss der Ständerat noch darüber befinden. Das wird voraussichtlich Ende Jahr der Fall sein.

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