Kündigungen, Schikanen, Lügen
Was Frauen mit Kindern auf dem Arbeitsmarkt erleben

In der Schweiz gibt es haufenweise Mütter, die sich durch die BLICK-Berichterstattung über Diskriminierung durch die Arbeitgeber endlich gehört fühlen. Viele brauchten jahrelang, um die Kündigung zu verarbeiten.
Publiziert: 13.02.2019 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2019 um 17:04 Uhr
Konrad Staehelin und Claudia Gnehm

Jeder einzelne Fall zog den betroffenen Familien den Boden unter den Füssen weg, ist eine persönliche Tragödie. Die Mütter hätten, nachdem sie sich von der Geburt erholt hatten, wieder arbeiten wollen. Stattdessen wurde ihnen gekündigt – nur weil sie jetzt ein Kind hatten. Manchmal schon vor der Geburt, meist direkt nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs von 14 Wochen.

Der Arbeitgeber meinte jeweils, durch die Kündigung einen Vorteil herauszuschlagen. Die Masche hat System.

Ruth Götschi (36) aus Bowil BE hat ihre Stelle als Pflegehilfe verloren, weil sie schwanger wurde und nicht mehr 100 Prozent arbeiten wollte.
Foto: Beat Michel
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Diesen Eindruck vermitteln die Dutzenden Schreiben, die BLICK in den letzten Tagen erhalten hat. Von frischgebackenen Müttern, von Vätern von Betroffenen. Und von solchen, deren Kinder inzwischen in die Primarschule gehen, die den Frust über die unfaire Behandlung aber immer noch tief in sich drin haben. Heute schreiben sie: «Es wird Zeit, dass unsere Geschichten endlich erzählt werden!»

Dutzende BLICK-Leserinnen meldeten, dass sie während oder nach ihrer Schwangerschaft unfair behandelt wurden am Arbeitsplatz.
Foto: KEYSTONE/Gaetan Bally
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Ganz viele schreiben aber auch, dass sie nicht mit Namen und Foto im BLICK erscheinen möchten. Oft ist der Grund dafür, dass sie mit dem Ex-Arbeitgeber noch mitten im Rechtsstreit stecken und dadurch ihre Position geschwächt würde.

Kündigung wegen Schwangerschaft
3:06
Nur noch drei Monate Lohn:Kündigung wegen Schwangerschaft

«Wollte mit offenen Karten spielen»

Eine von ihnen ist Hannah Meier* (35), vor der Geburt Versicherungs-Kader in Bern: Sie hatte mit den Chefs schon mündlich eine Teilzeit-Lösung für nach der Geburt  ausgehandelt, als jene entlassen wurden. Als die neuen Bosse einfuhren, waren ihnen die Abmachungen egal. «Es wurde mir ein Arbeitsvertrag vorgelegt, mein neuer Lohn sollte noch die Hälfte des bisherigen betragen. Weder unterschrieb ich, noch kündigte ich. Die Konsequenz einen Tag später: Ich erhielt die Kündigung.»

Eine, die sich zu erkennen gibt, ist dagegen Andrea Suter (33) aus Lenzburg AG. Sie arbeitete im Vollzeitpensum in einem Stadtzürcher Altersheim, als sie 2014 mit Laura schwanger wurde. «Ich musste schon zu Beginn der Schwangerschaft oft krank daheim bleiben, weil mir schlecht wurde. Ich wollte mit offenen Karten spielen und sagte meinen Chefs, dass ich schwanger sei.»

«Immer noch wütend»

Zu Beginn ging das gut, gegen Ende der Schwangerschaft konnte Suter ihr Pensum auf 50 Prozent reduzieren, einen Monat vor der Geburt hörte sie auf zu arbeiten. Vorübergehend – meinte sie damals. «Schon bald nach der Geburt sagte mir meine Chefin, dass ich nur mit einem Vollzeitpensum zurück zur Arbeit kommen könne. Für mich war allerdings völlig klar, dass ich nur Teilzeit arbeiten könnte. Da drängte mich die Chefin dazu, auf das Ende des Mutterschaftsurlaubs hin zu kündigen. Ich war so blöd, dies zu tun.»

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Frauen, die nach Geburt des Kindes weiterarbeiten wollen, müssen immer häufiger davon Abstand nehmen. Die Diskriminierungen wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft nehmen zu.

1. Teil: Firmen ekeln junge Mütter raus

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Heute bereut Suter, dass sie sich dazu drängen liess, selber zu kündigen. So hatte sie es sehr schwer, beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zu Geld zu kommen. «Ich war damals nicht ganz bei mir, litt an einer Wochenbett-Depression.» An einer solchen erkranken nach der Geburt rund 15 Prozent der Mütter. «Ich bin immer noch wütend», sagt Suter. «Aber es geht mir wieder gut. Auch weil ich vor einem Jahr wieder einen tollen Arbeitgeber gefunden habe, bei dem ich im 50-Prozent-Pensum arbeiten kann. Und Hauptsache, Laura geht es gut.»

* Name geändert

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