Die Berner Sängerin Jaël Malli über die Coronakrise
«Die Misere für die Kulturszene ist gigantisch»

Jaël Malli (Ex-Lunik) hat das Corona-Jahr nicht nur für ein neues Album genutzt, sondern auch dazu, sich selber infrage zu stellen. «Ich wurde sehr klar mit mir selber.» Während sie selbst Glück hatte, beurteilt sie die «Misere für die Kulturszene» als «gigantisch».
Publiziert: 07.01.2021 um 01:55 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2021 um 17:00 Uhr
Jean-Claude Galli

Die Berner Sängerin Jaël Malli (41) hat soeben ihr neues Album «Sinfonia» veröffentlicht, welches sie zusammen mit dem Symphonie-Orchester Drouji's Friends Orchestra im August 2020 aufgenommen hatte. Im Gespräch mit BLICK erinnert sie sich an die dunkelsten Momente im letzten Jahr, spricht über ihren Umgang mit der Krise, über ihr Muttersein und die weitere Familienplanung.

Jaël Malli über die Kraft des positiven Denkens:
Ich merkte bei unseren paar Auftritten im letzten Sommer und bei den Aufnahmen zu «Sinfonia», dass ich in diesem Jahr vieles bewusster und noch intensiver erlebt habe. Ich habe deutlicher gespürt, was wichtig für mich ist. Habe viel mehr Zeit mit meinem Sohn Eliah verbracht, besser geschlafen, kleine Dinge, Justierungen in mir drin. Ich hatte seit zehn Jahren Rückenweh und merkte nun endlich, dass es an einem Bandscheibenvorfall liegt. Ich schob das immer vor mir her und bin dann endlich zum Arzt gegangen. Wenn rundherum grosse Veränderungen geschehen, stellt man sich auch selber infrage. Was will ich behalten, was ist nicht nötig? Welche Leute will ich sehen, welche nicht? Ich wurde plötzlich sehr klar mit mir selber.

… über ihren Umgang mit Corona:
Anfangs, im März 2020, hatte ich eine Riesenkrise und das Gefühl, das sei nun wirklich das Ende meiner Karriere. Dann lernte ich, flexibel zu sein, das ist als Künstlerin äusserst hilfreich. Und ich hatte Glück im Unglück: Viele Leute bestellten das Album bereits vor, ich verkaufte Bühnenkleider, stellte Gesuche und bekam staatliche Unterstützung. Dann kam noch die Anfrage zur 3+-Show «Sing meinen Song», welche diesen Frühling gezeigt wird. Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe niemanden verloren und durch meinen Mann Roger ein ganz starkes Auffangnetz. Aber für die Kulturszene allgemein ist die Misere gigantisch. Die, die es am meisten trifft, sind die Job-Musiker und all die Menschen abseits der Bühne, die Techniker, Zulieferer usw.

Die Sängerin Jaël Malli in ihrem Zuhause in Bern.
Foto: Thomas Meier
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… über ihre Rolle als Mutter in Corona-Zeiten:
Ich spreche mit Eliah offen über das Virus, ich finde das nötig und wichtig. Die Sache mit diesen Masken beschäftigt ihn sehr. Mama, warum musst du jetzt wieder eine Maske anziehen? Im ersten Lockdown war er auch fasziniert von den Icons auf den BAG-Plakaten, Abstand halten etc. Er vermisst die Museen, unser Schlechtwetterprogramm, den Bernhardinerhund Barry schauen gehen im Naturhistorischen Museum zum Beispiel.

… über die Talente ihres Sohnes:
Beim Malen ist er ausgesprochen minimalistisch; er macht genau einen Strich und ruft dann: Fertig! Schon als er noch in meinem Bauch war, wusste ich: Das gibt einen Boxer oder einen Drummer. Und jetzt steht da tatsächlich schon ein kleines Schlagzeug zu Hause herum. Er hat wahnsinnig viel Energie. Kaum konnte er laufen, kletterte er überall hinauf, und er ist körperlich sehr geschickt, schlägt Purzelbäume und halbe Saltos aus dem Stand. Er hat auch gerne Musik, singt und tanzt dazu.

… über Familienplanung:
Ich bin 41, der Zug wäre wohl noch nicht abgefahren, aber das grosse Reissen habe ich aktuell nicht. Zwischendurch denke ich jedoch schon, ein Geschwisterchen für Eliah wäre schön. Ihn beschäftigt das auch: Warum haben die anderen eines im Bauch und du nicht? Gerade vor einer Woche fragte er: Wann bekomme ich ein kleines Brüderchen? Ich sagte: Sorry, damit kann ich nicht dienen. Ich bin zufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand. Wahrscheinlich bleibt es bei einem Kind, habe ich jetzt das Gefühl.

… übers neue Album:
«Sinfonia» ist kein Corona-Album, Absicht und Arrangements standen bereits vor der Pandemie fest. Das Orchester war auch schon gebucht, doch wir mussten dann zweimal die Aufnahmen verschieben. Schliesslich fanden sie Ende August statt. Weil die Akustik-Tour ins Wasser fiel und wir das Geld der 35 Shows und aus dem Merchandising für das Album gebraucht hätten, war die Realisierung kurz infrage gestellt. Doch wir nahmen allen Mut zusammen und haben es gewagt.

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