«Auch wenn es sich nicht so anfühlt, das ist eure grösste Chance»
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Laura Bircher über Depression:«Nimm dein Leben selbst in die Hand!»

Schönheitskönigin Laura Bircher über Mobbing, Depressionen und Panikattacken
«Ich ging durch die Hölle und zurück»

Die vielen Leiden von Laura Bircher. So sehr sie äusserlich strahlt, so dunkel sah es zum grössten Teil in ihrem Inneren aus. Ihrem Leben wollte sie ein Ende machen. Nun erzählt sie, wie sie sich von ihren Dämonen befreien konnte.
Publiziert: 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 15:43 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Laura Bircher ist die neue Miss Universe Switzerland
  • Sie kämpfte gegen Mobbing, Depressionen und Panikattacken
  • Die Stanserin traf eine Abmachung mit ihrer inneren Stimme
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Laura Bircher wurde am 28. September im Berner Kursaal zur neuen Miss Universe Switzerland gewählt. Überglücklich ist die Stanserin über den Sieg. Da war sie noch 23 Jahre alt.
Foto: keystone-sda.ch
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Laura Bircher (24) strahlt übers ganze Gesicht, als sie am vorletzten Samstag im Berner Kursaal zur neuen Miss Universe Switzerland gewählt wurde. Die neue Schönheitskönigin aus Stans NW setzte sich gegen 18 Konkurrentinnen durch. Wer die Nidwaldnerin auf dem Siegerinnenbild sieht, ahnt nicht, wie unmöglich ihr einst der Weg schien, je auf einer Bühne zu stehen. Ja, sogar noch am Leben zu sein.

«So lange ich denken kann, war ich eine Einzelgängerin. In der Schule wurde ich gemobbt, weil ich so gross war und abstehende Ohren hatte. Meine Lehrer haben mich in der Klasse blossgestellt. Ich fühlte mich ungesehen und ungehört.» Kaum habe Bircher eine Freundin gehabt, sei sie nach kurzer Zeit durch eine andere ersetzt worden. «Dies zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich war das unsichtbare, ungeliebte Wesen, das man nur sah, um es zu quälen.»

Ihr Nervensystem lief auf Hochtouren

Die Folge: schlechte Noten in der Schule und ein, wie sie sagt, Nervensystem, das geprägt von Versagensangst immer auf Hochtouren lief. «Mein Körper war wie ein einziger Hilferuf, den niemand hörte.» Auch als ihr die Ohren mit zehn Jahren operativ angelegt wurden, habe das Mobbing nicht aufgehört. In der Teenagerzeit kamen Essstörungen dazu. «Ich war mal zu dick, dann zu mager und sportsüchtig.»

Doch sie hielt es aus, machte eine Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin. Kürzlich hängte sie den Job an den Nagel. Laura Bircher will sich jetzt für mentale Gesundheit öffentlich starkmachen. Ausschlaggebend war für sie ein viermonatiger Aufenthalt auf Hawaii vor drei Jahren. Auf der Insel fühlte sie sich zu Hause. Zurück in der Schweiz «habe ich mich tagelang weinend im elf Quadratmeter grossen Zimmer meiner Grosseltern eingeschlossen. Ich litt unter Depressionen, Panikattacken und Suizidgedanken». Weder ihre Familie noch ihre Psychotherapeutin kamen an sie heran. «Meine Therapeutin wollte mich in eine Klinik einweisen, sie fand, ich bräuchte dringend Medikamente. Durch Bekannte, bei denen Medis negative Auswirkungen hatten, wusste ich, dass dies nicht mein Weg ist», so Bircher.

Es war brutal, schlimm und eklig

Sie entschloss sich, den Weg «ganz alleine zu gehen. Es war eine Entscheidung, die ich für mich getroffen habe. Auch wenn mir alle sagten, ich würde dies nie alleine schaffen.» Laura Bircher gab sich jeder einzelnen Situation hin, zwang sich jedes noch so erdrückende Gefühl auszuhalten. «Mein Körper fühlte sich taub an. Die schlimmsten Gedanken und Gefühlte quälten mich.» Dann ist etwas Entscheidendes passiert. «Ich war an dem Punkt, an dem ich mich umbringen wollte. Dann sagte eine Stimme zu mir: Schlaf noch eine Nacht darüber. Wenn du es morgen immer noch tun willst, machen wirs.»

Sie habe einen Deal mit ihrer inneren Stimme gemacht, die für sie wie eine Ratgeberin auf ihrem Heilungsweg war, erklärt Bircher. «Plötzlich habe ich erkannt, dass Depressionen Botschafter sind, die einen darauf hinweisen, mit welcher schmerzlichen Emotion und erlebter Situation man sich aussöhnen muss.» Heute sei sie für jedes dieser Gefühle dankbar, das sie durchlebe. «Anfangs war es brutal, schlimm und eklig. Doch es hat mich mehr und mehr zu meinem Urvertrauen gebracht.»

Laura Bircher setzt auf Urvertrauen

Laura Bircher hat sich mit dem Aushalten ihrer Gefühle, dem Aussöhnen ihrer Geschichte für einen gefährlichen Weg entschieden, «weil ich kein Vorbild, keine Anweisung, gar nichts hatte und ich auch nicht auf das Vertrauen meines Umfeldes verlassen konnte, das in grosser Angst um mich war.» Sie zog Tipps aus dem Internet und aus Wegleitungen eines Workshops, den sie gegen Essstörungen machte. Am Ende half sie sich vor allem selbst.

«Das Unterbewusstsein sagt dir alles, wenn man sich ihm hingibt. Das wichtigste Heilungswort ist für mich Hingabe in jedes Gefühl. Dieses nehmen, verzeihen, hinter sich lassen. Meine Kindheit konnte ich in Liebe gehen lassen. Gott sei Dank habe ich so gelernt, im Hier und Jetzt zu leben». Wenn sie morgens aufwacht, sei die erste Frage, die sie sich stelle: «Gehts mir gut? Brauche ich etwas?», Fragen, die man sonst einem Gegenüber stellt, richtet sie an sich. «Durch dieses Gespräch mit mir selbst, reinige ich meine Emotionen, finde Halt in mir und Vertrauen in mich.»

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Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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Laura Bircher hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, anderen aufzuzeigen, dass sie sich selber helfen können. «Ich bin davon überzeugt. Es braucht nur Mut.» Heute habe sie nicht mehr das Bedürfnis, gesehen zu werden, auch wenn dies durch ihren Schönheitswettbewerbssieg gegeben ist. Für die mentale Gesundheit möchte sich die Stanserin, die seit rund vier Jahren Single ist, auch international starkmachen. Am 16. November wird sie auch am Weltfinale in Mexiko City ihre Botschaft verkünden: «Habt Mut und Urvertrauen, euer Leben selbst zu gestalten und glücklich zu sein. Ich ging durch die Hölle und kam zurück. Wenn ich nur einem Menschen helfen kann, dies nicht zu erleben, wäre dies schöner als jede Krone der Welt.»

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