Untersuchungsergebnisse der RTS-Affäre nächste Woche erwartet
Was passiert, wenn SRG-Marchand zurücktritt?

Am Anfang standen angebliche Verfehlungen des Ex-RTS-Starmoderators Darius Rochebin, die drei externe Untersuchungen zur Folge hatten. Gefährden die Resultate die Karriere von SRG-Direktor Gilles Marchand, dem früheren RTS-Chef? Und was passiert, wenn er zurücktritt?
Publiziert: 11.04.2021 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 17:06 Uhr
Peter Padrutt/Jean-Claude Galli

Ende kommender Woche will der Verwaltungsrat der SRG über die mit Besorgnis erwarteten Ergebnisse dreier externer Untersuchungen informieren. Diese hatte die SRG im letzten November in Auftrag gegeben, nachdem Mobbing- und Sexismusvorwürfe gegen RTS-Starmoderator Darius Rochebin (54) und weitere Exponenten bekannt wurden. Die Causa könnte nun direkt auf SRG-Direktor Gilles Marchand (59) durchschlagen, der in der Zeit der Vorfälle von 2010 bis 2017 Chef des Westschweizer Fernsehens war. Seine weitere Zukunft hängt massgeblich von diesen Ergebnissen und seinem damaligen Wissensstand ab, wie der SonntagsBlick schon im Februar berichtete.

Je nach Inhalt und Konsequenzen wäre sogar sein Rücktritt möglich, was weitreichende Veränderungen an der Spitze von SRG und SRF zur Folge hätte. Die amtierende SRF-Direktorin Nathalie Wappler (53) ist gleichzeitig auch Marchands Stellvertreterin. Würde sie im Fall seines Rücktritts den SRG-Direktorenposten übernehmen wollen?

Szenario: Nathalie Wappler übernimmt Doppelfunktion

Dass dieses Szenario nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen Planspiele hinter den Kulissen. Wappler wird sich den Entscheid gut überlegen, zumal ihre Führungsaufgabe bei der SRG nur eine Interimslösung wäre. Sie müsste sich später dem bei der SRG üblichen langwierigen Wahlverfahren stellen. Ohne Garantien, dass sie den Posten auch bekommt, wäre ein Wechsel für sie wohl riskant.

Noch im Amt: SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. Kann er bleiben?
Foto: Thomas Meier
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Insider nehmen daher eher an, dass Nathalie Wappler beide Funktionen – jene als TV-Direktorin und jene als SRG-Chefin – in einer Doppelfunktion ausüben würde. Zu ihrer Entlastung könnte sie gewisse Bereiche vorübergehend an ihre Abteilungsleiter abgeben. Infrage kämen Kulturchefin Susanne Wille (46) oder Chefredaktor Tristan Brenn (55) – beide verfügen über Führungserfahrung und kennen den Betrieb von innen. Ebenso ein Thema wären in diesem Fall Stefano Semeria (54, Abteilungsleiter Distribution), Gert von Manteuffel (53, Abteilungsleiter Digital) und der soeben zum neuen Unterhaltungschef gewählte Reto Peritz (48).

Lösung ohne Wappler

Und was wäre, wenn Nathalie Wappler gänzlich darauf verzichten würde, für Marchand in die Bresche zu springen? Als interimistische Lösung wäre Bakel Walden (46), Direktor Entwicklung und Angebot bei der SRG, ein valabler Kandidat. Im Gespräch ist auch Ladina Heimgartner (41), bis Ende 2019 Direktorin von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) und Marchands Stellvertreterin bei der SRG. 2020 wechselte sie zu Ringier, wo sie seit Oktober 2020 Head of Global Media der Ringier AG und CEO der Blick-Gruppe ist. Sie könnte wieder Ruhe in die von Skandalen geplagte SRG bringen. Bei ihr ist aber ebenfalls fraglich, ob sie ihre Position bei Ringier für eine Übergangslösung aufgeben würde. Auch sie müsste sich dem komplizierten SRG-Wahlverfahren stellen, um definitiv Direktorin werden zu können.

Dass es sich bei den Vorwürfen gegen Rochebin und andere RTS-Leute nicht nur um Bagatellfälle handelt, zeigen schon die Ernsthaftigkeit, mit der die SRG nach Bekanntwerden der Affäre im Bemühen um eine lückenlose Aufklärung an die Sache heranging, und die Akribie der in Auftrag gegebenen externen Untersuchungen. Nebst der ersten Aufarbeitung der eigentlichen Vorwürfe beleuchtete eine zweite die Verantwortungskette bei RTS. Die dritte nahm die Instrumente unter die Lupe, die den SRG-Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, um Verstösse gegen die persönliche Integrität zu melden.

Langwierige Expertisen lassen weitere Vorfälle erwarten

Ein weiteres Indiz für die Tragweite: Die Ergebnisse hätten bereits Ende Januar vorliegen sollen. Doch die Fachleute erbaten sich mehr Zeit für ihre Expertisen, was auf ein grösseres Volumen hindeutet. Bei der speziellen Whistleblower-Hotline, die für die RTS-Mitarbeitenden bis 15. Januar geöffnet war, haben sich laut SRG weit über 200 Personen mit diversen Anliegen gemeldet. Jene Anwälte, die mutmassliche Vorfälle bei Radiotelevisione Svizzera (RSI) abklärten, wünschten sich ebenfalls eine Fristerstreckung. Welche Konsequenzen sich aus den Untersuchungen ergeben und ob sie personelle Auswirkungen auf die SRG- und SRF-Spitze haben, wird sich nächste Woche zeigen.

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