Das ist der Trailer zu «Old Enough»
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Neue Netflix-Serie:Das ist der Trailer zu «Old Enough»

«Das ist verantwortungslos!»
Kinderpsychologin warnt vor Netflix-Serie «Old Enough»

Auf Netflix sorgt aktuell die japanische Serie «Old Enough» für Furore, in der Kleinkinder allein zum Einkaufen geschickt werden. Kinderpsychologin Christina Häberlin findet deutliche Worte für das Format.
Publiziert: 25.04.2022 um 16:49 Uhr
Berit-Silja Gründlers

Der zweijährige Bub Hiroki zieht mit Quitscheschuhen alleine los, um von seinem Zuhause über einen Kilometer zum Supermarkt zu laufen und dort drei Dinge einzukaufen. Im Gepäck: ein Fähnchen, das die Autos warnen soll, etwas zu trinken und eine kleine Geldbörse.

Mama gibt ihrem Zwerg genaue Instruktionen. Hiroki soll Blumen für die verstorbene Grossmutter, ein Fertiggericht für Papa und Fleisch für den Znacht einkaufen. Glaubt man den Machern von «Old Enough», dem Serienhit aus Japan, der nun auf Netflix zu sehen ist, marschiert der Zweijährige ohne erwachsene Unterstützung los. Kinderpsychologin Christina Häberlin von der Eltern- und Kinderberatungsstelle Pinocchio in Zürich hat grösste Zweifel an der Echtheit der Serie.

«Das darf man auf keinen Fall nachmachen»

«Das ist totaler Quatsch. Das kann kein Kind in dem Alter alleine bewerkstelligen. Der Kleine würde nicht einmal so weit weg von Zuhause ohne seine Mutter gehen und wenn, dann würde er sicher sehr schnell anfangen zu weinen», sagt die Fachpsychologin für Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychologie.

Hiroki ist in der Netflix-Serie «Old Enough» das erste Kleinkind, das von den Produzenten und seinen Eltern losgeschickt wird, um ganz alleine Einkäufe zu erledigen.
Foto: Netflix
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Viel schlimmer aber als das sei die Verantwortungslosigkeit der Produktion. «Es ist so gefährlich, wenn Eltern das sehen, glauben, auch ihr Kleinkind wäre so schlau und so etwas ausprobieren. Das darf man auf keinen Fall nachmachen.» Der kleine Hiroki, läuft denn auch entlang einer Schnellstrasse neben einem Bus her, überquert selbige und betritt den Supermarkt. «Kinder in dem Alter kann man nicht alleine im Strassenverkehr lassen. Das ist verantwortungslos», sagt Häberlin zu diesen Bildern.

«Seine Hirnwindungen sind noch verwirrt»

Hirokis Ausflug wird vermeintlich lustig kommentiert. Als er zum Beispiel einem Polizeiauto begeistert «Ambulanz!» zuruft, meint der Sprecher: «Seine zweijährigen Hirnwindungen sind noch zu verwirrt, um die Polizei zu erkennen.» Nach einem aufregenden Einkauf, den Hiroki mit Bravour meistert, schleppt sich das Kind, sichtlich erschöpft, mit einer Schnuddernase die 1000 Meter heim zu seiner Mutter. Die Blumen fürs Grosi schleift er auf der Erde hinter sich her und die Kamera hält darauf.

«Man macht sich da sehr lächerlich über die Kinder. Ich würde das bei meinem Kind nicht so wollen und würde es schützen wollen», sagt Christina Häberlin. «Der Junge hier wird gezeigt wie eine Comic-Figur. Und er kann sich nicht dazu äussern, ob er das möchte oder nicht.»

«Kinder lernen davon gar nichts»

Das Verhalten der Eltern in der Serie findet die Fachpsychologin kalt und nicht nachhaltig. «Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Kinder bei solchen Aufgaben gar nichts Nachhaltiges lernen und auf keinen Fall daran wachsen. Sie sind mit solchen Aufgaben nur überfordert.»

Christina Häberlin legt noch einmal nach. «Mir ist wirklich wichtig, dass Zuschauer sich bewusst sind, dass man das auf keinen Fall nachmachen darf! Besonders, weil ich mir sicher bin, dass die Serie gestellt ist.»

Christina Häberlin

Christina Häberlin ist Fachpsychologin für Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychologie und arbeitet seit 2010 an der Beratungsstelle für Eltern und Kinder «Pinocchio» in Zürich. Sie hat Berufserfahrung als Schulpsychologin, in der Entwicklungszusammenarbeit und in Kinderschutzprojekten im Ausland. Christina Häberlin ist Mutter von drei Kindern.

zVg

Christina Häberlin ist Fachpsychologin für Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychologie und arbeitet seit 2010 an der Beratungsstelle für Eltern und Kinder «Pinocchio» in Zürich. Sie hat Berufserfahrung als Schulpsychologin, in der Entwicklungszusammenarbeit und in Kinderschutzprojekten im Ausland. Christina Häberlin ist Mutter von drei Kindern.

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