Krimikolumne
Auch ganz unten kann man viel verlieren

Schlimmer kanns nicht werden, denkt sich im heutigen Wiener «Tatort» eine junge Mutter, die mit ihrem Sohn obdachlos geworden ist. Aber: es kann.
Publiziert: 20.12.2020 um 18:30 Uhr
Silvia Tschui

Ich habe die 50-Jahr-«Tatort»-Jubiläums-Mafia-Doppelfolge in den Himmel gelobt – und es hat mich ein erboster Leserbrief erreicht: So ein brutaler Film sei nichts für den Sonntagabend, und meine fünf Maximal-Punkte seien unverständlich. Je nach Gemüt stimmt das natürlich – vielleicht gibts in Zukunft eine Warnung vor exzessiver Brutalität. Schwierig dabei: Das Empfinden, was nun noch drinliegt und was nicht, ist subjektiv. Was einem nahegeht und was nicht, liegt vielleicht auch daran, in welcher Lebenswelt man sich gerade befindet und welche Erfahrungen man bis anhin gemacht hat (nicht dass ich besagtem Leserbriefschreiber jetzt eine Mafia-Vergangenheit unterstellen will!).

Erster Eindruck: Herzzerreissende Schicksalsgeschichte …

Bestes Beispiel dafür: Der heute «Tatort» mit einem meiner Lieblingsteams – dem Eisner und der Bibi aus Wien – klemmt mir bereits in der ersten Szene das Herz ab. Eine junge Mutter steht mit ihrem ungefähr zehnjährigen Sohn auf dem Sozialamt. Sie ist obdachlos und braucht eine sofortige Lösung. Als Mutter eines Neunjährigen denke ich, genauso wie letzthin der Leserbriefschreiber: Muss ich mir das am Sonntagabend wirklich antun? Obdachlosenelend eines Kindes? Bitte nicht!

… mit unerwarteter Wendung

Zum Glück nimmt die Geschichte einen unerwarteten Lauf, und das Schicksal der jungen Mutter und ihres Sohnes nimmt erst am Ende der verzwackten Geschichte Fahrt auf. Man kann also getrost Entwarnung geben: Die spannende Folge um einen Sozialarbeiter, Drogen, eine Ärztin, das Milieu und grosse Geschäfte ist letztendlich sogar einigermassen Mami-tauglich.

Autorin Silvia Tschui dachte zuerst, sie könne diese Folge nicht aushalten. Konnte sie dann doch.
Foto: Simone Pengel
1/7

Tatort: «Unten», 20.15, Das Erste
Wertung: Vier von fünf

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