Haben Sie jemals in einer Gross-WG gewohnt? Ich schon, lang ists her (Gott sei Dank). Zum Glück war die makrobiotisch feinstofflich schwingende Therapeutenfraktion in meiner damaligen WG nicht so stark vertreten wie im heutigen Stuttgarter «Tatort». Aber die vielen Konflikte, die sich aus nahem Zusammenleben ergeben, ähnelten trotzdem denen, die in dieser Folge abgebildet werden.
Eine Gruppendynamik, die am Rad dreht
Lannert und Bootz werden zu einer frisch etablierten Hausgemeinschaft gerufen. Da der Keller undicht ist, musste eine Stelle aussen am Neubau aufgegraben werden – eine weibliche Leiche kommt zum Vorschein. In der Folge drehen die Hausgemeinschaftler am Rad. Wilde Verdächtigungen machen die Runde, bald wird ohne jeden Beweis entschieden, wer das Opfer sein muss: eine gewisse Beverley, die Anwärterin auf Mitgliedschaft war, allen den Kopf verdrehte und dann spurlos verschwand. Während die einen eine «Aura» wahrnehmen und insistieren, Beverley sei noch am Leben, organisieren andere eine Trauerfeier. Und eine dritte Fraktion übt Selbstjustiz und geht schon mal den sofort ausgemachten Täter verprügeln.
Die Kommissare sind hoffnungslos überfordert
Lannert und Bootz hinken all den Entwicklungen hoffnungslos hinterher. Alles ist aber anders, als es scheint – und alle, aber auch wirklich alle in dieser «Lebensgemeinschaft» sind unerträglich und nervtötend und darum für den Zuschauer extrem amüsant. Mehr komödiantische Sozialmilieu- und Gruppendynamik-Studie denn Kriminalfall ist die Folge deshalb trotzdem äusserst sehenswert. Ich zumindest fühlte mich von einem «Tatort» selten so gut unterhalten.
«Tatort»: «Das ist unser Haus», SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Viereinhalb von fünf
