Das musst du zur AHV-Abstimmung wissen
Höhere Rente? Länger arbeiten?

Am 3. März kommen gleich zwei AHV-Initiativen vors Volk. Doch diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Die eine will höhere Renten, die andere ein höheres Rentenalter. Blick klärt die wichtigsten Fragen zu den beiden Begehren.
Publiziert: 02.03.2024 um 15:40 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2024 um 15:41 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Am 3. März kommt es zum grossen Renten-Showdown an der Urne. Dann entscheidet das Stimmvolk gleich über zwei AHV-Initiativen: einerseits über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Andererseits über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen. Blick erklärt, was du über die beiden Volksbegehren wissen musst.

Was wollen die beiden Initiativen?

Die Volksinitiative der Gewerkschaften «für ein besseres Leben im Alter» verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente. Bei einem Ja gibt es zu den bisherigen zwölf Monatsrenten quasi einen 13. Monatslohn für Seniorinnen und Senioren hinzu. Bei einer vollen Rente entspricht dies für Einzelpersonen einem Zustupf von derzeit mindestens 1225 Franken bis maximal 2450 Franken jährlich. Ehepaare erhalten bis zu 3675 Franken zusätzlich. Wichtig dabei: Die Ergänzungsleistungen dürfen deswegen nicht gekürzt werden.

Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter erhöhen. Zuerst soll es bis 2033 schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen, und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate rauf – auf 67, 68 oder mehr. Automatisch.

Am 3. März stellt das Stimmvolk die Weichen für unsere Renten. Gleich zwei Volksinitiativen kommen an die Urne.
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Was kostet es? Und wer bezahlt?

Dieses Jahr rechnet der Bund mit AHV-Ausgaben von gut 50 Milliarden Franken. Mit einer 13. AHV-Rente würde sich der Budgetposten ab 2026 um einen Zwölftel beziehungsweise 8,3 Prozent erhöhen. Für die AHV werden also 4,2 Milliarden Franken zusätzlich benötigt. Da nun die Babyboomer-Generation in Rente kommt, würden 2030 etwa 5 Milliarden Franken zusätzlich nötig.

In den nächsten Jahren reicht das Geld in der AHV-Kasse dafür aus, auch dank dem höheren Frauenrentenalter und der höheren Mehrwertsteuer. Zudem zahlt auch der Bund mehr, wenn die Ausgaben steigen – er übernimmt fix rund einen Fünftel der Kosten.

Trotzdem braucht es mittelfristig eine Zusatzfinanzierung. Wie das geschehen soll, lassen die Initianten bewusst offen. Doch es gibt zahlreiche Ideen. Zum Beispiel über höhere Lohnprozente, was rund 0,8 Prozentpunkte – je 0,4 für Arbeitgeber und Arbeitnehmer – ausmachen würde. Diese könnten auch von den Pensionskassen in die AHV verschoben werden. Möglich wäre auch eine höhere Mehrwertsteuer, wofür 1 Zusatzprozent nötig wäre. Denkbar wäre ebenso eine Finanztransaktionssteuer oder eine Erbschaftssteuer zugunsten der AHV. Oder Nationalbankgeld, sobald diese wieder ausserordentliche Gewinne schreibt.

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Die Renten-Initiative des Jungfreisinns hingegen kostet finanziell nichts, ausser mehr Arbeitszeit. Finanziell würde die AHV-Kasse dadurch aber entlastet. Im Jahr 2030 beispielsweise um gut 1 Milliarde Franken.

Wie sozial ist eine 13. AHV-Rente?

Die AHV ist das eigentliche Herzstück unseres Sozialstaats. Das hat mit seinem Finanzierungsmechanismus zu tun. Einerseits werden die AHV-Beiträge von aktuell 8,7 Prozent je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden bezahlt. Andererseits fällt die AHV auf dem ganzen Lohn an: Der Einkommensmillionär zahlt also deutlich mehr als die Kleinverdienerin – die Rente ist für beide aber auf maximal 2450 Franken monatlich begrenzt. Das hat zur Folge, dass rund 90 Prozent der AHV-Rentnerinnen und -Rentner unter dem Strich mehr aus der AHV erhalten als sie je eingezahlt haben.

Wie sozial eine 13. AHV-Rente wäre, hängt von deren Finanzierung ab. Erfolgt diese beispielsweise über Lohnprozente, wäre das sozial, da hohe Einkommen massiv mehr zahlen als Niedriglöhner. Weniger sozial wäre eine höhere Mehrwertsteuer, da sie tiefere Einkommen verhältnismässig stärker belastet.

Ist die 13. AHV-Rente ein Novum?

Nein, es gibt bereits Staaten, welche eine 13. oder sogar 14. Altersrente kennen. Das naheliegendeste Beispiel für die Schweiz ist dabei Liechtenstein. Im Ländle heisst der Zustupf offiziell «Weihnachtsgeld» und wird jeweils anfangs Dezember ausbezahlt. Eingeführt wurde das Weihnachtsgeld schon 1992 und startete mit einer zusätzlichen Zahlung von 25 Prozent auf die Dezemberrente. 1994 wurde es auf 50 Prozent und 1998 auf 100 Prozent der Dezemberrente erhöht.

Auch einige Schweizer haben Anspruch auf eine 13. AHV-Rente aus dem Nachbarland. «13 Prozent der ausbezahlten Beträge gehen in die Schweiz», heisst es bei den zuständigen Behörden.

Liechtenstein ist nicht der einzige Staat, der eine Zusatzrente kennt, wie sie die Initiative fordert. In Österreich und Portugal erhalten Rentner 14 Auszahlungen, wie der Gewerkschaftsbund in einer Zusammenstellung festhält. Und auch Italien kennt 13 Monatsrenten sowie bis zu einer gesetzlich festgelegten Einkommensgrenze eine zusätzliche 14. Monatsrente – die «somma aggiuntiva». Die Höhe dieser «zusätzlichen Summe» ist abhängig von den geleisteten Beitragsjahren.

In Dänemark wird schliesslich armen Rentnerinnen und Rentnern, die kaum über liquide Ersparnisse verfügen, einmal jährlich eine bedürftigkeitsabhängige Rentenleistung ausbezahlt. «Diese ist etwas höher als eine Monatsrente», heisst es im Papier.

Wo arbeiten die Menschen bereits länger als 65?

Arbeiten über 65 hinaus? Ja, auch das gibt es in zahlreichen Ländern schon. Einige Länder kennen gar bereits einen mehr oder weniger automatischen Anpassungsmechanismus, über welchen das Rentenalter direkt an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Dazu zählen Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, die Niederlande, Portugal und Schweden, wie ein Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigt.

In Italien beispielsweise wurde das Rentenalter seit 2012 von 60 auf heute 67 Jahre erhöht. In den Niederlanden lag das Rentenalter 2022 bei 66 Jahren und sieben Monaten und wird nun schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Ab 2026 gilt auch in Schweden Rentenalter 67. Und in Dänemark dürfte das Rentenalter 2030 von heute 67 auf 68 Jahre erhöht werden, 2035 gar auf 69.

Es geht aber nicht immer nur rauf, wie das Beispiel Portugal zeigt: Von 2014 bis 2022 wurde das Rentenalter von 66 Jahren auf 66 Jahre und sieben Monate zwar erhöht, aber letztes Jahr wieder um drei Monate gesenkt.

Wer ist dafür und wer dagegen?

Für die 13. AHV-Rente sind neben den Gewerkschaften auch die SP und die Grünen. Ihr Hauptargument: Die Zusatz-Rente stärkt gerade in Zeiten von steigenden Mieten, Krankenkassenprämien und allgemeiner Teuerung die Kaufkraft aller Seniorinnen und Senioren. Dies auch als Ausgleich zu sinkenden Pensionskassen-Renten, auf welchen es meist keinen Teuerungsausgleich gibt.

Das Anliegen kommt daher bis weit ins bürgerliche Lager an. Zwar lehnen FDP, Mitte und GLP die Initiative ab. Und auch die SVP tritt gegen das Anliegen an. Doch gerade in der SVP-Basis geniesst die 13. AHV-Rente durchaus Sympathien. So haben die Genfer und jurassische Kantonalpartei die Ja-Parole beschlossen, die Unterwalliser und die Tessiner SVP Stimmfreigabe.

Gemäss jüngsten Umfragen hat die Initiative reelle Chancen beim Stimmvolk. Gemäss der zweiten SRG-Trendumfrage wollen 53 Prozent Ja stimmen. Allerdings muss die Initiative für einen Erfolg auch das Ständemehr knacken. 

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Auf grösseren Widerstand stösst die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen. Vehement bekämpft wird sie von Gewerkschaften und Linken. Aber auch Mitte und GLP stellen sich dagegen.

Für die Befürworter hingegen ist klar: Sie wollen die AHV nicht über Zusatzeinnahmen, sondern ein höheres Rentenalter sichern. «Die Zahlen zeigen, dass wir sehenden Auges in eine demografische Sturmflut mit gigantischen Kostenfolgen laufen», wirbt Jungfreisinnigen-Präsident Matthias Müller (31) für ein Ja. Neben der Jungpartei engagieren sich auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Versicherungsverband sowie die Mutterpartei FDP als auch die SVP für das Anliegen.

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