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AHV, Armee und jetzt das Milliarden-Sparpaket
In Bern geht es schlimmer zu als auf dem Basar

Milliarden für die Armeeaufrüstung beschaffen, irgendwie die 13. AHV finanzieren und jetzt auch noch das Sparpaket des Bundesrates: Das Parlament ist gerade ziemlich gefordert – oder sogar überfordert? Der Blick-Kommentar zu den aktuellen Finanzierungsdebatten.
Publiziert: 20.09.2024 um 18:02 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2024 um 13:25 Uhr
Der Bund hat ein neues Sparpaket vorgestellt – eine Herausforderung für das Parlament.
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Rolf CavalliStv. Chief Content Officer

Unübersichtlich, unberechenbar und laut wie auf dem Basar geht es in der Schweizer Politik derzeit zu. Der Streit um die Finanzierung der Armee und der AHV geben einen Vorgeschmack darauf, was uns blüht, wenn das nun vorliegende Milliarden-Sparpaket des Bundesrates ins Parlament kommt.

Basar bei der 13. AHV

Das Volk hat sie beschlossen, nur wer soll die 13. AHV bezahlen? Im Angebot: Lohnabzug, Mehrwertsteuer, beides kombiniert, Rentenalter-Erhöhung, AHV-Fonds. Der Antrag des Bundesrates, den Zusatzbatzen für Rentner allein über 0,7 Prozent mehr Mehrwertsteuer zu berappen, ist nicht mehrheitsfähig. Prognose: Eine tragfähige Lösung zeichnet sich nicht ab.

Basar bei der Armeeaufrüstung

Eine grosse Mehrheit im Parlament wäre sich einig: Die Armee braucht mehr Geld. Nur, woher nehmen? Den Fantasien waren in den letzten Wochen keine Grenzen gesetzt. Nun hat der Nationalrat am Donnerstag (vorläufig) entschieden – und es sich einfach gemacht: 4 Milliarden Franken mehr bis 2030 sollen es sein – und zwar auf Kosten der Kantone und der Entwicklungshilfe. Widerstand ist programmiert. Prognose: Zeigt sich die bürgerliche Mehrheit nicht doch noch kompromissbereit, müssen unsere Soldaten noch länger auf Munition und Socken warten.

Basar droht auch beim Sparpaket

4,5 Milliarden Franken pro Jahr will der Bundesrat bis 2030 einsparen. Das klingt nach viel. Aber: Trotz des dicken Rotstifts wachsen die Bundesausgaben in den nächsten Jahren von 80 auf 96 Milliarden Franken an. Ein Staat funktioniert nicht wie eine Firma, aber es ist wichtig, dass auch er sein Budget im Griff hat. Die Alternativen wären Steuererhöhungen auf Kosten des Mittelstands oder eine Schuldenwirtschaft wie in Frankreich; dort gehen mittlerweile mehr Steuergelder für Schuldzinsen drauf als für die Landesverteidigung.

Das vorliegende Sparpaket ist über weite Strecken ausgewogen: Es trifft die Bundesverwaltung genauso wie die Kantone. Auch heikle Kürzungen wie beim Klimaschutz oder bei Kitas sind bei genauerem Hinsehen grösstenteils kein Abbau, sondern ein Verzicht auf Ausbau oder eine Verlagerung der Finanzierung.

Trotzdem bietet das Massnahmenpaket grosse Angriffsflächen. Die rund 40 nötigen Gesetzesänderungen sind geradezu eine Einladung für die einzelnen Parlamentarier, herauszunehmen und zu zerpflücken, was ihnen nicht passt.

Was sogar auf dem Basar besser funktioniert

Die Bürgerlichen hätten eine solide Mehrheit, um das Sparpaket des bürgerlich dominierten Bundesrates abzusegnen. Doch die jüngsten Erfahrungen zeigen: Wenn es drauf ankommt, ist den Lobbyisten das eigene Hemd näher als die Staatsräson.

Und die Linken? Bei Rentenfragen sind sie eine Macht und zählen darum wohl bei der BVG-Abstimmung vom Sonntag zu den Gewinnern. Aber sonst liefern sie derzeit kaum mehrheitsfähige Angebote. Sie schreien Zeter und Mordio bei jedem noch so bescheidenen Sparvorschlag und sehen gleich das Fundament des Sozialstaats angegriffen. Das nutzt sich ab. Und vor allem: Es nützt nichts.

Vielleicht hinkt der Vergleich mit dem Basar ja. Dort ist neben Feilschen und Taktieren nämlich auch ein Plan und letztlich Kompromissbereitschaft gefragt. Von beidem ist unser Parlament, links bis rechts, zurzeit weit entfernt.

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