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Auch auf Kosten der Entwicklungshilfe
Nationalrat will nochmals vier Milliarden mehr für die Armee

Der Nationalrat will die um vier Milliarden Franken höheren Armeeausgaben über einen tieferen Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer und Sparmassnahmen gegenfinanzieren. Das hat er am Donnerstag mit den Stimmen von SVP, FDP und einem Teil der Mitte entschieden.
Publiziert: 19.09.2024 um 12:34 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2024 um 16:48 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Nationalrat erhöht Militärausgaben nach heftiger Debatte
  • Linke kritisiert Kürzungen bei Entwicklungshilfe zugunsten der Armee
  • Woher das Geld kommen soll, bleibt umstritten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Zwischendurch wurde die Monster-Debatte zur Armeefinanzierung im Nationalrat richtig gehässig. Mit Händen und Füssen wehrte sich die Linke dagegen, dass höhere Militärausgaben mit drastischen Streichungen bei der Entwicklungshilfe und damit auf Kosten der Ärmsten gehen. Dass SP-Nationalrat Fabian Molina (34) die Armee als «Trachtenverein» bezeichnete, sorgte bei Bürgerlichen für Empörung. Die Gemüter aber haben sich rasch wieder beruhigt, schliesslich konnte sich die bürgerliche Mehrheit im Rat praktisch auf ganzer Linie durchsetzen.

Wie bereits zuvor der Ständerat will auch der Nationalrat der Armee nochmals mehr Geld zuschanzen. Entgegen dem Antrag des Bundesrats erhöhte er am Donnerstag den Zahlungsrahmen für die kommenden vier Jahre um vier Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken. Mehrere Kürzungsanträge blieben chancenlos.

Auch Kantone sollen bluten

Das zusätzliche Geld muss nun aber andernorts wieder eingespart werden. Zur Gegenfinanzierung sieht die bürgerliche Mehrheit unter anderem vor, den Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer zu senken.

Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat will nochmals mehr Geld für die Armee – und folgt damit dem Ständerat.
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Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren zeigt sich darüber nicht erfreut: Sie stuft den Entscheid als hochproblematisch ein. Das Geld, das die Kantone aus der direkten Bundessteuer erhielten, sei eine zweckgebundene Einnahmequelle. Ein Abrücken vom bestehenden Kantonsanteil bewirke ein Ungleichgewicht zu Lasten der Kantone, teilt die Konferenz auf Anfrage der Nachrichtenagentur «Keystone-SDA» mit.

Weiter will das Parlament bei der Entwicklungshilfe und beim Bundespersonal Ausgaben kürzen. Einsparungen sollen zudem durch Effizienzsteigerungen bei der Gruppe Verteidigung der Armee und beim Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) erreicht werden.

Irritiert zeigt sich der Hilfswerk-Dachverband Alliance Sud. Mit seinem Entscheid verkenne der Nationalrat, dass die internationale Zusammenarbeit zu einer ganzheitlichen Sicherheitspolitik zähle. «Die Finanzierung der Armee auf Kosten der internationalen Zusammenarbeit unterminiert die humanitäre Tradition der Schweiz. Es ist auch sicherheitspolitisch kurzsichtig, die Feuerwehr auf Kosten von Brandschutzmassnahmen zu stärken», sagt Geschäftsleiter Andreas Missbach.

Mehrfaches Hin und Her

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor über zwei Jahren ringt das Parlament um die Aufrüstung der Armee. Das Parlament wollte das Militärbudget daher bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erhöhen. Der Bundesrat dagegen ist wegen klammer Finanzen für ein langsameres Wachstum bis 2035. Das Parlament wiederum war erst einverstanden – überlegte es sich dann aber doch wieder anders.

Spontan beschloss der Ständerat im Juni, wieder auf Plan A umzuschwenken – und erhöhte den Zahlungsrahmen auf 29,8 Milliarden Franken. Und er beschloss damals auch gleich, wie das Ganze finanziert werden soll: Gleich die Hälfte der Gelder sollte bei der Entwicklungshilfe zusammengestrichen werden. Mittlerweile aber ist der Ständerat wieder zurückgekrebst. Auf drastische Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit will er nun doch verzichten. Der Entscheid sei ein «Hüftschuss» gewesen, wurde eingeräumt. Eine Hüst-und-Hott-Politik!

Das hindert die Politiker nicht daran, immer wieder neue – mehr oder wenige aussichtslose – Vorschläge vorzubringen: So schlägt die SVP vor, in der Schweiz wohnhafte ausländische Männer zu einer Wehrpflichtersatzabgabe zu verpflichten – wie Schweizer Männer, die keinen Dienst leisten. Und der Ständerat prüft ein zusätzliches «Sicherheitsprozent» bei der Mehrwertsteuer, was vor dem Volk einen harten Stand haben dürfte, soll doch die Mehrwertsteuer schon für die 13. AHV angehoben werden.

Finanzierung auf Pump ist gescheitert

Vom Tisch ist hingegen die Schaffung eines Fonds, für den auch Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) geweibelt und damit sogar die eigenen Bundesratskollegen irritiert hatte. Dieser sollte mit 10 Milliarden Franken aus Tresoreriedarlehen gespeist werden und bis 2035 bestehen. Bis 2045 hätten die Darlehen aus dem ordentlichen Budget der Armee zurückbezahlt werden sollen.

Ins Parlament eingebracht hatte den Vorschlag Amherds Parteikollege Martin Candinas (44). Er sollte eine mit der Schuldenbremse konforme Gegenfinanzierung ermöglichen. Letztlich scheiterte der Fonds, weil die Mitte-Fraktion mehrheitlich umschwenkte und im Gegensatz zur Ratslinken und der GLP gegen die Idee stimmte.

Wenig bestritten waren die übrigen Bundesbeschlüsse der Armeebotschaft 2024, also die Beschaffung von neuem Armeematerial, die Erhöhung des Rüstungskredits um 660 Millionen Franken für die bodengestützte Luftabwehr sowie das Immobilienprogramm VBS. Einzelne Kürzungsanträge von links scheiterten an der bürgerlichen Phalanx. Die Vorlage geht nun wieder zurück an den Ständerat.

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