Asylgesetz anpassen
Schweiz soll auch russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen

Russische Kriegsdienstverweigerer sind zu Zehntausenden vor dem Ukraine-Krieg geflohen. In der Schweiz haben sie allerdings kaum Chancen, Schutz vor dem Kreml zu erhalten. Das soll sich ändern.
Publiziert: 22.12.2022 um 10:21 Uhr

Sie haben zu Zehntausenden Russland verlassen. Seit Machthaber Wladimir Putin (70) im September die Teilmobilisierung ausgerufen hat, fliehen Männer von jung bis alt, um nicht im Ukraine-Krieg ihr Leben zu lassen. Wer erwischt wird, dem drohen drakonische Strafen.

Während sich Deutschland für die Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer offen gezeigt hat, ist der Bundesrat deutlich zurückhaltender. Zwar könnten diese bei einer Schweizer Vertretung ein Visum aus humanitären Gründen beantragen, die Erfolgschancen seien aber äusserst gering – auch während des tobenden Ukraine-Kriegs.

Asyl-Möglichkeiten sollen erweitert werden

Betroffene müssten sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend nötig macht und die Erteilung eines Einreisevisums rechtfertigt. Sie müssten in ihrem Herkunftsland «ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet» sein.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat im September eine Teilmobilmachung der Streitkräfte angeordnet.
Foto: IMAGO/SNA
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Das will die Zürcher SP-Nationalrätin Céline Widmer (44) so nicht hinnehmen. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern von Mitte-Links fordert sie den Bundesrat auf, das Asylgesetz anzupassen. Kriegsdienstverweigerung dürfe als Asylgrund nicht mehr ausgeschlossen sein, «wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die betroffene Person an Kriegsverbrechen teilnehmen müsste».

Gefahr von Kriegsverbrechen sei gross

Und gerade im Ukraine-Krieg sei hier die Gefahr gross. «Es gibt erdrückende Hinweise darauf, dass Russlands Kriegsführung in Butscha, Mariupol und unzähligen anderen Orten den Tatbestand von Kriegsverbrechen erfüllt», betont Widmer in ihrem Vorstoss. Es sei daher besonders stossend, dass nach dem heutigen Asylgesetz auch Personen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit an solchen Kriegsverbrechen teilnehmen müssten, in der Schweiz nicht geschützt seien.

Beispielsweise in Deutschland gelten hier eben andere Regeln. So habe der Europäische Gerichtshof 2015 festgehalten, dass ein Dienstverweigerer Anspruch auf Asyl habe, wenn er damit rechnen muss, dass seine Truppe Kriegsverbrechen begeht.

Bisher kaum russische Asylsuchende

Bis heute wollte der Bundesrat an der bisherigen Visumspraxis allerdings nicht rütteln, zumal ein Ansturm russischer Asylsuchender in der Schweiz bis jetzt auch ausgeblieben ist. Im Oktober stellten gemäss dem Staatssekretariat für Migration nur gerade 26 Personen aus Russland ein Asylgesuch. Im September waren es 31, im August 18 Gesuche. Auch in den Monaten zuvor sollen jeweils nur zwischen 10 und 20 Asylgesuche eingegangen sein.

Der Bundesrat geht aber davon aus, dass wegen der Teilmobilmachung «ein leichter bis moderater Anstieg der Asylgesuche russischer Staatsangehöriger in den nächsten Wochen möglich» sei.

Der Bundesrat liess bisher wenig Zweifel offen, dass er keinerlei Interesse daran hat, diesen möglichen Anstieg auch noch zu befeuern. Im Gegenteil: Mit den üblichen Möglichkeiten, um Asyl nachsuchen zu können, «trägt die Schweiz ihren Teil zur Bewältigung der Herausforderungen bei, die im Zuge der russischen Teilmobilmachung entstanden sind», so die Regierung.

Noch aber hat SP-Nationalrätin Widmer dennoch Grund zur Hoffnung: Mit dem Wechsel des zuständigen Justiz- und Polizeidepartements von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (58) hin zur neuen SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (58) könnte sich auch die Haltung im Bundesrat ändern. (dba)

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