Auch Bäuerin zieht vor Gericht
Droht jetzt eine Klimaklage-Welle?

Die Klimaseniorinnen triumphierten vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Ist das nun der Auftakt einer Klagewelle? Die Klimabauern sind schon vor dem Urteil nachgezogen.
Publiziert: 11.04.2024 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2024 um 13:18 Uhr
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Es ist ein historisches Urteil: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt die Schweiz, weil sie zu wenig für den Klimaschutz macht. Und es ist ein Urteil mit Folgen, denn es könnte zu weiteren Klagen kommen.

«Es ist ein historischer Sieg»
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Eine davon hat Bäuerin Vanessa Renfer (46) bereits eingereicht. Zusammen mit anderen Winzern, Gemüse- und Obstbauern verklagte sie kürzlich den Bund. «Wir spüren jeden Tag, dass der Klimawandel unsere Arbeit beeinflusst. Die Ernten gehen zurück, im Sommer leiden die Tiere unter der Hitze», sagte sie zu Blick. 

Die Klimaseniorinnen durften am Dienstag jubeln. Folgen jetzt weitere Klagen?
Foto: keystone-sda.ch
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«Glaube nicht, dass das Urteil zu einer Klagewelle führt»

Der Anwalt der Bauern ist der Waadtländer Anwalt Raphaël Mahaim (40). Der Grünen-Nationalrat hat auch die Klimaseniorinnen vor dem Gericht in Strassburg (F) vertreten. Zusammen mit anderen Anwälten hat er einen Verein gegründet, der Klimaklagen fördern will.

Dennoch glaubt Mahaim nicht, dass das Urteil zu einer Klagewelle führt. «Natürlich wird das Urteil die Bewegung der Klimaklagen beschleunigen, aber das Gericht hat auch klar gesagt, dass es noch immer strenge Hürden für eine Klage gibt.» So erwähnt Mahaim beispielsweise die vier Einzelklägerinnen unter den Klimaseniorinnen, die der EGMR nicht zugelassen hat.

Mahaim sind bislang nur die Seniorinnen und die Bauern bekannt, die gegen die Schweiz klagen. Jedoch gebe es noch weitere Fälle, bei denen das Klima indirekt eine Rolle spielt. «So gibt es zum Beispiel Klagen gegen Firmen wie der Zementhersteller Holcim. Sie machen zu wenig, um die CO2-Emissionen zu senken», sagt Mahaim.

Er hofft, das Strassburger Urteil nützt auch in solchen und ähnlichen Fällen. Zum Beispiel, wenn es um die Pistenverlängerung beim Flughafen Genf geht. «Auch dieser Ausbau schadet dem Klima, wenn deshalb mehr geflogen wird.»

Internationale Folgen

Forscher der Universität Zürich haben in einer Datenbank acht Klimaklagen registriert, welche die Schweiz betreffen. Oftmals sind es Fälle, in denen die Schweiz neben anderen Staaten beschuldigt wird. Eine Erste davon, eingereicht von portugiesischen Jugendlichen, scheiterte bereits am Dienstag vor den Strassburger Richtern. Aber auch Verfahren in der Schweiz, beispielsweise gegen Aktivisten, sind aufgeführt.

Folgen haben dürfte das Urteil international. Über 2000 Klimaklagen sind derzeit hängig. Der Entscheid der Strassburger Richter dürfte die Entscheidungen beeinflussen.

Dass die Klimabauern um Vanessa Renfer jetzt ebenfalls triumphieren, ist aber trotz des Urteils aus Strassburg nicht gesagt. «Es ist zwar eine ähnliche Ausgangslage, aber jetzt müssen wir abwarten, wie die Schweiz auf das Urteil reagiert», sagt Mahaim und ergänzt: «Natürlich motiviert das Urteil auch für die Bauern-Klage. Jetzt weht ein anderer Wind.»

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