Aus Angst vor Terror
VBS hat Hamas-Verbot verwässert

Das Verteidigungsdepartement kritisierte die ursprüngliche Fassung des Gesetzes zum Hamas-Verbot als «israelfreundlich» und «iranfeindlich». Das zeigen interne Dokumente. Die Kritik fruchtete: Der Bund hat die Vorlage verwässert.
Publiziert: 24.03.2024 um 11:43 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2024 um 10:51 Uhr

Die Erschütterung war gross. Der Wille, zu handeln genauso: Nach dem Terrorangriff vom vergangenen Oktober auf Israel wollten Parlament und Bundesrat die Hamas verbieten. Und zwar rasch. Schon im Februar trat Justizminister Beat Jans (59) vor die Medien, um die dafür nötige Rechtsgrundlage vorzustellen.

Doch nun zeigen bisher unveröffentlichte Dokumente, dass der Bund die Vorlage auf Druck des Verteidigungsdepartements (VBS) von Bundesrätin Viola Amherd (61) vorher entscheidend abschwächte. Amherds Leute sollen sogar damit gedroht haben, das Vorhaben nicht zu unterstützen, wenn der Text nicht entschärft wird, berichtet die «NZZ am Sonntag».

Warnung vor Spionage und Terror

So sollten in der ursprünglichen Version des federführenden Bundesamts für Polizei (Fedpol) die Hamas und ihre Neben- und Nachfolgeorganisationen verboten werden – aber auch «Organisationen und Gruppierungen, die in Führung, Zielsetzung und Mitteln mit der Hamas übereinstimmen». Diese Formulierung stiess dem VBS sauer auf – es verlangte die Streichung der Passage.

Nach dem Terrorangriff vom vergangenen Oktober auf Israel wollten Parlament und Bundesrat die Hamas verbieten. Und zwar rasch.
Foto: Keystone
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Der Gesetzesentwurf des Fedpol sei zu weit gefasst und führe zu Unklarheiten, kritisierten Amherds Beamte. Er könne so ausgelegt werden, dass künftig nicht nur die Hamas als verboten gelte, sondern auch dem Iran nahestehende Milizen oder der libanesische Hisbollah. Auch im Umgang mit Staaten wie der Türkei oder dem Iran könnten sich Probleme ergeben. Welche bilateralen Schwierigkeiten genau drohten, lässt das VBS offen. Auch auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» wollte es sich nicht weiter äussern.

Dabei habe das VBS seine Bedenken intern mehr als deutlich formuliert: «Sollte das Gesetz in dieser Form angenommen werden, würde sich die Schweiz klar als israelfreundlich und iranfeindlich positionieren.» Das VBS wollte in dem neuen Gesetz sogar eine Gefahr für die Schweiz erkennen: «Bedrohungen durch verbotenen Nachrichtendienst und Terrorismus könnten zunehmen. Zudem würde es zu diplomatischen und humanitären Konsequenzen führen.» Für das VBS war klar: In dieser Form wolle es den Entwurf nicht mitunterzeichnen.

«Geradezu skandalös»

Der Konfrontationskurs zeigte Erfolg. Der Bundesrat schwächte den Entwurf zum Hamas-Verbot ab. Der umstrittene Passus ist gestrichen; das Gesetz bleibt unverbindlich: So kann der Bundesrat künftig Organisationen verbieten, die mit der Hamas «in Führung, Zielsetzung oder Mitteln» übereinstimmen. Heisst: Er entscheidet von Fall zu Fall.

Im Parlament löst das Vorgehen Kopfschütteln aus. «Das Gesetz verbietet eine Terrororganisation. Und wenn wir die Hamas verbieten, dann ist es folgerichtig, auch Organisationen zu verbieten, die mit der Hamas weitgehend identisch sind», wird FDP-Präsident Thierry Burkart (48) zitiert. Die Abschwächung aber ermögliche Umgehungen und sei daher nicht nachvollziehbar. «Ich bedaure es sehr, dass der Bund in dieser Frage eingebrochen ist und das Gesetz verwässert hat», so Burkart. «Bei Terror kann es nur eine Haltung geben: Die Schweiz darf solche Organisationen nicht tolerieren.»

Wenig Verständnis zeigt auch die SVP. Es sei befremdlich, dass das VBS eine Abschwächung des ursprünglichen Entwurfs durchgebracht habe. «Die Begründung ist geradezu skandalös», so Peter Keller, stellvertretender Generalsekretär der SVP. «Das Verbot von Terrororganisationen hat nichts mit einer ‹israelfreundlichen› Haltung zu tun, sondern ist im Interesse der Schweiz und ein Gebot der inneren Sicherheit.»

Nun liegt es am Parlament, welcher Gesetzesversion es zum Durchbruch verhelfen will. (dba)

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