Bauernpräsident Markus Ritter (56)
So ist der mächtigste Bauer der Schweiz vernetzt

Kaum jemand in Bern ist so mächtig wie Bauernpräsident Markus Ritter. Das sind seine Verbündeten und Gegenspieler.
Publiziert: 11.11.2023 um 14:35 Uhr
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Anne-Barbara Luft
Bilanz

Die Schweizer Landwirte, allen voran Verbandspräsident Markus Ritter (56), sind besonders zufrieden mit dem Ausgang der Wahlen. Es wurden keine bäuerlichen Parlamentarier abgewählt, alle Rücktritte mit neuen Kandidaten kompensiert und sogar neue Landwirte gewählt. Für diesen Erfolg hat Mitte-Nationalrat Ritter in den vergangenen Monaten alles gegeben: Allianzen geschmiedet, Wähler mobilisiert und Verbündete in anderen Parteien gesucht.

Sein weitverzweigtes und solides Netzwerk hat es möglich gemacht. Schon vor der Wahl waren die Landwirte der Berufsstand mit der mächtigsten Lobby in Bern, doch Kampagnen und Initiativen der Umweltverbände haben Ritter und seine Leute in den letzten Jahren das Fürchten gelehrt. Der Machterhalt des bäuerlichen Lagers im Parlament – im besten Fall sogar ein Ausbau – war daher von grösster Bedeutung, denn in den nächsten vier Jahren stehen wichtige Themen wie die Höhe der Direktzahlungen, die neue Vegi-Initiative, die Landschaftsinitiative oder Freihandelsabkommen auf der Agenda.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Während Bundesbern bei den Wahlen 2019 jünger, grüner und damit auch bauernkritischer geworden war, hat sich das Blatt bei der jüngsten Abstimmung gewendet – ein weiterer Erfolg für den Lobbyisten Ritter.

Markus Ritter gehört zu den mächtigsten Politiker in Bern.
Foto: Anja Wurm
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Polit-Connection

Bei seiner politischen Karriere wurde Ritter von vielen Seiten unterstützt – in seiner Gemeinde Altstätten, im Kanton St. Gallen und auf Bundesebene. Einer seiner Weggefährten ist Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister, ebenso wie Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy. Der Jurist setzt sich regelmässig für die Interessen der Bauern ein, wie zuletzt für eine schnellere Zulassung neuer Pestizide. Auch der St. Galler Ständerat Benedikt Würth und Mitte-Nationalrat Nicolò Paganini zählen zu Ritters wichtigsten Vertrauten.

Esther Friedli (SVP).
Foto: Keystone

Doch der SBV-Präsident spannt sein Netzwerk auch ausserhalb seiner Partei. So setzte er sich zusammen mit der St. Galler Ständerätin Esther Friedli (SVP) für mehr bäuerliche Vertreter in beiden Räten ein. Wie sich zeigt, zahlte sich die überparteiliche Zusammenarbeit aus. Ritters Parteikollege Pius Kaufmann aus dem Kanton Luzern sitzt neu ebenso im Nationalrat wie neun Vertreter aus dem Lager der Landwirtschaft mit SVP-Parteibuch. Eine lange Liste von Bäuerinnen und Bauern wurde wiedergewählt, darunter Ritters Parteikollegen Priska Wismer-Felder, Bäuerin und Vorstandsmitglied des Luzerner Bauernverbands, Leo Müller, Verwaltungsrat der Fenaco-Genossenschaft, Christine Bulliard-Marbach, Präsidentin von «Pays romand – Pays gourmand», sowie der Winzer Andreas Meier.

Die Mitstreiter

Seit elf Jahren präsidiert Markus Ritter den Bauernverband (SBV) und hat in dieser Zeit dessen Einfluss mit viel Ehrgeiz und geschickten Schachzügen deutlich ausgebaut. Seine Vizepräsidentin, Anne Challandes, vertritt als Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands unter anderem die Interessen der Frauen im SBV. Neben seinem langjährigen Mitstreiter und Direktor Martin Rufer ist Urs Schneider, stellvertretender Direktor, einer seiner wichtigsten Ansprechpartner. Auch auf die Unterstützung von Peter Nüesch, FDP-Kantonsrat und Präsident des St. Galler Bauernverbands, kann Ritter immer zählen.

Der höchste Bauer im Land versteht es, Mitstreiter aus anderen Lagern für die Interessen der Schweizer Bauern zu gewinnen. Ein Beispiel dafür ist die «Geld-und-Gülle-Allianz» mit Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband. Nachdem sich diese strategischen Partner bereits bei zwei Volksinitiativen unterstützt hatten, gaben sie im Oktober vergangenen Jahres die gemeinsame Wahlplattform «Perspektive Schweiz» bekannt. Die Kampagne verfolgte das Ziel, wirtschafts- und landwirtschaftsfreundliche Wählerinnen zu mobilisieren. So zählen Christoph Mäder, Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, Valentin Vogt, ehemaliger Präsident des Arbeitgeberverbands, und sein Nachfolger Severin Moser ebenso zu Ritters Mitstreitern wie Fabio Regazzi, Präsident des Gewerbeverbands und seit 2011 Nationalrat. Allianzen wie diese machen Ritter zu einem der mächtigsten Parlamentarier in Bern.

Die Familie

Es ist eine Liebesgeschichte wie aus dem Bilderbuch: Auf dem Nachbarhof der Familie Ritter wächst Ritters spätere Ehefrau Heidi auf. Sie fällt ihm schon als Junge auf: «Sie hatte so schönes blondes Haar und war gross gewachsen», erinnert er sich. Beide haben viel Freude an Tieren und der Natur, das verbindet das Ehepaar, das inzwischen über 29 Jahre verheiratet ist, bis heute. Anfang des Jahres haben die Eheleute Ritter ihren beiden Söhnen Adrian und Daniel Ritter den Landwirtschaftsbetrieb in Altstätten SG übergeben. «Dies erfüllt uns mit Freude. Für einen Bauern ist es etwas Grosses, wenn seine Arbeit weitergeführt wird», betont Ritter. Seine Frau und er helfen aber weiterhin auf dem Betrieb mit.

Die Gegenspieler

In den letzten Jahren gerieten der Schweizer Bauernverband und als dessen Präsident Markus Ritter in die Schusslinie der Umweltverbände Greenpeace, WWF, Pro Natura und BirdLife. Diese lancierten 2020 die Kampagne «Agrarlobby stoppen». Ritter und dem SBV wurde vorgeworfen, ökologischen Fortschritt im Parlament zu blockieren. Mitfinanziert wurde die Kampagne von der Stiftung Mava, die von Erben der Roche-Gründerfamilie ins Leben gerufen wurde. Leiter der Kampagne war Jonas Schmid vom WWF. Einer der schärfsten Kritiker des Bauernverbands ist Kilian Baumann, der Präsident der Kleinbauern-Vereinigung und Grünen-Nationalrat beanstandete zuletzt die Allianz des SBV mit Economiesuisse und anderen Verbänden.

Die Karriere

Nach seiner Ausbildung als Landwirt und der anschliessenden Betriebsleiterausbildung absolviert Ritter an der Fachhochschule St. Gallen ein Studium als Wirtschaftsingenieur. Der Landwirt engagiert sich schon früh in der Welt der Verbände. Anfang der 1990er Jahre wird er in den Vorstand des St. Galler Braunviehzuchtverbands gewählt, wird 2005 Präsident des St. Galler Bauernverbands und sieben Jahre später Präsident des Schweizer Bauernverbands. In dieser Funktion baut er sich ein solides Netzwerk auf. Einer seiner Wegbegleiter wird der jetzige SBV-Direktor und Solothurner FDP-Kantonsrat Martin Rufer, mit dem Ritter schon seit 2006 im Verbandsvorstand tätig ist. Auch in der Politik ist Ritter schon als junger Mann aktiv – mit 26 Jahren wird er Stadtrat in seiner Heimatgemeinde Altstätten, seit 2011 sitzt er im Nationalrat.

Elisabeth Baume-Schneider (SP).
Foto: keystone-sda.ch

Zu seinen grössten Erfolgen zählen der neue Verfassungsartikel 104a zur Ernährungssicherheit sowie die Ablehnung der Volkinitiativen zum Trinkwasser, zu den Pestiziden und zur Massentierhaltung – bei diesen ist es ist ihm gelungen, einen beeindruckend grossen Teil der ländlichen Bevölkerung zu mobilisieren. Auch die Wahl der jurassischen Bauerntochter Elisabeth Baume-Schneider (SP) in den Bundesrat vor einem Jahr schreiben viele Beobachter den gekonnten Winkelzügen Ritters zu.

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