Das spricht für das Mediengesetz – und das dagegen
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Pro und Kontra:Das spricht für das Mediengesetz – und das dagegen

Bruno Hug und Andrea Masüger kreuzen die Klingen
Das grosse Streitgespräch zum Mediengesetz

Sollen Medien vom Staat finanziell unterstützt werden? Die Frage, über die wir im Mediengesetz abstimmen, polarisiert. Das zeigt auch das Doopelinterview mit Andrea Masüger und Bruno Hug.
Publiziert: 23.01.2022 um 17:59 Uhr
Interview: Valentin Rubin

Das Mediengesetz soll Medien unterstützen und fördern. Herr Hug, Sie setzen sich dagegen ein.
Bruno Hug: Das Gesetz ist unnötig. Grosse Verlage haben viel Geld und würden noch mehr profitieren. Durch Subventionen sparen sie Millionen an Steuergeldern! Zudem wird das Gesetz die heutige Mediensituation nicht verbessern.
Andrea Masüger: Diese Abstimmung ist elementar für 170 Zeitungen in der Schweiz. Das Gesetz soll kleineren Medien helfen und stärkt die wirtschaftliche Grundlage der Branche durch indirekte Unterstützung. Ein Grossteil des Geldes geht an Post und Zusteller. So werden die Abos nicht teurer. Das Geld geht an die Leser!

Welche Bedeutung hat die Abstimmung?
Masüger: Bei einem Nein werden Regionalmedien schwächer. Die Referendumsführer liebäugeln damit, diese irgendwann zu übernehmen. Es gibt eine Tendenz, aus den Titeln rechtsnationale Medien zu machen.
Hug: Quatsch! Ich sagte kürzlich nur, wenn die reichen Verleger ihre Zeitungen nicht mehr herausgeben wollen, würde ich diese Titel übernehmen und am Leben erhalten.

Reden wir über Grundsätzliches: die Unabhängigkeit der Medien.
Hug: Es geht um die Glaubwürdigkeit, die die grossen Verlage verspielen. Werden sie vom Staat finanziell unterstützt, sind sie von ihm abhängig. Das ist gefährlich.
Masüger: Die Medien erhalten bereits seit 1849 Pressehilfe. Bis heute hat niemand gesagt, dass sie deswegen staatshörig sind, im Gegenteil.
Hug: 1849 und heute sind nicht zu vergleichen. Früher gab es Hunderte Verleger. Heute kontrollieren wenige Verleger fast 80 Prozent der Medien, sodass die Politik die Medien einfacher beeinflussen kann.
Masüger: Falsch. Es gibt heute mehr kleine Verlage denn je.

Andrea Masüger, Präsidiumsmitglied des Schweizer Verlegerverbands, sagt zum Mediengesetz: «Die Medien erhalten bereits seit 1849 Pressehilfe. Bis heute hat niemand gesagt, dass sie deswegen staatshörig sind.»
Foto: Valeriano Di Domenico
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Andrea Masüger

Andrea Masüger (64), langjähriger Bundeshaus- und Chefredaktor der «Südostschweiz», ist heute Verwaltungsrat beim Medienunternehmen Somedia sowie Präsidiumsmitglied beim Verlegerverband Schweizer Medien (VSM). Er ist Mitglied des Ja-Komitees für das Mediengesetz.

Andrea Masüger (64), langjähriger Bundeshaus- und Chefredaktor der «Südostschweiz», ist heute Verwaltungsrat beim Medienunternehmen Somedia sowie Präsidiumsmitglied beim Verlegerverband Schweizer Medien (VSM). Er ist Mitglied des Ja-Komitees für das Mediengesetz.

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Bruno Hug

Bruno Hug (67) ist Online-Verleger und betreibt den regionalen Plattform-Verbund Portal24. Er ist langjähriger Medien- und Gastrounternehmer sowie ehemaliger Präsident des Hockeyklubs SC Rapperswil-Jona Lakers. Hug sitzt im Referendumskomitee gegen das Mediengesetz.

Bruno Hug (67) ist Online-Verleger und betreibt den regionalen Plattform-Verbund Portal24. Er ist langjähriger Medien- und Gastrounternehmer sowie ehemaliger Präsident des Hockeyklubs SC Rapperswil-Jona Lakers. Hug sitzt im Referendumskomitee gegen das Mediengesetz.

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Es geht um ein zentrales Problem: Die Werbeeinnahmen brechen ein.
Hug: Was machen wir in der nächsten Baukrise? Oder wenn die Gastrobetriebe noch grössere Probleme bekommen? Kommt dann auch der Staat und zahlt?
Masüger: Der Staat hilft doch auch hier. Aber Medien haben eine spezielle Funktion. Sie informieren die Menschen, das ist für die Demokratie zentral. Sie stellen die geistige Landesversorgung sicher. Darum ist staatliche Unterstützung berechtigt.
Hug: Die Aufgabe der Medien wäre es, der Regierung auf die Finger zu schauen. Dafür brauchen sie kein Staatsgeld.

Gemäss Vorlage sind die Subventionen nicht an inhaltliche, sondern an wirtschaftliche Kriterien gebunden.
Hug: Nicht im Onlinebereich, dort kann die Politik eingreifen. Nochmals: Vor allem die grossen Verlage bekommen das Geld.
Masüger: Im Medienpaket gibt es Bremsfaktoren, die das verhindern sollen: eine starke Degression bei Online-Medien, ebenso bei Zeitungen. Die kleinen profitieren verhältnismässig viel mehr. Ausserdem muss auf regionale und sprachliche Gegebenheiten Rücksicht genommen werden.

Herr Hug, Sie betreiben den Portalverbund Portal24. Würden Sie das Gesetz unterstützen, wenn auch Gratismedien gefördert werden?
Hug: Ich bin gegenüber Subventionen generell skeptisch. Medien müssen den Staat kontrollieren, nicht umgekehrt. Wir selbst betreiben eigenständige Portale mit gemeinsamer Infrastruktur und wachsen ohne Staatsgeld! Übrigens verlangt das Gesetz für Online-Portale sogar einen Mindestumsatz, was wiederum Kleine benachteiligt.
Masüger: Dieser Mindestumsatz soll verhindern, dass Subventionen pulverisiert werden. Sonst könnte ja jeder ein Portal aufziehen und dafür etwas einkassieren. Es braucht einen Tatbeweis, dass das Geschäft läuft. Es macht Sinn, dass man da eine Grenze setzt.

Warum erhalten Gratismedien keine Subventionen?
Masüger: Das ist analog zu den Printmedien geregelt. Man will sicherstellen, dass es ein Bekenntnis der Leserschaft gibt, in Form einer Bezahlung. Das macht Sinn.
Hug: Nein, Leuten ein Abo aufzuzwingen, ist falsch. Alle Bürger haben ein Recht auf Information. Statt Leuten teure Abos aufzuzwingen, könnte man ihnen zum Beispiel auch einen Mediengutschein geben – und jeder kann wählen, was er lesen will.
Masüger: Das Parlament hat darauf verzichtet und insgesamt einen gut schweizerischen Kompromiss verabschiedet. Lustig ist ja, dass deswegen nun die Partei-Ideologien auf den Kopf gestellt wurden.

Wie meinen Sie das?
Masüger: Die SVP sagt, dass die Städter das Land ausbluten. Und spricht sich gegen eine Vorlage aus, die genau dem Land nützt. Freisinnige und andere Bürgerliche schiessen nun mit einer Klassenkampf-Logik gegen vermeintlich reiche Verleger. Die Vorlage stärkt aber 170 vorwiegend kleinere Blätter.
Hug: Die wirklich kleinen schützt es nicht. Ich bin nicht gegen Reiche, mir geht es ja selbst auch gut. Deshalb gehe ich auch nicht zum Staat und bettle nach Geld, sondern betreibe mein Geschäft auf eigenes Risiko.

Viele Unterschriften für das Referendum kamen von den Freunden der Verfassung, also aus dem Lager der Corona-Massnahmen-Gegner.
Hug: Wir haben als kleines Komitee mit Parteien und Verbänden gesprochen und Hilfe von jenen angenommen, die das gleiche Ziel hatten wie wir. Wir mussten ja die Unterschriften zusammenbringen und haben darauf geachtet, unabhängig zu bleiben.
Masüger: Die Corona-Massnahmen-Gegner haben Unterschriften für das Referendum zum Mediengesetz gesammelt, um vermeintliche Staatsmedien und die sogenannte Lügenpresse zu entmachten. Das ist eine unappetitliche Verbindung mit eurem Komitee.
Hug: Auch Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband oder Parteien kamen auf uns zu, wir haben breiten Rückhalt. Unser Komitee liess sich helfen, das ist legitim.

Herr Masüger, Sie schrieben im Herbst von einer Neid-Debatte.
Masüger: Die Referendumsführer sind neidisch auf grosse Verlage und haben nur zwei Argumente: die Verleger und die «Staatsmedien». Das lässt sich aber einfach auseinandernehmen.
Hug: Das hat nichts mit Neid zu tun. Und sowieso: Kommt das Gesetz durch, werden wir weiter berichten, wie viel Geld die grossen Verlage erhalten. Es kann nicht sein, dass Firmen Millionengewinne machen, Dividenden ausschütten und zugleich Millionen vom Staat kassieren.
Masüger: Kleinere Zeitungen drucken ihre Titel heute schon teils bei Tamedia und profitieren von günstigen Konditionen. Wenn es den grossen Verlagen schlecht geht, geht es also auch den kleinen schlecht.

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