«Darum lohnt sich Klimaschutz»
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Sommaruga und Gisin auf Titlis:«Darum lohnt sich Klimaschutz»

Bundesrätin Sommaruga und Ski-Star Gisin auf dem Titlis
«Bei diesem Ausblick weiss man, wieso sich Klimaschutz lohnt»

Gestern lud die Klimaorganisation «Protect Our Winters» zum Gipfeltreffen auf dem Titlis ein. Auf über 3000 Metern erklären Michelle Gisin und Simonetta Sommaruga ihr Engagement fürs CO2-Gesetz.
Publiziert: 09.05.2021 um 10:39 Uhr
Noa Dibbasey (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Es ist lange her, seit sie das letzte Mal auf den Skiern stand – sie wandert lieber durch die Schweizer Berglandschaft. Trotzdem steht Umweltministerin Simonetta Sommaruga (60) am Samstag warm eingepackt neben Skirennfahrerin Michelle Gisin (27) auf dem Titlis.

Die beiden Frauen, die man für gewöhnlich nicht im selben Kosmos verortet, vereint eine gemeinsame Mission: Sie weibeln für ein Ja zum CO2-Gesetz, über das die Schweiz am 13. Juni abstimmt. Ein Ja für die Schweizer Natur. Ein Ja dafür, dass Herr und Frau Schweizer ihren Volkssport noch lange ausüben können.

Die Frage, ob sie jemals mit ihren Kindern auf die Piste kann, treibt die Engelbergerin Gisin um.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Skifahrerin Michelle Gisin fahren in der Gondelbahn auf den Titlis.
Foto: Philippe Rossier
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Gletscher ziehen sich sichtbar zurück

Die Miene, der sonst so aufgestellten Olympia-Siegerin verdüstert sich, wenn sie von diesen Zukunftsängsten erzählt. Denn: Die erhöhten Treibhausgas-Emissionen gefährden das Andauern des Schweizer Bergtourismus. Die Gletscher ziehen sich zurück, der Permafrost löst sich auf.

«Das kann ich aus meinem Fenster tagtäglich beobachten», erzählt sie. Der Gletscher glänzen nicht mehr weiss, wie noch in ihrer Kindheit. Damals, als sie bereits in den Herbstferien den Titlis runterrasen konnte. Heute sei das unvorstellbar.

Diese Entwicklung «tschuderet» einem, steuert Sommaruga bei und blickt dabei auf das idyllische Bergpanorama. «Wenn man diese Berge anschaut, weiss man, wieso es sich lohnt, sich für den Klimaschutz einzusetzen.»

Dauerfrost könnte sich womöglich auflösen

Wie lange es ihr noch möglich sei, die Aussicht von der Titlisterrasse ohne zusätzliche bauliche Massnahmen zu geniessen – diese Frage stimmt den Sicherheitschef der Titlis Bergbahnen Gian Darms (36) nachdenklich. «Erhöht sich die Durchschnittstemperatur weiter, wird der Dauerfrost sich womöglich auflösen.»

Das gestrige Gipfeltreffen von Gisin, Sommaruga, Darms und Françoise Jaquet (64), der Präsidentin des Schweizer Alpen-Clubs (SAC), möchte unmissverständlich aufzeigen: Handelt die Schweiz nicht, dürfte bald ein Kipppunkt erreicht sein, der irreversible Folgen mit sich trägt.

Folgen, die nicht nur die «wunderschöne Schweizer Natur» treffen. Nein, auch viele Existenzen stehen auf dem Spiel. In ihrer Heimatgemeinde Engelberg seien fast alle Bewohner direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig, erklärte Gisin während der Gondelfahrt auf ihren Hausberg. Dass Rand- und Bergregionen bei einer Annahme des CO2-Gesetzes übermässig zur Kasse gebeten würden, wie die Gegner der Vorlage argumentieren, ergibt für die Olympiasiegerin keinen Sinn.

Klimafreundliche Familien könnten von der Krise profitieren

Gerade diese Regionen treffe der Klimawandel am unmittelbarsten. Bereits jetzt gibt der Skiort wegen Folgen der Klimaerwärmung jährlich grosse Geldsummen aus. «Diese Kosten steigen exponentiell, wenn wir jetzt nichts unternehmen», fürchtet Gisin.

Auch Simonetta Sommaruga möchte nicht, dass die Jungen später «doppelt und dreifach» bezahlen. Der Klimaschutz kostet – das ist klar. «Wer dem Klima schadet, soll das aber nicht gratis tun können», sagt sie.

Die meisten würden vom Klimaschutz aber profitieren. Eine vierköpfige klimafreundliche Familie erhalte künftig einen Klimabonus von über 600 Franken, rechnet sie vor, während ihr der eisige Bergwind durch die Haare weht.

«Wir würden die Verantwortung gegenüber unserer Zukunft wahrnehmen»

Das sei aber lange nicht der einzige Vorteil: «Beim CO2-Gesetz geht es darum, den Klimawandel abzubremsen und unseren wertvollen Lebensraum zu schützen», ergänzt Gisin. Erhält man diesen weiterhin, profitieren alle in der Schweiz, sind sich die Politikerin und die Sportlerin einig, während sie durch den feuchten Schnee stampfen.

Aber liegt es überhaupt in der Hand der Schweiz, die Treibhausgas-Emissionen zu senken? Schliesslich verursacht unser Land nur etwa eine Promille des CO2 in der Atmosphäre. «Das heisst noch lange nicht, dass wir nicht unseren Beitrag leisten. Nur so können wir auch den Beitrag der anderen einfordern!»

Schliesslich habe sich auch die Schweiz durch das Pariser Abkommen verpflichtet, den CO2-Austoss im Land bis 2030 zu halbieren. Im Ausland drücke man bezüglich Klimaschutz bereits auf die Tube, versichert sie. Denn wenn Länder in den Klimaschutz investieren, entstehen Arbeitsplätze. Und die will jedes Land zu sich holen.

«Durch die Annahme des Klimaschutzgesetzes nehmen auch wir unsere Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Grosskindern wahr», beteuert die Umweltministerin. Auch sie sollen im Winter noch auf den Ski stehen oder im Sommer einzigartige Bergspitzen besteigen können. Auch sie sollen noch den Ausblick von der Titlisterrasse ohne Bedenken geniessen dürfen.

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