Bundesrat zeigt wenig Herz
Keine Sonderregeln für russische Kriegsdienstverweigerer

Russische Kriegsdienstverweigerer sind zu Zehntausenden auf der Flucht vor dem Ukraine-Krieg. In der Schweiz haben sie allerdings kaum Chancen, Schutz vor Putin und seinen Schergen zu erhalten.
Publiziert: 20.11.2022 um 15:43 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 16:05 Uhr
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Sie haben zu Zehntausenden Russland verlassen. Seit Machthaber Wladimir Putin (70) im September die Teilmobilisierung ausgerufen hat, fliehen Männer von jung bis alt, um nicht im Ukraine-Krieg ihr Leben zu lassen. Wer erwischt wird, dem drohen drakonische Strafen.

Deutschland hat sich bereits offen gezeigt für die Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer. «Deserteure, die sich an dem Krieg in der Ukraine nicht beteiligen wollen, erhalten im Regelfall internationalen Schutz», hielt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52) fest.

Deserteure könnten Visum beantragen ...

Der Bundesrat um Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) hingegen zeigt sich deutlich zurückhaltender. Zwar weist er in seiner Antwort auf einen Vorstoss von SP-Nationalrätin Céline Widmer (44) darauf hin, dass dem Staatssekretariat für Migration (SEM) die «schwierige Situation von Deserteuren und Militärdienstverweigerern in Russland bewusst» sei. Auch hätten diese das Recht, bei einer Schweizer Vertretung ein Visum aus humanitären Gründen zu beantragen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat im September eine Teilmobilmachung der Streitkräfte angeordnet.
Foto: keystone-sda.ch
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Gleichzeitig aber weist die Landesregierung darauf hin, dass die Erfolgschancen für russische Deserteure auch während des tobenden Ukraine-Kriegs äusserst gering seien. Die betroffene Person müsse sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und die Erteilung eines Einreisevisums rechtfertigt. Sie müsse in ihrem Herkunftsland «ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet» sein.

... haben aber kaum Erfolgsaussichten

Für den Bundesrat ist dies bei den meisten russischen Kriegsdienstverweigerern nicht der Fall, wie er klarstellt. Die hohen Anforderungen für ein humanitäres Visum seien «in aller Regel nicht erfüllt, wenn eine Person vorbringt, dereinst in den Wehrdienst eingezogen zu werden». Komme hinzu, dass ein Bezug der Person zur Schweiz vorausgesetzt werde. Und an dieser Visumspraxis will der Bundesrat derzeit auch nicht rütteln.

Bisher ist der Ansturm russischer Asylsuchender in der Schweiz aber ohnehin ausgeblieben. Im Oktober stellten gemäss SEM nur gerade 26 Personen aus Russland ein Asylgesuch. Im September waren es 31, im August 18 Gesuche. Auch in den Monaten zuvor sollen jeweils nur zwischen 10 und 20 Asylgesuche eingegangen sein.

Kein Interesse an steigenden Zahlen

Der Bundesrat lässt wenig Zweifel offen, dass er auch keinerlei Interesse daran hat, an dieser Entwicklung etwas zu ändern. Im Gegenteil: Mit den üblichen Möglichkeiten, um Asyl nachsuchen zu können, «trägt die Schweiz ihren Teil zur Bewältigung der Herausforderungen bei, die im Zuge der russischen Teilmobilmachung entstanden sind», findet die Landesregierung.

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