Chaos bei Impfungen
Dicke Luft zwischen Bund und Kantonen

Die Software, die das BAG den Kantonen für die Organisation der Corona-Impfung zur Verfügung stellt, sorgt für Probleme. Es ist nicht der einzige Grund, weshalb Bund und Kantone gerade schlecht aufeinander zu sprechen sind.
Publiziert: 22.01.2021 um 08:16 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2021 um 08:46 Uhr
Gianna Blum, Daniel Ballmer, Lea Hartmann

Ausgerechnet die Betreuungsgutscheine für Kitas, die in Bern seit Jahren immer wieder für Streit sorgen, helfen dem Kanton nun bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Allerdings nicht, was die Kinderbetreuung betrifft – sondern beim Impfen. «Als Basis für die Impfsoftware wurde ein Anmeldesystem genutzt, das bereits für die Kita-Betreuungsgutscheine vorhanden war», sagt Gundekar Giebel, Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion. Laut Giebel funktioniert das System «reibungslos». Entwickelt worden sei es schon Anfang Dezember.

Deutlich weniger reibungslos läuft es dagegen in den Kantonen, welche für die Impfanmeldung das Programm des Bundes nutzen. Dem Vernehmen nach sind es 21 Kantone, die das System des Anbieters Onedoc benutzen, für dessen Entwicklung der Bund knapp eine Million Franken springen liess. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) spricht beschönigend von «Kinderkrankheiten». Doch die IT-Probleme haben vielerorts zu einem Chaos bei den Anmeldungen geführt. Schwyz etwa musste deswegen kurzzeitig das Anmeldeprozedere ganz unterbrechen, andere Kantone wie etwa Luzern oder Baselland mussten Hunderten registrierten Impfwilligen nachtelefonieren, da diese keine Terminbestätigung bekommen hatten.

Das sei «sehr ärgerlich», sagt Rolf Wirz vom Baselbieter Krisenstab. «Wir haben uns auf die Empfehlung des Bundes verlassen.» Ein eigenes Tool aufzubauen, lohne sich für den Kanton nicht.

Endlich kann gegen Corona geimpft werden.
Foto: Keystone
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Das Anmeldechaos ist auch mit ein Grund, warum einige Kantone ihre Impfzahlen nicht veröffentlichen. Da national «weder ein einsatzfähiges Erfassungstool noch ein Monitoring» zur Verfügung stehe, seien aussagekräftige Zahlen zu den Impfungen nicht möglich, teilte der Kanton St. Gallen diese Woche mit einem Seitenhieb an den Bund mit.

BAG im Clinch mit den Kantonen

Zwischen BAG und Kantonen herrscht dicke Luft. Letztere sind auch noch immer sauer, dass der Bundesrat vergangene Woche gegen ihren Willen überraschend einen zweiten Lockdown beschlossen hat. Manch ein Kanton, so wird vermutet, stellt sich auch deshalb bei der nationalen Impfstatistik quer. Diese gibt es entgegen der Versprechen des BAG noch immer nicht.

Dem Vernehmen nach sind es einzelne Kantone, die bremsen. Sie sind noch nicht so weit mit Impfen und wollen im Vergleich mit den anderen nicht als Trödler dastehen. Der Kanton, der zumindest gegenüber BLICK-Anfragen am heftigsten mauert, ist Zürich. Erst nächste Woche will er Zahlen bekannt geben. Während andere Kantone schon seit Tagen online über den neusten Stand der Impfkampagne informieren.

Warten auf die Statistik

Intern stieg in den vergangenen Tagen der Druck aufs BAG. Am Montag hatte eine Sitzung zwischen Vertretern von Bund und Kantonen stattgefunden. BLICK weiss: Das BAG hatte gegenüber der Bundeskanzlei versichert, dass die Daten am Dienstag publiziert würden.

Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Nun aber hat der Bund den Kantonen offenbar Dampf gemacht. Ab morgen stehe das nationale Impfmonitoring bereit, versicherte Gesundheitsminister Alain Berset (48) am Donnerstag. Und auch die Probleme mit dem Anmeldetool Onedoc sollen inzwischen grösstenteils behoben worden sein.

Doch für viele ist der Schaden schon angerichtet. Bei Digitalexperten sorgt das Anmeldechaos für Kopfschütteln. Etwa beim Fachverband IG eHealth, der sich für die digitale Transformation im Gesundheitswesen einsetzt. Es sei «unverständlich und erscheint dilettantisch», dass die Behörden die Software nicht entsprechend vorbereitet hätten, findet Geschäftsführer Walter Stüdeli – schliesslich sei seit einem halben Jahr klar, dass die Impfung kommen werde. «Künftigen Bemühungen, Akzeptanz bei der Digitalisierung zu finden, kann das nur schaden.»


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