«Bund, Kantone und Bürger haben in Bevorratung versagt»
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Armee zum Masken-Puff:«Bund, Kantone und Bürger haben in Bevorratung versagt»

Corona-Beschaffungen: Armee wehrt sich
«Bund, Kantone und Bürger haben in Bevorratung versagt»

Die Armeeapotheke musste für Hunderte Millionen Franken Schutzmaterial beschaffen und war zu Beginn der Corona-Pandemie heillos überfordert. Das sorgte für Kritik. An einer Medienkonferenz gingen die Verantwortlichen nun in die Offensive.
Publiziert: 11.02.2021 um 08:26 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2021 um 13:12 Uhr
Ruedi Studer

Als das Coronavirus im Frühjahr 2020 von China aus die Welt erobert, herrscht im Fernen Osten auch ein bisschen Wilder Westen. Im Wettkampf um Schutzausrüstung – Masken, Handschuhe, Schutzkleidung – wird mit harten Bandagen gekämpft. Beschaffungen sind schwierig, da die Verfügbarkeit von Masken in der Schweiz und in Europa sehr begrenzt ist.

Davon kann auch die Armee ein Liedchen singen: Die Armeeapotheke muss ab März innert kurzer Zeit Schutzausrüstung beschaffen. Eine heikle Mission – die nicht immer erfolgreich erfüllt werden konnte. Mal bewahrte das Aussendepartement die Armee vor einem millionenteuren Maskendebakel. Mal machte die Armee einzelne Anbieter über Nacht zu Multimillionären. Mal wollte die Armee ungenügende Masken nach Afrika verkaufen.

Im Klartext: Die Armeeapotheke war mit dem Beschaffungsauftrag, den sie quasi über Nacht erhielt, vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie heillos überfordert.

Die Armee ging mit einer Medienkonferenz zum Thema Corona-Beschaffungen in die Offensive. Armeeapotheke-Chef Daniel Aeschbach informierte über Herausforderungen, Probleme und Lehren.
Foto: keystone-sda.ch
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Dafür mussten die Verantwortlichen viel Kritik einstecken. Doch nun geht die Armeeapotheke in die Offensive. Am Donnerstagmorgen informierte sie an einer Medienkonferenz über ihren Corona-Einsatz – über ihre Rolle, Herausforderungen und Lehren. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Der Auftrag

Den Auftrag für die Schutzmaterial-Beschaffung erhielt die Armeeapotheke vom Bundesrat quasi über Nacht. Innert Kürze musste sie für Hunderte Millionen Franken nicht nur Schutzmasken, sondern etwa auch Gummihandschuhe, OP-Kittel, Beatmungsgeräte oder Desinfektionsmittel beschaffen. die Armeeapotheke dies nicht vorgesehen. Im Pandemieplan war so nicht vorgesehen. Das die Armee deswegen nun in der Kritik steht, ärgert Thomas Kaiser, den Chef der Logistikbasis der Armee (LBA).

Der Bundesrat habe «mangels Alternativen» der Armeeapotheke den Beschaffungsauftrag erteilt – und sagt klar warum: «Weil der Bund, die Kantone und die Bürger in der Bevorratung versagt haben!» Und weil der Bundesrat in die Armee Vertrauen gehabt habe, dass sie dies schaffen könne. «Und wir haben es bewiesen!»

Die Überforderung

Zu Beginn der Pandemie war die Armeeapotheke vom Beschaffungsauftrag heillos überfordert. Das räumt selbst die Armee ein. Sie verteidigt sich aber damit, dass die Armeeapotheke in normalen Zeiten für 16 Millionen jährlich Material beschaffe – plötzlich ging es um das 150-Fache. «Nun standen wir vor unglaublich grossen Aufträgen und Herausforderungen», so Armeeapotheke-Chef Daniel Aeschbach. Die Belastung sei enorm und der Erwartungsdruck hoch gewesen. Er räumt ein: «Die Armeeapotheke war damals nicht für den Einsatz aufgestellt.» Es habe daher auch Fehler gegeben.

Seit 18. Mai 2020 ist die Armeeapotheke der LBA unterstellt. «Mitte Mai übernahmen wir eine Armeeapotheke mit erschöpften Mitarbeitern», sagt LBA-Chef Kaiser. In dieser Phase sei es um eine rasche Entlastung und Stabilisierung gegangen – und darum, «das Gröbste in Ordnung zu bringen».

Das Masken-Puff

In der Öffentlichkeit ist die Masken-Problematik das grosse Thema. 302 Millionen Masken hat die Armeeapotheke insgesamt beschafft. 94 Prozent davon seien mit einwandfeien Zertifkaten dokumentiert, betont Kaiser. Bei 2 Prozent müssten die Zertifikate noch dokumentiert werden. Nur bei 4 Prozent – also rund 12 Millionen Masken – würden noch offene Fragen bestehen bezüglich Zertifikat. Vier Typen von Hygienemasken seien davon betroffen. Das betrifft auch die umstrittenen FFP2-Masken der Firma Emix, zu welchen noch Abklärungen getroffen werden müssten. Ein Bericht der internen Revision des Verteidigungsdepartements soll hier Klarheit schaffen. Dieser wird im Frühjahr erwartet.

Derzeit sitzt die Armee noch auf über 200 Millionen Masken – 130 Millionen sind derzeit die Mindestlagermenge. «Die Masken haben auch ein Verfalldatum», so Kaiser. Man prüfe die Abgabe an Schulen oder Hilfswerke. Man wolle keine Masken vernichten, nur weil das Datum abgelaufen sei.

Zudem erinnerten die beiden daran, dass die Armeeapotheke sogar 550 Millionen Masken hätte beschaffen sollen. Beschaffungskoordinator Markus Näf diese hohe Zahl aber immer wieder hinterfragte und eine inländische Maskenproduktion angeregt. Worauf die Vorgaben auch reduziert wurden.

Die veraltete IT

Ein wichtiger Punkt war das veraltete IT-System der Armeeapotheke. «Das SAP-System musste grundlegend erneuert werden», sagt Aeschbach. Die Armeeapotheke war vorher vom System der LBA abgekoppelt, nun wurde es integriert. Seit Anfang Jahr arbeitet die Armeeapotheke im neuen System. «Die Geschwindigkeit dieses Umbaus war atemberaubend», sagt LBA-Chef Kaiser.

Die Impflogistik

Auch für die Impflogistik ist die Armeeapotheke zuständig. Sie macht aber klar, dass für die Beschaffung des Impfstoffes und die Kontingentierung für die Kantone das Bundesamt für Gesundheit zuständig ist. Die Armeeapotheke hingegen hat die Verantwortung für die sichere Lagerung und die Verteilung an die Kantone.

Von über 800’000 Impfdosen wurden schon rund 780’000 ausgeliefert. Das habe bisher einwandfrei funktioniert, so Kaiser. In den kommenden Monaten werden bis zu 3 Millionen Dosen pro Monat erwartet. Kaiser: «Wir halten uns bereit, auch eine sechsstellige Anzahl Dosen pro Tag an die Kantone zu verteilen.»

Die Lehren

«Wir haben sicher in verschiedenen Bereichen Fehler gemacht und auch falsch antizipiert», räumt Aeschbach ein. Wo genau, werde sich später zeigen. So arbeitet die interne Revision das ganze Geschehen derzeit auf. Man sei aber eine «lernende Organisation» und werde die entsprechenden Schlussfolgerungen umsetzen, so Aeschbach. Zudem läuft eine Inventur und die Aufräumarbeiten sollen bis Mitte Jahr abgeschlossen sein. Das grosse Versprechen: Transparenz.

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