Das kommt im Parlament nicht nur gut an
Eingefrorene Russen-Gelder für Ukraine?

Für FDP-Bundesrat Ignazio Cassis ist es denkbar, dass auch die Schweiz russische Vermögen für den Wiederaufbau in der Ukraine beschlagnahmt – wenn das Gesetz vorher angepasst worden ist. Im Parlament kommt das nicht nur gut an.
Publiziert: 19.01.2023 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2023 um 18:30 Uhr
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Der Meinungsumschwung kommt für viele überraschend. Im vergangenen Jahr hatte es der Bundesrat noch kategorisch abgelehnt, in der Schweiz eingefrorene russische Vermögen für den Wiederaufbau an die Ukraine auszuhändigen. Nur aufgrund einer Staatsnähe oder ihrer Sanktionierung wäre dies ein «massiver Eingriff» in die Eigentumsgarantie der Betroffenen und «rechtsstaatlich hochgradig bedenklich», begründete die Regierung.

Nun aber tönt es plötzlich anders. «Wer Schäden anrichtet, sollte auch dafür aufkommen», erklärte Aussenminister Ignazio Cassis (61) am Mittwochabend am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Derzeit fehle in der Schweiz zwar der rechtliche Rahmen, um die eingefrorenen Gelder zu beschlagnahmen. Aber dieser sei veränderbar, so Cassis.

Noch fehlt eine Gesetzesgrundlage

Bis jetzt sei es nur möglich, Gelder illegaler Herkunft zu konfiszieren. Auf viele der sanktionierten Gelder treffe das aber nicht zu. Darum habe bisher auch kein Land die gesperrten Gelder konfisziert und damit die russischen Oligarchen enteignet.

«Wer Schäden anrichtet, sollte auch dafür aufkommen», findet Aussenminister Ignazio Cassis. Es sei denkbar, dass auch die Schweiz russische Vermögen für den Wiederaufbau in der Ukraine beschlagnahmt.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Schweiz ist nun aber an Diskussionen im Rahmen der G7-Nationen, der EU und der Uno für gesetzliche Grundlagen zur Verwendung von eingefrorenen russischen Geldern beteiligt. «Wir warten die internationale Entwicklung ab», sagte Cassis. Allerdings hat der Bund bereits eine Arbeitsgruppe beauftragt, Rechtsfragen zu prüfen.

Der Teufel steckt im Detail

Im Parlament sind Cassis' Aussagen höchst umstritten. Während sich die SVP schon nur gegen die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland gewehrt hatte, fordern SP und Grüne schon lange Gesetzesänderungen, damit eingefrorene Russengelder für den Wiederaufbau in der Ukraine verwendet werden können. Beim Bundesrat aber blitzten sie damit ab. Bis jetzt.

Differenzierter betrachtet wird dies bei FDP und Mitte. Es sei sicher richtig, eine mögliche Beschlagnahmung russischer Gelder zu prüfen, findet Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60). Gingen die demokratischen Staaten international koordiniert vor, dann sei es auch rechtsstaatlich.

Mitwirkung oder Mitverantwortung «zwingend»

Doch: Der Teufel steckt im Detail. Wer soll letztlich tatsächlich zur Kasse gebeten werden und wer nicht? «Es müsste zwingend eine Mitwirkung oder Mitverantwortung am Ukraine-Krieg nachgewiesen werden», findet Pfister. «Ein Rechtsstaat kann nicht einfach Personen enteignen, wie es ihm passt.»

Das sieht FDP-Präsident Thierry Burkart (47) genauso. «Dass Gelder des russischen Staates gestützt auf ein rechtsstaatliches Verfahren eingezogen würden, wäre für mich denkbar», erklärt er. «Enteignungen von Bürgerinnen und Bürger nur aufgrund der Staatsangehörigkeit wären dagegen unhaltbar.»

In der Schweiz wurden bis heute rund 7,5 Milliarden Franken russische Gelder eingefroren. EU-weit sollen es mehr als 17 Milliarden Euro sein. Der Schaden in der Ukraine durch russische Angriffe beläuft sich laut der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julija Swiridenko (37) auf etwa 1000 Milliarden Dollar.

Für Mitte-Präsident Pfister ist denn auch wichtig, dass der Krieg nicht aus der Schweiz heraus mitfinanziert werden darf. «Sollten sich hier solche russischen Vermögen befinden, wäre das untragbar.»

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