Doppelt so viele Lärmklagen während Lockdown
Luftwaffe musste Flugbetrieb reduzieren

Während des Lockdowns blieben viele zivile Flieger am Boden, die militärischen Flüge fielen umso mehr auf. Das Resultat: Die Lärmklagen nahmen massiv zu. Und die Luftwaffe reduzierte vorübergehend ihren Trainingsbetrieb.
Publiziert: 25.09.2020 um 10:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2020 um 21:45 Uhr
Ruedi Studer

In Corona-Zeiten fielen sie besonders auf: die Autoposer, die mit ihren Wagen protzen und lärmen. Unzählige Lärmklagen genervter Bürger hielten die Polizei auf Trab.

Doch nicht nur aufheulende Automotoren, sondern auch dröhnende Düsentriebwerke gingen der Bevölkerung mächtig auf den Geist. Während die Zivilluftfahrt im Frühling weitgehend gegroundet wurde und kaum ein Kondensstreifen am Himmel zu entdecken war, fielen die militärischen Trainingsflüge umso stärker auf. Die zunehmenden Lärmklagen waren mit ein Grund, dass die Luftwaffe ihre Trainingsflüge ohne grosses Getöse reduzierte.

Bürgerbriefe wegen Lärmemissionen

Denn: Als der Bundesrat am 13. März den Lockdown anordnete, häuften sich rasch auch die Lärmklagen über die Armee. Das zeigen die Corona-Protokolle des Verteidigungsdepartements, die BLICK gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat.

Luftwaffenchef Bernhard Müller ordnete eine Reduktion des Flugbetriebs an.
Foto: Thomas Meier
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Die Armee werde durch eine grosse Anzahl Bürgerbriefe «zusätzlich belastet», heisst es Mitte März. Für die Bearbeitung der Bürgerbriefe wird sogar eigens eine Taskforce gegründet, welche die Anfragen rasch beantworten soll. In den ersten zwei Wochen macht die Armee neben den Hygienemassnahmen bei den Einsatztruppen insbesondere auch die «Lärmemissionen» als Hauptthemenfeld aus.

Praktisch gleichzeitig fällt die Luftwaffe den Beschluss, «die Flugaktivitäten auf das Notwendigste zu reduzieren». Ende März heisst es: «Aufgrund der Situation führt die Luftwaffe einen reduzierten Flugbetrieb.»

«Doppelt so viel Anfragen» im Lockdown

Armeesprecherin Delphine Allemand bestätigt gegenüber BLICK die Lärmklagen-Problematik während des Lockdowns. «Im März und April 2020 verzeichneten wir doppelt so viele Anfragen als saisonal üblich, im Mai eine unterdurchschnittliche Zahl. Seit Juni sind wir wieder im saisonalen Durchschnitt der letzten Jahre», erklärt sie. Zum Vergleich: In den letzten zehn Jahren habe die zentrale Fachstelle Fluglärm bei der Luftwaffe durchschnittlich rund 600 Anfragen pro Jahr bezüglich Fluglärm registriert.

Allemand fügt hinzu: «Seit 2018 ist eine etwas erhöhte Sensibilisierung in der Öffentlichkeit feststellbar.» Dies betreffe insbesondere den Flugdienst mit F/A-18 inklusive Überschallflüge sowie PC-21 und Helikopter.

F/A-18 flog nur 80 statt 120 Stunden

Das Resultat: Die F/A-18-Flugaktivitäten wurden bis Mitte Mai von 120 auf 80 Stunden pro Woche reduziert. Mit dem F-5 Tiger wurden nur noch Flüge zur Zieldarstellung für F/A-18 Hornet und zur Aufrechterhaltung der Lizenzen erlaubt. Die Trainings der «Display Teams» – also etwa der Patrouille Suisse – wurden auf die Zeit nach dem Sommer verschoben.

Zwangen also Lärmklagen die Luftwaffe auf den Boden? Nicht nur, heisst es aus dem VBS. Die Lärmklagen beziehungsweise die «Rücksichtnahme auf die Bevölkerung, welche zur Zeit des Lockdowns oft stationär zu Hause war», hätten «eine untergeordnete Rolle» gespielt, so Allemand.

«Entscheidend war, dass die hoheitlichen Aufgaben jederzeit und uneingeschränkt gewährleistet waren.» Neben der Luftpolizei zählte dazu etwa auch die Unterstützung ziviler Behörden, der Polizei und des Grenzwachtkorps in ihren hoheitlichen Aufgaben.

Aber: «Da im Flugbetrieb kein Home-Office möglich ist, konnte durch die generelle Reduktion des Flugbetriebes das Risiko von Ansteckung respektive Quarantäne wesentlich reduziert werden», so Allemand, «analog dem Vorgehen der meisten europäischen Luftwaffen.»

Nachholbedarf bis Ende Jahr

Mit der Ruhe ist es heute weitgehend vorbei. Anfang Juli wurden sämtliche Restriktionen – mit Ausnahme des Verzichts auf die Trainings- und Flugvorführungen sämtlicher Display-Teams – wieder aufgehoben. Bis im Oktober soll der Flugbetrieb wieder vollständig normal laufen.

In den nächsten Monaten dürften die Militärpiloten zudem nochmals zusätzlich Schub geben. Allemand macht klar: «Die Reduktion des Ausbildungs- und Trainingsflugbetriebes kann voraussichtlich bis Ende Jahr weitgehend aufgeholt werden.»

Das ist aus militärischer Sicht auch nötig, denn ab 1. Januar 2021 will die Armee einen permanenten 24-Stunden-Luftpolizeidienst sicherstellen.

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