Sommaruga zur Einigung auf Solidaritätsabkommen
«Es ist ein beiderseitiges Anliegen»

Die Schweiz hat sich mit dem deutschen Klimaminister und Vizekanzler Robert Habeck auf ein Solidaritätsabkommen geeinigt, um sich bei einem Versorgungsengpass gegenseitig mit Gas auszuhelfen.
Publiziert: 22.05.2022 um 20:51 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2022 um 07:51 Uhr
Pascal Tischhauser und Fabienne Kinzelmann

Deutschland gibt Gas beim Gas. Jahrelang hatte unser Nachbarland bloss über den Bau von Speicher-Terminals für Flüssiggas, LNG, wie es unter Fachleuten heisst, diskutiert. Wegen des nun drohenden Lieferstopps für russisches Gas geht es nun rasant.

Bereits Anfang Mai hat Deutschland mit dem Bau des ersten LNG-Terminals in Wilhelmshaven an der Nordsee begonnen. Insgesamt vier schwimmende Terminals sollen dereinst den LNG-Import für Deutschland sicherstellen. Schon Anfang 2023 liefere das erste Tankschiff Flüssiggas, heisst es.

Gas für die Schweiz

Davon soll auch die Schweizer Gasbranche profitieren können, wie der deutsche Klimaminister und Vizekanzler Robert Habeck (52) am Sonntagabend am Rande des Weltwirtschaftsforums WEF in Davos in Aussicht stellte.

Der deutsche Klimaminister Robert Habeck und die Schweizer Bundesratsmitglieder ...
Foto: IMAGO/Political-Moments
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Thomas Hegglin freut sich über diese Ankündigung Habecks. Der Sprecher des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie sagt: «Das ist sicher ein positives Signal, das wir mit Interesse aufgenommen haben.» Der Verband will nun prüfen, wann und wie die Schweizer Gasbranche tatsächlich Gas aus Deutschland kaufen kann.

Solidaritätsabkommen

Zusammen mit Energie- und Umweltministerin Simonetta Sommaruga (62) kündigte Habeck an, dass die Schweiz und Deutschland sich darauf geeinigt haben, ein Solidaritätsabkommen abzuschliessen. Im Abkommen sollen sich beide Länder verpflichten, sich bei einem Gasengpass mit Gas auszuhelfen.

Gegenüber Blick sagte Bundesrätin Sommaruga später: «Das Treffen mit Vizekanzler Robert Habeck war wirklich sehr freundschaftlich und von gegenseitigem Interesse geprägt. Das ist jetzt keine Floskel, sondern es war ausgesprochen ergiebig. Es zeigte sich deutlich, es ist ein beiderseitiges Anliegen, rasch ein Solidaritätsabkommen auszuhandeln.»

Ankündigung wahrgemacht

Damit wird das Ende März von Umwelt- und Energieministerin Sommaruga im «Blick» angekündigte Abkommen verwirklicht. Mit diesem Abkommen verpflichten sich Deutschland und die Schweiz, sich bei einem Gas-Engpass gegenseitig auszuhelfen. «Wir nehmen die Verhandlungen über das Solidaritätsabkommen auf – und zwar sofort» sagte Sommaruga.

Die geplante Zusammenarbeit betreffe aber nicht nur den Gasbereich, sondern auch den Strom, so Habeck. «Die Lösung sollte jetzt schnellstmöglich umgesetzt werden.»

Dazu erklärt die Schweizer Energieministerin: «Wir haben Herrn Habeck aufgezeigt, welche Rolle die Schweiz bei der Netzstabilität und der europäischen Stromversorgungssicherheit spielen kann. Auch hier wollen wir – auf unserer Seite das BFE – eine mögliche Zusammenarbeit prüfen.»

Keine Enteignung bei uns

Sowieso geht Deutschland beim Schutz für den Strombereich vergleichbar vor wie die Schweiz – nur geht es weiter. Sommaruga: «Um die notwendigen Gelder zur Sicherung der Stromversorgung bereitstellen zu können, geht Deutschland in eine ähnliche Richtung wie in der Schweiz der Bundesrat.» Sie spricht damit auf den Rettungsschirm an, mit dem die Landesregierung einem wichtigen Energieunternehmen finanziell unter die Arme greifen möchte, käme es in Zahlungsnot.

Wie die Energieministerin erklärt, ist es dem Bundesrat wichtig, «rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit im Worst Case nicht nur noch der Griff zu Notrecht bleibt. Auf weitergehendere Massnahmen, die in Deutschland bis zur Enteignung reichen, verzichtet der Bundesrat aber», stellt sie klar.

Kritische Stimmen

Erste Stimmen aus dem Ständerat sind jedoch kritisch dem Rettungsschirm gegenüber. Dazu sagt Sommaruga: «Der Bundesrat hat dem Parlament jetzt einen Vorschlag gemacht, wie er die Versorgungssicherheit mit Strom sichern will.» Es sei nun Sache der Parlamentarierinnen und Parlamentarier darüber zu befinden. Und sie warnt noch einmal, dass der Bundesrat Notrecht bräuchte, ohne das Rettungsschrim-Gesetz. «Und der Griff zum Notrecht ist ja genau das, was das Parlament in der Corona-Pandemie explizit bemängelt hat», begründet die Bundesrätin das Vorgehen der Regierung.

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