Erbschaften wachsen und wachsen in der Schweiz
Geldsegen fürs Nichtstun

Schweizerinnen und Schweizer erben immer mehr – und der Staat will einen immer kleineren Anteil davon. In zwei Kantonen verzichtet der Fiskus ganz auf die Besteuerung des Erbes.
Publiziert: 18.06.2022 um 12:56 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2022 um 13:06 Uhr
Pascal Tischhauser

Für die Hälfte ihres Vermögens hat die Schweizer Bevölkerung keinen Finger gerührt. Es ist ihr vererbt worden. Und die Summe des vererbten Vermögens steigt und steigt. Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart ging 2019 davon aus, dass im Jahr 2020 etwa 95 Milliarden Franken an die Erben gehen. 1999 waren es noch 36 Milliarden.

60 Prozent der Schweizer Superreichen sind Erben, hat eine Studie der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) und der Uni St. Gallen erst kürzlich ergeben.

Brülhart führt den Anstieg des vererbten Vermögens darauf zurück, dass die Vermögen in der Schweiz stetig gewachsen sind – schneller als die Wirtschaftsleistung. Dies, weil die Immobilienpreise und die Aktienkurse kräftiger gestiegen sind als die Gesamtwirtschaft.

Die Ikea-Erben Jonas, Peter und Mathias Kamprad (v. l.) sind die reichste Familie der Schweiz.
Foto: Bilanz
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«Die Initiative ist relativ gemässigt»
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Erb-Halbierung für Superreiche:«Die Initiative ist relativ gemässigt»

1 von 100 Franken für den Staat

Gleichzeitig zwackt der Fiskus einen immer geringeren Anteil daran ab. Quer durch die Kantone sind 1990 im Schnitt pro 100 Franken Erbe noch 4.10 Franken Erbschaftssteuer angefallen. Inzwischen sind es im Schnitt bloss noch 1.40 Franken.

Das ist laut Brülhart dem Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen geschuldet. Um attraktiv zu sein, senken sie den Steuersatz auf vererbte Vermögen. Zudem gibt es Freibeträge – und Schwyz und Obwalden kennen sogar gar keine Erbschaftssteuer.

Zwar spielen die Steuern aufs Einkommen eine Rolle bei der Wahl des Wohnsitzes, aber nicht der Steuersatz aufs Erbe – wohl auch nicht, weil die Ehegatten und die Kinder in den meisten Kantonen von der Erbschaftssteuer befreit sind. Und vermutlich auch deshalb nicht, weil kaum jemand gern ans eigene Lebensende denkt.

Steuersenkungen zahlten sich nicht aus

Brülhart hat untersucht, wie sich die Einnahmen aus den Erbschaften in fünf Kantonen mit besonders markanten Erbschaftssteuersenkungen entwickelt haben. Er kommt zum Schluss: Nach einer Reduktion der Steuern auf Erbschaften kommt es zum erwartbaren Einbruch bei den Steuereinnahmen. Diese steigen aber nicht wie erhofft mit den Jahren dank reicher Zuzüger allmählich wieder aufs frühere Niveau. Selbst nach 20 Jahren nicht.

In Zeiten von zunehmend klammen Kassen und gleichzeitig stark steigenden Preisen, die die Bürgerinnen und Bürger immer mehr belasten, scheint es für den Staat attraktiv, bei denen zusätzliches Steuergeld einzuziehen, die etwas geschenkt bekommen.

Professor Brülhart plädiert deshalb gar dafür, dass die Kantone ihre Erbschaftssteuern wieder auf 4 Prozent anheben. Geschätzte 2,5 Milliarden Franken hätte der Staat 2020 so mehr eingenommen, rechnet Brülhart vor.

2015 gescheitert

Im Jahr 2015 wurde eine nationalen Erbschaftssteuer aber ganz klar vom Stimmvolk abgelehnt. Die Befragung der Stimmenden zeigte nach dem Urnengang jedoch, dass die Initiative zur Besteuerung von Millionen-Erbschaften vor allem scheiterte, weil sich die Leute daran störten, dass eine neue Steuer eingeführt werden soll, ohne dass es dafür einen klaren Bedarfsnachweis gab.

Es muss sich zeigen, ob die Bevölkerung nun wie die Juso die Notwendigkeit sieht für eine Volksinitiative, mit der der Klimaerwärmung mit Geld von Superreichen etwas entgegengesetzt werden soll.

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