Firmen ächzen unter Strompreis
Die Zeche sollen nicht die Kleinen bezahlen

Kleinkunden sollen nicht für Unternehmen bluten, die jetzt unter den Strompreisen leiden. Das macht Simonetta Sommarugas Departement klar. Viel eher sollen die Krisengewinne der Stromunternehmen dazu dienen, Betrieben unter die Arme zu greifen.
Publiziert: 13.09.2022 um 20:54 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2022 um 22:51 Uhr
Pascal Tischhauser und Thomas Müller

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) will die Krisengewinne der Energieunternehmen abschöpfen und damit Privathaushalte und Betriebe unterstützen, die unter den hohen Strompreisen leiden. Dasselbe schwebt Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) vor.

Das Umwelt- und Energiedepartement (Uvek) der SP-Bundesrätin betont: «Der Bund prüft, welche finanziellen Abfederungsmassnahmen für Härtefälle möglich sind und ob zur teilweisen Finanzierung allfällige Übergewinne abgeschöpft werden könnten.» Eine Arbeitsgruppe unter der Führung des Wirtschaftsdepartements von Guy Parmelin (62, SVP) untersucht zudem, wie Firmen und Privatleuten geholfen werden kann.

Schwierige Umsetzung

Der Vorschlag des Gewerbeverbands hingegen, dass Unternehmen beim Strom wieder zurück in die Grundversorgung wechseln können sollen, dürfte laut Uvek nach geltendem Recht nicht einfach umzusetzen sein.

Der Gewerbeverband unter Präsident Fabio Regazzi will, dass grosse Stromkunden vom freien Markt wieder in die Grundversorgung wechseln können.
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
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Dazu muss man wissen: Firmen, die viel Strom verbrauchen, können ihre Elektrizität seit 2009 auf dem freien Markt beschaffen. Dadurch haben sie jahrelang einen viel günstigeren Strompreis bezahlt als die Haushalte, die in der Grundversorgung sind.

Jetzt, wo die Strompreise auf dem freien Markt explodiert sind, sehen sich viele Gewerbebetriebe – aber auch Geringverdiener – nicht mehr in der Lage, den verlangten Preis zu bezahlen. Für die Betriebe fordert der Gewerbeverband unter Präsident Fabio Regazzi (60) deshalb, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurück in die Grundversorgung wechseln sollen.

Drei Bedingungen

Der Gewerbeverband schlägt konkret vor, dass diejenigen, die zurückwechseln, dies erstens ein Jahr im Voraus ankündigen müssen. Dass sie zweitens bereit sein müssen, mindestens drei Jahre lang in der Grundversorgung zu bleiben. Und drittens müssten die Betriebe bei der Rückkehr in die Grundversorgung einen Strafaufpreis von zehn Prozent bezahlen.

Ungerecht bliebe es aber trotzdem: Denn dann wären die Kleinkunden die Leidtragenden. Wenn die Betriebe in die Grundversorgung zurückkehrten, müsste der örtliche Stromversorger den zusätzlich benötigten Strom für diese Grossverbraucher auf dem Markt zukaufen – zu den aktuell hohen Preisen. Ihm bliebe dann nichts anderes übrig, als diese Mehrkosten auf alle Kunden zu verteilen.

Die Haushalte würden die Zeche bezahlen

«Die bestehenden Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung müssten dann die Zeche bezahlen und diese Mehrkosten mittragen», sagt ein Sprecher des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE). Zugunsten jener, die jahrelang profitierten.

Aus ihrer Verantwortung entlassen will die Stromministerin die Energieunternehmen aber auch nicht. Den Gemeinden und Kantonen gehörten die Energieunternehmen ja, sagte Simonetta Sommaruga auf Blick TV. Sie sollen als Eigner der Energiefirmen deshalb darauf hinwirken, dass die Strompreise so tief wie möglich bleiben. Und eben: Sie prüft, ob allfällige Übergewinne der Stromkonzerne benutzt werden könnten, um Härtefälle von betroffenen Unternehmen abzumildern.

Gleiche Transparenz wie in der EU

Sommaruga will den Stromkonzernen zudem mehr auf die Finger schauen. In ihrem Departement verweist man darauf, «dass die Frage, welche Anpassungen es bei der Strommarktregulierung braucht», auf europäischer Ebene besprochen wird. «Die Schweiz verfolgt dies sehr genau», so das Uvek. Sommaruga will dieselben Transparenzregeln für Energiefirmen, wie sie in der EU gelten. Unterwerfen sich die drei grossen Schweizer Stromunternehmen Axpo, Alpiq und die BKW den EU-Transparenzregeln, sollen sie das somit auch hierzulande tun.

Klar ist: Die aktuelle Energiekrise krempelt die Politik um. Forderten bürgerliche Politiker jahrelang die völlige Liberalisierung des Schweizer Strommarkts, also auch für die Privathaushalte, gilt die staatlich regulierte Grundversorgung nun plötzlich als Allheilmittel – auch für Firmen.

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