Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock
Selenskis Zimmermädchen wird scharf durchleuchtet

Ein bisschen Frieden für die Ukraine: Das ist das Ziel einer Konferenz am Vierwaldstättersee. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe.
Publiziert: 14.04.2024 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2024 um 10:12 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Vielleicht dachte Bundespräsidentin Viola Amherd (61) an das Gleichnis vom Senfkorn: Aus einem winzigen Samenkorn kann ein grosser Baum heranwachsen. Die VBS-Chefin erschien im senffarbenen Blazer, um Details zur geplanten Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock Mitte Juni mitzuteilen. Für die von zahlreichen Pannen geplagte VBS-Chefin ist das ein Befreiungsschlag.

Zum einen lenkt die Weltpolitik von den Baustellen im Verteidigungsdepartement ab. Zum anderen lässt der internationale Druck auf die Schweiz nach. Westliche Partner zeigten für das Zaudern und Zögern Berns in Sachen Ukraine wenig Verständnis.

Nach wie vor rosten 96 Ruag-Panzer in Italien vor sich hin – das Kriegsmaterialgesetz verbietet einen Export in die Ukraine. Die fünf Milliarden Franken Hilfsgelder sind für ein reiches Land wie die Schweiz Peanuts: Gemessen am Bruttosozialprodukt zahlt Bern von allen europäischen Ländern am wenigsten für die Ukraine.

Der Bürgenstock bietet einen atemberaubenden Ausblick auf den Vierwaldstättersee.
Foto: keystone-sda.ch
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Nun aber kann Amherd mit einer Friedenskonferenz in der Schweiz punkten. Sogar Brasilien, China, Indien und Südafrika zeigen grosses Interesse. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (65) flog gestern nach China und wird sich persönlich dafür einsetzen, dass Peking hochkarätig in die Schweiz kommt. China begrüsst die Friedenskonferenz, hat sich aber noch nicht festgelegt.

Im EDA ist nun Klinkenputzen angesagt. «Wir gehen von Staat zu Staat», sagt Aussenminister Ignazio Cassis (63). Das Ziel lautet, möglichst viele Länder zu einer Teilnahme zu bewegen. Auf der ganzen Welt werben Schweizer Botschafter für 48 Stunden auf dem Bürgenstock. Zudem hat die Schweiz befreundete Staaten wie Deutschland gebeten, ebenfalls für die Friedenskonferenz Klinken zu putzen.

Gratis-PR

Für den Kanton Nidwalden bedeutet die Friedenskonferenz viel Gratis-PR, aber auch viel Arbeit. Seit knapp zehn Jahren ist Karin Kayser-Frutschi (57) Regierungsrätin im Kanton Nidwalden. Doch so etwas hat sie noch nicht erlebt: Die ganze Welt blickt auf den Bürgenstock wegen einer Friedenskonferenz zum Ukraine-Krieg.

Als Justiz- und Sicherheitsdirektorin ist Kayser-Frutschi für den Schutz der Konferenz verantwortlich. Noch ist unklar, wer alles kommen wird. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass auch Staats- und Regierungschefs mit der höchsten Gefährdungsstufe anreisen werden. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) würde ebenso darunter fallen wie US-Präsident Joe Biden (81).

«Wir tun alles für die Sicherheit und arbeiten dafür eng mit dem Fedpol, dem Nachrichtendienst des Bundes und mit anderen Kantonen zusammen», sagt Kayser-Frutschi. Für alle Polizisten im Kanton Nidwalden gilt für Mitte Juni eine Feriensperre. «Ich bin den Kolleginnen und Kollegen für ihre Flexibilität sehr dankbar», sagt Kayser-Frutschi. Manche im Polizeikorps hatten schon ihre Ferien gebucht, hier will der Kanton bei Stornierungskosten entgegenkommen.

Alle kommen gleichzeitig

Immer wieder wird die Konferenz auf dem Bürgenstock mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) verglichen. Allerdings gibt es laut Kayser-Frutschi einen entscheidenden logistischen Unterschied: «Beim WEF reisen die Staats- und Regierungschefs an unterschiedlichen Tagen an und ab. Beim Bürgenstock kommen und gehen alle gleichzeitig. Das macht es schwieriger.»

Klar ist: Alle, die Zugang zum Bürgenstock haben, müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Dies gilt auch für das Hotelpersonal – vom Zimmermädchen bis zum Hoteldirektor. Was bedeutet das für die Putzfrau von Selenskis Zimmer? «Wir ziehen verschiedene Risiko-Kreise. Wer mit einer höheren Sicherheitskategorie Kontakt hat, wird schärfer durchleuchtet», sagt die Justiz- und Sicherheitsdirektorin.

Strassensperrungen werden angekündigt

Auch wenn viele VIPs mit dem Helikopter direkt auf den Bürgenstock fliegen werden: Ohne Strassensperren werde der Friedensgipfel nicht funktionieren, kündigt Kayser-Frutschi an. Zumal nicht alle VIPs auf dem Bürgenstock schlafen werden: «Jedes Staatsoberhaupt entscheidet selbst, wo es nächtigen möchte. Manche werden auch in der Umgebung übernachten.» Auf der Website des Kantons würden Strassensperrungen angekündigt.

Auch wenn der Bürgenstock sich aufgrund der Lage sehr gut für die Durchführung einer solchen Konferenz eigne, müsse der Veranstaltungsort trotzdem aufwendig gesichert werden: «Mit Drohnen kommen Sie heutzutage überall hin. Wir müssen uns vor Drohnen ebenso wappnen, wie die vielen Wanderwege kontrollieren», sagt Kayser-Frutschi. Hinzu kommen Gefahren durch ausländische Geheimdienste. «Je nach Risikolagebild passen wir die Massnahmen an. Seit Beginn der Planung stehen das Ressort und auch sämtliche kritische Infrastrukturen in Nidwalden unter besonderer Beobachtung.»

Den Marketing-Wert der Friedenskonferenz für den Kanton hält die Justiz- und Sicherheitsdirektorin für unbezahlbar: «Es ist eine riesige Ehre für Nidwalden. Wenn unser kleiner Kanton einen Beitrag für den Weltfrieden leisten kann, dann tun wir das gerne.» Die Kosten zwischen fünf und zehn Millionen Franken würden weitgehend vom Bund übernommen. «Wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Wir müssen den Beitragsschlüssel noch aushandeln.»

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