Gfrörlis müssen im Ernstfall bibbern
Heiz-Sündern droht der Knast

Im Ernstfall gilt: weniger heizen. Und Energiesünder müssen zittern. Bei Verstössen gegen die Gasverordnung drohen Freiheits- und Geldstrafen.
Publiziert: 06.09.2022 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2022 um 20:18 Uhr
Ruedi Studer

Hat es im Winter zu wenig Gas, will der Bund hart durchgreifen. In mit Gas beheizten Gebäuden dürften die Innenräume höchstens auf 19 Grad gebracht werden. Warmwasser dürfte nur noch auf 60 Grad erwärmt werden. Heizstrahler oder Warmluftzelte wären verboten. Saunas und Schwimmbecken müssten kalt bleiben.

Doch es kommt noch dicker: Wer gegen die Vorgaben verstösst, dem droht eine Freiheits- oder Geldstrafe. Bei vorsätzlichem Handeln ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe möglich. Selbst bei fahrlässigen Verstössen gegen die Massnahmen ist eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen denkbar.

Das sieht das Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung vor, auf das das Wirtschaftsdepartement (WBF) in einem amtlichen Dokument explizit verweist.

Wer die Heizung in einer Energiemangellage zu hoch dreht, muss mit einer Strafe rechnen.
Foto: Keystone
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Vergehen oder sogar Verbrechen

«Verstösse gegen das Landesversorgungsgesetz sind stets Vergehen oder punktuell sogar Verbrechen und sind von Amtes wegen durch die Kantone zu verfolgen», erklärt WBF-Sprecher Markus Spörndli. Das Gesetz biete damit «keine Basis für Ordnungsbussen».

Geldstrafen müssten aber nicht zwingend höher sein als Bussen und könnten per Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft behandelt werden, sagt Spörndli. So liegt der Tagessatz bei Geldstrafen in der Regel bei mindestens 30 Franken und maximal 3000 Franken. «Die Anzahl Tagessätze bestimmt sich nach dem Verschulden», so Spörndli weiter. Und die Höhe des Tagessatzes werde nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Täterschaft bestimmt.

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Will heissen: Wer den Thermostat versehentlich mal falsch eingestellt hat, kommt glimpflicher davon als jemand, der sein Schwimmbecken absichtlich auf 25 Grad heizt. Noch deftiger dürfte die Strafe für ein Unternehmen ausfallen, das sein Gaskontingent absichtlich überzieht. Denn auch die Kontingentierungsverordnung unterliegt den Strafbestimmungen.

Punktuelle Kontrollen möglich

Eine breit angelegte Jagd auf Energiesünder soll es aber nicht geben. «Wir sind kein Polizeistaat», sagte SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) letzten Mittwoch an der bundesrätlichen Medienkonferenz. «Die Polizei geht nicht bei jedem vorbei – es kann aber punktuelle Kontrollen geben», so Parmelin. Es gebe ja auch in anderen Bereichen Vorgaben, die nicht ständig kontrolliert würden.

«Die Verordnungsentwürfe basieren in erster Linie darauf, dass sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung an Gesetze hält», betont Spörndli.

Aber eben, Kontrollen sind nicht ausgeschlossen – etwa, wenn man von einem verärgerten Nachbarn oder einem übereifrigen Quartiersheriff verpfiffen wird. Ein Gfrörli, der auf 20 statt 19 Grad heizt, muss mit einer Strafe rechnen. Das bestätigt auch Spörndli – zumindest, «wenn das Vergehen gemeldet und kontrolliert würde und in der Folge auch bewiesen werden könnte».

Kontrollen im Graubereich

Der Bund ist sich aber durchaus bewusst, dass er sich in einem Graubereich bewegt. Schon alleine die Frage, ob am richtigen Ort gemessen würde – an einer Aussenwand ist es tendenziell kühler als an einer Innenwand –, könnte die Gerichte beschäftigen.

Und das WBF hält in Bezug auf das Heizungsverbot für ungenutzte Gebäude in seinen Erläuterungen fest, dass es «ausserordentlich schwerfällt, das Kriterium ‹ungenutzt› näher und vor allem genauer zu umschreiben». Wo die Grenze zwischen Nutzung und Nichtnutzung sinnvollerweise verlaufen sollte, «stellt den Gesetzgeber vor eine grosse Herausforderung».

Fässler pocht auf «Augenmass»

Noch grösser ist die Herausforderung für die Kantone, die die Verbotsvorschriften kontrollieren müssen. Der oberste Polizeidirektor Fredy Fässler (63) hatte schon im Vorfeld an den Bund appelliert, «nur Massnahmen anzuordnen, die umsetzbar und vor allem auch kontrollierbar sind».

Ob die nun vorgelegten Verordnungen diesen Wunsch erfüllen, dazu will sich der St. Galler Regierungsrat mit Verweis auf die laufende Konsultation noch nicht konkret äussern.

«Es gibt aber noch einige offene Fragen, die geklärt werden müssen», sagt Fässler zu Blick. So müsse genau abgegrenzt werden, welche Behörde oder Institution für welche Kontrollen zuständig sei. Dass die Energiepolizei von Tür zu Tür schreitet, will Fässler nämlich nicht. «Wir wollen die Verordnung mit Augenmass umsetzen.»

Aber aus Corona-Zeiten weiss er, dass mit einem gewissen Denunziantentum zu rechnen ist. «Wenn eine entsprechende Anzeige eingeht, dann muss die Polizei handeln», erklärt der Polizeidirektor.

Braucht es Ordnungsbussen?

Aufgrund der jetzigen Strafbestimmungen müssten auch die Staatsanwaltschaft oder gar Gerichte eingeschaltet werden.

«Hier stellt sich die Frage, ob anstelle aufwendiger Strafverfahren nicht wie in der Corona-Krise auch einfache Ordnungsbussen das richtige Mittel sind», sagt Fässler. «Das werden wir sicher diskutieren müssen.»

Noch bis am 22. September haben die Kantone nun Zeit, ihre Bedenken und Vorschläge einzubringen.

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