Im Too-big-to-fail-Bericht
Bundesrat droht, Finma-Präsidentin Amstad zu entmachten

Im Too-big-to-fail-Bericht kündigt die Regierung an, die Corporate Governance der Aufsicht zu überprüfen. Diese steht schon länger in der Kritik.
Publiziert: 16.04.2024 um 20:16 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2024 um 12:04 Uhr
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Holger Alich
Handelszeitung

Der Bundesrat prüft einen grundlegenden Umbau der Finanzmarktaufsicht (Finma). Konkret geht es darum, die Macht zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat neu zu verteilen. Dies kündigt der Bundesrat im Too-big-to-fail-Bericht an, was bisher aber nicht öffentlich thematisiert wurde. Sprich: Die Regierung könnte Finma-Präsidentin Marlene Amstad (55) entmachten.

Der Verwaltungsrat der Finma ist heute kein reines Überwachungsorgan, sondern greift auch operativ in die Aufsichtstätigkeit ein. So entscheidet der Verwaltungsrat über «Geschäfte von grosser Tragweite», wie Artikel 9 des Finma-Gesetzes regelt.

Vermischung von Aufsicht und operativer Arbeit

Finma-Insider sowie der Internationale Währungsfonds haben diese Vermischung von Kontrolle und operativer Aufsichtsarbeit schon länger kritisiert. Nun will hier der Bundesrat über die Bücher: «Konkret sollen unter anderem die Vor- und Nachteile geprüft werden, wenn die Zuständigkeit für Geschäfte von grosser Tragweite der Geschäftsleitung übertragen würde», heisst es im Too-big-to-fail-Bericht.

Vor einer Woche präsentierte Finanzministerin Karin Keller-Sutter den Too-big-to-fail-Bericht.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Grundidee des Konstrukts war, dass es bei der Finma eine Art «Checks and Balances» geben solle. Daher sollten schwerwiegende Entscheide nicht von der Geschäftsleitung, sondern vom Verwaltungsrat entschieden werden. Der Bundesrat hat sich bis anhin hinter das System gestellt. Doch dies gerät zunehmend in die Kritik.

Denn was genau «Geschäfte von grosser Tragweite» sind, ist nicht lupenrein definiert. Das hat der Finma bereits empfindliche Niederlagen vor Gericht eingebracht. So hatte der damalige Finma-Chef Mark Branson (55) die Postfinance 2016 dazu verdonnert, das Risiko steigender Zinsen mit 270 Millionen Franken zusätzlichem Eigenkapital abzusichern.

Peinliche Pleite vor dem Bundesgericht

Die Postfinance wehrt sich seit Jahren dagegen und konnte 2019 einen wichtigen juristischen Sieg einfahren: Das Bundesgericht kippte den Finma-Entscheid überraschend. Begründung: Die Anordnung des Eigenmittelzuschlags für die Postfinance sei ein Entscheid von grosser Tragweite – und müsse vom Verwaltungsrat und nicht von der Finma-Geschäftsleitung getroffen werden.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Nach dem Urteil wurde das Organisationsreglement der Finma geschärft. Als Geschäfte grosser Tragweite wurden Einzelgeschäfte definiert, die potenziell weitreichende Folgen für die Gesamtheit von Kunden haben, oder Geschäfte, welche die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte in erheblichem Masse betreffen. Zudem betreffen Geschäfte grosser Tragweite nur systemrelevante Banken.

Doch die Kritik am Aufbau der Aufsicht reisst nicht ab. Und sie kommt auch von innen: Der Verantwortungszwitter funktioniere nicht. Der Direktor müsse das Sagen haben, sagen mehrere Finma-Insider. Eine Quelle verweist darauf, dass die unklare Corporate Governance die Einheitlichkeit der Aufsichtsarbeit bedrohe. Denn es sei vorstellbar, dass die Geschäftsleitung bei kleineren Banken gewisse Entscheide fälle, der Verwaltungsrat dann denselben Vorgang bei einem Entscheid für eine grössere Bank ganz anders bewerte.

IWF bemängelt die Organisation der Aufsicht

Bekannt ist, dass der frühere Finma-Chef Branson wegen Reibereien mit Verwaltungsratspräsidentin Amstad den Hut nahm. In Bransons Amtszeit war der Finma-Präsident weitgehend unsichtbar, der Direktor war Gesicht und Stimme der Aufsicht.

Nachdem Amstad 2021 die Leitung des Verwaltungsrates übernahm, führt sie ihr Amt viel aktiver und nutzt die Kompetenzen, die ihr das Gesetz gibt. Das war Branson ein Graus, also verliess er die Finma, um die Leitung der deutschen Aufsicht Bafin zu übernehmen. Dort funkt ihm der Aufsichtsrat nicht in die Aufsichtstätigkeit hinein.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat 2014 in einem Bericht das Set-up der Schweizer Aufsicht ebenfalls kritisiert und vorgeschlagen, den Verwaltungsrat der Finma in ein rein strategisches Gremium umzugestalten.

Ob der Bundesrat Finma-Präsidentin Amstad tatsächlich entmachten will, dürfte sich wohl erst nächstes Jahr entscheiden. Denn vor einem finalen Entscheid will die Regierung die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) abwarten. Diese untersucht derzeit, wie gut die staatlichen Stellen in der CS-Krise funktioniert haben. Ihre Erkenntnisse will die PUK Ende Jahr präsentieren.

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