«Es macht keinen Sinn, überstürzt Soldaten an die Front zu schicken»
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Ukrainischer Militärexperte:«Russland hat unlogisch gehandelt»

In den USA willkommen
Nimmt auch die Schweiz russische Deserteure auf?

Russische Fahnenflüchtige sollen einfacher Asyl in der Schweiz erhalten, fordern linke Politiker. Während andere Länder vorpreschen, beobachtet das Bundesamt für Migration die Lage.
Publiziert: 30.09.2022 um 15:13 Uhr
Sophie Reinhardt

Nachdem Russland tausende Männer in den Kriegsdienst beruft, hat Amerika seine Tore für sie etwas geöffnet. Männer, die nicht in den Krieg ziehen wollen, können auf Asyl in den USA hoffen. Die Vereinigten Staaten begrüssen Russen, die vor dem «unpopulären» Krieg von Präsident Wladimir Putin (69) Asyl suchen.

«Wir glauben, dass sie unabhängig von ihrer Nationalität in den Vereinigten Staaten Asyl beantragen können, und dass ihr Antrag von Fall zu Fall geprüft wird», sagte die Pressesprecherin des Weissen Hauses, Karine Jean-Pierre (48), am Dienstag.

Inzwischen werden auch in der Schweiz die Rufe lauter, russische Desertierende und Kriegsdienstverweiger aufzunehmen. Die grüne Nationalrätin Natalie Imboden (52) hat einen Vorstoss eingereicht, in dem sie den Bundesrat auffordert zu prüfen, wie er Fahnenflüchtige aus Russland in der Schweiz Schutz gewähren kann.

Russische Soldaten auf dem Roten Platz.
Foto: AFP
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Aus politischen Gründen verfolgt

Für Imboden ist klar: Das Schweizer Recht lässt zu, dass russische Kriegsverweigerer Asyl erhalten. Denn die Europäische Menschenrechtskonventionen sähen vor, dass Dienstverweigerer als Flüchtlinge anzuerkennen seien, «wenn Zweck und Motivation der Sanktionen im Sinne eines absoluten Malus weit über die legitime Ahndung einer Desertion oder Dienstverweigerung hinausgehen». Da russischen Deserteuren zehn Jahre Haft drohen, sieht Imboden das als zutreffend an.

Migrationsrechtler Alberto Achermann stützt diese Haltung: «Wenn eine Person wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt wird, hat sie die Flüchtlingseigenschaft gemäss Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt», sagte er zu SRF. «Stimmen die derzeitigen Berichte, wonach Russen, die sich dagegen wehren, gegen die Ukraine in den Krieg zu ziehen, mit hohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren bestraft werden, beweist der Staat damit, dass er diese Personen als seine Feinde betrachtet, sie also aus politischen Gründen verfolgt.»

324 Russen aufgenommen

Noch wenig konkret äussert sich das Staatssekretariat für Migration (SEM) zum Thema: «Das SEM ist sich der schwierigen Situation in Russland bewusst», teilt eine Sprecherin mit. Es «beobachtet die aktuellen Entwicklungen der Situation der russischen Deserteure und Wehrdienstverweigerer aufmerksam und lässt die Erkenntnisse in die Asyl- und Wegweisungspraxis einfliessen».

Das SEM führt keine Statistik über die Asylgründe. Deshalb weiss es nicht, wie viele russische Staatsangehörige in einem Asylverfahren Desertion, Wehrdienstverweigerung, den Krieg in der Ukraine oder Menschenrechtsverletzungen geltend gemacht haben.

Es ist aber nicht so, dass die Schweiz bisher keinen Russen aufgenommen hätte. Gemäss SEM wurden 324 Russinnen und Russen, die zum Zeitpunkt des russischen Einmarsches in der Ukraine gelebt haben und nicht in Sicherheit und dauerhaft in ihr Heimatland Russland zurückkehren können, den Status S erteilt.

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