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Islam Alijaj trotzt allen Widrigkeiten und kämpft für Repräsentation
«Mein Gehirn ist zu 150 Prozent da»

Seit seiner Geburt sitzt Islam Alijaj im Rollstuhl. Doch dies hindert ihn nicht daran, nach ganz oben zu streben. Aktuell im Zürcher Gemeinderat, will Alijaj nun nach Bundesbern.
Publiziert: 24.03.2023 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2023 um 07:35 Uhr
Dominique Schlund

«Das System an sich behindert uns.» Die kernige Aussage stammt von Islam Alijaj (37), SP-Gemeinderat in Zürich und selbstständiger Politikberater. Weil sein Hirn bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekam, leidet er an Zerebralparese. Er sitzt im Rollstuhl, auch das Sprechen fällt ihm schwer.

Doch das hindert Alijaj nicht daran, seine Ziele zu verfolgen. Nach dem Zürcher Gemeinderat zieht es ihn nun nach Bern. Für die SP kandidiert er im Herbst zum zweiten Mal für den Nationalrat. Zuerst aber geht es am 24. März an die Behindertensession.

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KV-Lehre abgeschlossen

Wegen seiner Behinderung ging Alijaj in den Neunzigerjahren in eine Sonderschule für Körper- und Mehrfachbehinderte. Und erhebt heute schwere Vorwürfe: «Wegen der Sonderschule war ich mit 16 Jahren auf dem Niveau eines Sechstklässlers.»

Islam Alijaj leidet an Zerebralparese. Er ist SP-Politiker und selbstständiger Politikberater.
Foto: Zvg
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Er sei dort ständig unterfordert gewesen: «Mein Gehirn ist zu 150 Prozent da.» Also brachte er sich selbst auf ein höheres Schulniveau und beendete im Alter von 22 eine KV-Lehre mit Profil E.

Heute kämpft Alijaj für ein integratives Schulsystem, das kein Kind ausschliesst. «Die Kinder sollten einen Einfluss auf ihren individuellen Lehrplan haben, diesen mitgestalten und gegebenenfalls auch ändern können.» Dies fördere die individuelle Entwicklung aller Kinder.

Repräsentation für alle

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es für ihn nur einen Weg – Repräsentation. «Parlament und Regierung sollten endlich repräsentativ werden. Und damit meine ich nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund», so Alijaj.

Zur Untermauerung nennt Alijaj das Beispiel des IV-Systems. «Es soll uns helfen, bewirkt aber durch seine starren und veralteten Strukturen oft das Gegenteil.» Dies liegt unter anderem auch daran, dass bei der IV zu wenig Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch dies wäre eine Form der Repräsentation.

Gleichberechtigung und somit eine faire Repräsentation von Menschen mit Behinderung brauche es auch auf dem Arbeitsmarkt, findet der SP-Politiker. Viel zu oft würden Menschen mit Behinderung in geschützte Werkstätten abgeschoben. Alijaj wollte nie in einer solchen arbeiten. «Wenn man einmal da drin ist, ist es fast unmöglich, in den normalen Arbeitsmarkt zu kommen.»


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